Es sind wiederum Propheten im Land
Es ist keine leichte Aufgabe für die Kirche, der Welt zu erklären, dass es Propheten, S eher und Offenbarer gibt, aber sie tut es dennoch.
Unsere Freundin Carolyn Rasmus hatte gerade ihren Lehrauftrag an der Brigham-Young-Universität angetreten, da luden sie einige ihrer neuen Arbeitskollegen für einen Samstag zu einer Wanderung in den Bergen um Provo ein. Carolyn gehörte nicht der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an, aber sie hatte sich im Kreise ihrer neuen Kollegen sofort wohl gefühlt. Voller Begeisterung nahm sie die Einladung an.
So wie die Sonne stiegen auch die Wanderer auf dem Berg immer weiter aufwärts. Etwa gegen zehn Uhr suchten sich alle einen Platz, an dem sie sich setzen konnten. Carolyn dachte: „Das ist ja fantastisch. Woher wussten sie, dass ich jetzt eine Pause brauche?“ Und auch sie suchte sich ein bequemes Plätzchen, an dem sie ihre Glieder grade sein lassen konnte. Doch ihre Weggefährten schienen diese Pause ungewöhnlich ernst zu nehmen. Einige holten Stift und Notizblock heraus, während einer auf dem Transistorradio sorgsam den Sender einstellte.
Was dann geschah, sollte ihrem Leben eine ganz neue Richtung geben. Einer ihrer Freunde sagte: „Carolyn, wir müssen dir etwas erklären. Dies ist der erste Samstag im Oktober und das bedeutet für uns nicht nur schönes Wetter und buntes Herbstlaub – es findet auch die Generalkonferenz der Kirche statt. Wir Heilige der Letzten Tage halten inne und hören zu – wo auch immer wir sind und was wir auch gerade tun. Wir werden jetzt also zwischen den Eichen und Kiefern sitzen, auf das Tal hinabblicken und zwei Stunden lang den Propheten Gottes lauschen.“
„Zwei Stunden!“, dachte Carolyn. „Ich wusste nicht, dass es noch lebende Propheten Gottes gibt“, erzählte sie, „und erst recht nicht, dass es genug davon gibt, dass sie zwei Stunden ausfüllen können!“ Sie ahnte noch nicht, dass sie an diesem Nachmittag um 14.00 Uhr noch eine zweistündige Rast einlegen würden und dass man sie einladen würde, am nächsten Tag vier weitere Stunden lang die Konferenz zu Hause mitzuverfolgen.
Der Rest ist schon Geschichte. Ihre Studenten schenkten ihr ein in Leder gebundenes Exemplar der heiligen Schriften, Freunde und Familien in der Gemeinde, die sie nun besuchte, begegneten ihr mit Liebe und sie hatte geistige Erlebnisse, die wir all denen wünschen, die auf das Licht des Evangeliums zugehen. Carolyn ließ sich taufen und konfirmieren und wurde Mitglied der Kirche. Der Rest ist wie gesagt Geschichte. Als sie an dem Tag hoch oben auf dem Berg mit dem „Y“ zum ersten Mal die Generalkonferenz miterlebte, ging für Schwester Rasmus die prophetische Einladung Jesajas in Erfüllung: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort.“1
Eine weitere wunderbare Generalkonferenz geht nun langsam zu Ende. Wir hatten die Freude, von unseren Führern zu hören, darunter – und vor allem – von Präsident Gordon B. Hinckley, dem Mann, den wir als Sprachrohr Gottes auf Erden bestätigen, unseren lebenden Propheten, Seher und Offenbarer. So wie die Propheten in allen Evangeliumszeiten, von Adam bis heute, hat Präsident Hinckley uns alle sozusagen in einem weltweiten Ersatz für das Tal Adam-ondi-Ahman um sich geschart, hat uns seine Liebe erwiesen, uns belehrt und hat uns seinen Segen zuteil werden lassen.2
Ich glaube, man kann sagen, dass alle Brüder und Schwestern, die dieses Wochenende zu uns gesprochen haben, dies mit dem Gebet im Herzen getan haben, dass die Generalkonferenz für uns erbauend sein möge und – falls erforderlich – unserem Leben eine neue Richtung geben möge, so wie es bei Schwester Rasmus und abertausenden anderen war, die alle halbe Jahre der Aufforderung in unserem Kirchenlied folgen: „Kommt, höret, was der Heiland spricht, Propheten tat er’s kund“3.
Ich möchte meinem Zeugnis und meiner Dankbarkeit für die Botschaften und die Bedeutung der Generalkonferenz Ausdruck verleihen und drei Punkte anführen, die bei dieser halbjährlichen Zusammenkunft aller Welt verkündet werden.
Erstens: Es wird eindrücklich und unmissverständlich erklärt, dass es wieder einen lebenden Propheten auf Erden gibt, der im Namen des Herrn spricht. Und wie sehr brauchen wir doch diese Führung! Diese Zeit ist turbulent und schwierig. Wir sehen Kriege in aller Welt und Probleme im eigenen Land. Unsere Mitmenschen sind von Kummer bedrückt oder haben familiäre Probleme. Unzählige Menschen kennen Angst und Schwierigkeiten aller Art. Das erinnert uns daran, wie die Menschen, die Lehi in seiner Vision vom Baum des Lebens sah, von einem finsteren Nebel eingehüllt waren. Alle waren in diesem Nebel – der Rechtschaffene und der Nichtrechtschaffene, Jung und Alt, der Neubekehrte und auch das langjährige Mitglied. In diesem Gleichnis sind alle den Bedrängnissen ausgesetzt, und nur die eiserne Stange – das Wort Gottes, wie er es verkündet hat – kann sie sicher zum Ziel führen. Wir alle brauchen diese Stange. Wir alle brauchen das Wort Gottes. Ohne es ist niemand sicher, denn wenn es nicht da ist, kann jeder „auf verbotene Pfade [abfallen] und … verloren [gehen]“, wie es in dem Bericht heißt4. Wie dankbar sind wir doch, dass wir bei der Konferenz an den vergangenen zwei Tagen die Stimme Gottes gehört und gespürt haben, wie viel Kraft die eiserne Stange uns gibt.
Es kam nicht häufig vor, aber im Laufe der Jahre haben doch einige angedeutet, die Äußerungen der führenden Brüder seien weltfremd, sie wüssten nicht, was momentan vorgehe, einige Richtlinien und Vorgehensweisen seien überholt und hätten keinerlei Bezug zu unserer Zeit.
Als einer der Geringsten, die von Ihnen bestätigt wurden, die Führung der Kirche direkt mitzuerleben, erkläre ich aus tiefster Seele, dass ich noch nie in meinem privaten oder beruflichen Umfeld mit irgendeiner Gruppe zu tun hatte, die so gut informiert ist, die so genau weiß, womit wir es zu tun haben, die so gründlich in die Vergangenheit schaut, so offen ist für Neues und alles so sorgfältig, überlegt und gebeterfüllt abwägt. Ich bezeuge, dass diese Gruppe von Männern und Frauen einen weitaus größeren Einblick in sittliche und gesellschaftliche Fragen hat als jedes andere mit ihr vergleichbare und mir bekannte Gremium von Fachleuten, das sich irgendwo auf der Welt damit befasst. Ich gebe Ihnen mein Zeugnis, dass diese Menschen durch und durch gut sind, hart arbeiten und demütig leben. Es ist keine leichte Aufgabe für die Kirche, der Welt zu erklären, dass es Propheten, Seher und Offenbarer gibt, aber sie tut es dennoch. Dies ist ein wahres Licht, das in einer dunklen Welt erstrahlt, und es strahlt von dieser Konferenz aus.
Zweitens: Jede dieser Konferenzen ruft zum Handeln auf, nicht nur um unsertwillen, sondern auch zum Wohle unserer Mitmenschen – derjenigen, die zu unserer Familie und zu unserer Kirche gehören, und derjenigen, die nicht dazugehören. Heute Morgen hat uns Präsident Hinckley in bewegenden Worten an den 150. Jahrestag der Handkarrenabteilungen erinnert, die zu der Zeit, als man im Oktober 1856 hier im Salzseetal zur Generalkonferenz zusammenkam, die letzten Meilen durch das eisige Nebraska stapften und schon bald in den unpassierbaren Schneewehen des Hochlands von Wyoming stecken bleiben sollten. Er zitierte die inspirierende Botschaft, die Präsident Brigham Young bei dieser Generalkonferenz an die Heiligen richtete, nämlich schlicht und einfach: „Geht und holt die Leute, die jetzt in der Prärie sind!“5
Genauso, wie es bei der Generalkonferenz im Oktober 1856 darum ging, Menschen in Not zu retten, ist dies auch der Leitgedanke dieser Konferenz, der letzten Konferenz und auch der nächsten im Frühjahr. Bei dieser Konferenz haben wir es vielleicht nicht mit Schneestürmen und Begräbnissen im gefrorenen Boden zu tun, aber es gibt noch immer Menschen in Not – die Armen und die Erschöpften, die Entmutigten und Niedergeschlagenen, diejenigen, die auf die zuvor erwähnten verbotenen Pfade geraten sind, und Unzählige, „denen die Wahrheit nur deshalb vorenthalten ist, weil sie nicht wissen, wo sie zu finden ist“6. Sie alle sind dort draußen, mit ihren müden Knien und herabgesunkenen Händen7, und bald setzt schlechtes Wetter ein. Sie können nur von denen gerettet werden, die mehr haben, mehr wissen und mehr helfen können. Sie brauchen sich auch nicht zu fragen: „Wo sind sie denn?“ Sie sind überall – zu Ihrer Rechten und zu Ihrer Linken, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in jedem Ort, jedem Kreis und jedem Land in dieser Welt. Spannen Sie Ihre Zugtiere vor den Wagen, beladen Sie ihn mit Ihrer Liebe, Ihrem Zeugnis und einem Sack mit geistiger Nahrung, und fahren Sie los, ganz gleich, wohin. Der Herr wird Sie zu den Bedürftigen führen, wenn Sie nur selbst das Evangelium Jesu Christi annehmen, das bei dieser Konferenz verkündet wurde. Öffnen Sie Ihr Herz und reichen Sie denen die Hand, die in der Prärie unserer Zeit feststecken oder vor dem Teufelsschlund stehen. Wenn wir das tun, leisten wir der wiederholten Aufforderung des Meisters Folge, uns der verlorenen Schafe, Münzen und Seelen anzunehmen.8
Mein letzter Punkt: Eine Generalkonferenz der Kirche ist eine Erklärung an die Welt, dass Jesus der Messias ist, dass er und sein Vater, der Gott und Vater von uns allen, dem jungen Propheten Joseph Smith erschienen sind und damit die Verheißung aus alter Zeit erfüllt haben, dass der auferstandene Jesus von Nazaret seine Kirche auf Erden wiederherstellen werde und „ebenso wiederkommen [werde], wie [die Heiligen in Judäa] ihn [haben] zum Himmel hingehen sehen“9. Diese Konferenz und jede andere Generalkonferenz ist die Erklärung, dass er sich herabgelassen hat, in Armut und Demut auf die Erde zu kommen, um Leid und Ablehnung zu erfahren, Enttäuschung und Tod, damit wir genau davor bewahrt bleiben, wenn sich die Ewigkeit vor uns ausbreitet, damit wir „durch seine Wunden … geheilt“10 werden. Diese Konferenz verkündet jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk die liebevolle Verheißung des Messias’, dass seine „Huld … ewig [währt]“11.
All denen, die meinen, sie seien verloren oder ohne Hoffnung, die glauben, sie haben viel zu lange zu viel falsch gemacht, jedem von Ihnen, der fürchtet, er stecke auf der verschneiten Prärie des Lebens fest und sein Handkarren sei inzwischen kaputt, ruft diese Konferenz die unermüdliche Zusicherung Jehovas zu: „Meine Hand bleibt ausgestreckt!“12 „Ich [strecke] ihnen meinen Arm von Tag zu Tag hin“, sagt er, „[und vielleicht] werden sie mich leugnen; dennoch werde ich zu ihnen barmherzig sein, … falls sie umkehren und zu mir kommen; denn mein Arm ist den ganzen Tag lang ausgestreckt, spricht der Herr, Gott, der Heerscharen.“13 Seine Barmherzigkeit währt für immer und seine Hand bleibt ausgestreckt. Er hat die reine Christusliebe, die Nächstenliebe, die niemals aufhört, das Mitgefühl, das anhält, selbst wenn jede andere Kraft versagt.14
Ich gebe Zeugnis von diesem Jesus, der uns die Hand entgegenstreckt, uns rettet und Erbarmen hat, dass dies seine erlösende Kirche ist, die auf seiner erlösenden Liebe gebaut ist, und dass, wie es im Buch Mormon heißt: „Propheten unter das Volk [kamen], die vom Herrn gesandt waren, [es zu verkünden]. … [Ja,] es kamen wiederum Propheten in das Land.“15 Ich bezeuge, dass Präsident Gordon B. Hinckley in jeder Hinsicht, vom Scheitel bis zur Sohle, so ein Prophet ist, dessen Leben und Stimme uns teuer sind und für den wir so viel gebetet haben. Er wird nun diese halbjährliche Zusammenkunft schließen. Für diesen Segen – und all die von mir genannten Segnungen und so viele mehr – möchte ich anlässlich der Generalkonferenz persönlich danken. Im Namen Jesu Christi. Amen.