Das Warum beim Dienen im Priestertum
Wenn wir das Warum im Evangelium und das Warum im Priestertum verstanden haben, erkennen wir viel leichter die göttliche Absicht, die hinter dem allen steht.
Diese herrliche Gelegenheit, mit den Brüdern, die das Priestertum tragen, zusammenzukommen, weiß ich sehr zu schätzen, und ich erfreue mich mit Ihnen am Wunder und der Schönheit des Evangeliums Jesu Christi. Ich lobe Sie für Ihren Glauben, Ihre guten Werke und Ihre anhaltende Rechtschaffenheit.
Uns alle verbindet, dass wir von jemandem, dem heilige Priestertumsvollmacht und -macht anvertraut wurde, zum Priestertum Gottes ordiniert worden sind. Das ist nicht zu unterschätzen. Es ist eine heilige Verantwortung.
Die Macht, die aus dem Warum erwächst
Neulich habe ich über zwei bedeutende Berufungen nachgedacht, die ich als Priestertumsträger in der Kirche erhalten habe.
Die erste dieser beiden Berufungen erhielt ich, als ich Diakon war. Meine Familie und ich gehörten damals zum Zweig Frankfurt. Wir hatten viele wunderbare Menschen in unserem kleinen Zweig. Einer davon war unser Zweigpräsident, Bruder Landschulz. Ich bewunderte ihn wirklich sehr, obwohl er immer so ernst und förmlich wirkte und die meiste Zeit einen dunklen Anzug trug. Ich weiß noch, wie ich als Junge mit meinen Freunden Witze darüber machte, wie altmodisch unser Zweigpräsident wirkte.
Heute muss ich darüber lachen, denn es ist sehr gut möglich, dass die heutigen Jugendlichen der Kirche mich ganz ähnlich sehen.
Eines Sonntags fragte mich Präsident Landschulz, ob er mit mir sprechen könne. Mein erster Gedanke war: „Was habe ich falsch gemacht?“ In Gedanken ging ich in Windeseile alles durch, was ich angestellt haben könnte und was mir nun dieses Gespräch zwischen Zweigpräsident und Diakon eingebracht hatte.
Präsident Landschulz bat mich in ein kleines Klassenzimmer – in unserem Gemeindehaus gab es kein Büro für den Zweigpräsidenten – und berief mich dort als Präsidenten des Diakonskollegiums.
„Das ist ein wichtiges Amt“, sagte er, und dann nahm er sich Zeit, ausführlich zu erläutern, warum das so war. Er erklärte mir, was er und der Herr von mir erwarteten und wie ich Hilfe dabei bekommen könnte.
Ich erinnere mich kaum noch daran, was er gesagt hat, aber ich weiß noch sehr gut, wie ich mich gefühlt habe. Ein heiliges Gefühl, das von Gott stammte, erfüllte mich, als er sprach. Ich konnte spüren, dass dies die Kirche des Heilands war. Und ich spürte, dass die Berufung, die er ausgesprochen hatte, vom Heiligen Geist inspiriert worden war. Ich weiß noch, dass ich mir ein gutes Stück größer vorkam als zuvor, als ich dieses kleine Klassenzimmer verließ.
Seither sind fast 60 Jahre vergangen, aber ich denke immer noch gern an diese Empfindungen: Vertrauen und Liebe.
Als ich an dieses Erlebnis zurückdachte, überlegte ich, wie viele Diakone wir in diesem Zweig damals überhaupt waren. Soweit ich mich erinnere, waren wir wohl zwei. Das könnte aber auch schon zu hoch gegriffen sein.
Es kam jedoch gar nicht darauf an, ob es einen Diakon gab oder ein Dutzend. Es war mir eine Ehre, und ich wollte meine Aufgabe so gut erfüllen, wie ich nur konnte, und weder meinen Zweigpräsidenten noch den Herrn enttäuschen.
Heute ist mir klar, dass der Zweigpräsident mich auch nur rein der Form halber zu diesem Amt hätte berufen können. Er hätte mir auf dem Flur oder während einer Priestertumsversammlung einfach sagen können, dass ich der neue Präsident des Diakonskollegiums sei.
Stattdessen nahm er sich Zeit für mich und erklärte mir nicht nur das Was an meiner Aufgabe und neuen Verantwortung, sondern vor allem das Warum dafür.
Das ist etwas, was ich nie vergessen werde.
Mit dieser Geschichte will ich nicht nur aufzeigen, wie man eine Berufung in der Kirche ausspricht – obwohl dies natürlich ein hervorragendes Lehrbeispiel dafür ist, wie es sein sollte. Sie ist ein Beispiel dafür, wie machtvoll Priestertumsführer andere motivieren können, sodass deren Geist erwacht und Taten folgen.
Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, welche ewigen Gründe dem zugrunde liegen, was uns geboten ist. Die einfachen Grundsätze des Evangeliums müssen ein fester Bestandteil unseres Lebens werden, auch wenn das bedeutet, dass wir sie stets aufs Neue lernen müssen. Das heißt nicht, dass dieser Vorgang zur Routine werden muss oder langweilig wird. Mögen wir vielmehr, wenn wir diese Grundsätze zu Hause oder in der Kirche erläutern, die Flamme der Begeisterung für das Evangelium nähren, damit das Feuer des Zeugnisses denen, die wir unterrichten, Licht, Wärme und Freude ins Herz trägt.
Vom frisch ordinierten Diakon bis hin zum erfahrensten Hohen Priester haben wir alle eine Liste dessen, was wir im Rahmen unserer Priestertumsaufgaben tun können und sollen. Das Was ist wichtig, und wir müssen uns dieser Aufgaben annehmen. Doch es ist das Warum bei unserem Dienst im Priestertum, worin das Feuer, die Leidenschaft und die Macht des Priestertums zutage treten.
Das Was bei unserem Dienst im Priestertum zeigt uns, was wir machen sollen. Das Warum inspiriert unsere Seele.
Das Was gestaltet aus, das Warum gestaltet um.
Eine Fülle an „Gutem“, was man tun kann
Eine andere Berufung im Priestertum, an die ich kürzlich denken musste, erhielt ich viele Jahre später, als ich schon Kinder hatte. Wir waren wieder nach Frankfurt gezogen, und ich war am Arbeitsplatz gerade befördert worden. Meine neue Position erforderte viel Zeit und Aufmerksamkeit. In diesem gut ausgefüllten Lebensabschnitt berief mich Elder Joseph B. Wirthlin als Pfahlpräsident.
Während des Interviews gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Vor allem war da immer wieder die Sorge, dass ich wohl nicht die Zeit aufbringen könne, die diese Berufung erforderte. Die Berufung stimmte mich demütig und ich fühlte mich auch geehrt, dennoch überlegte ich kurz, ob ich sie vielleicht ablehnen solle. Das war aber nur ein flüchtiger Gedanke, denn ich wusste ja, dass Elder Wirthlin von Gott berufen war und dass er das Werk des Herrn tat. Was blieb mir also anderes übrig, als sie anzunehmen?
Es gibt Zeiten, da müssen wir uns voller Glauben in die Dunkelheit hinauswagen und darauf vertrauen, dass Gott uns bei jedem Schritt festen Boden unter die Füße legt. Und so nahm ich die Berufung frohen Herzens an und wusste, dass Gott mir helfen würde.
Gleich zu Beginn meiner Amtszeit genossen wir im Pfahl den Vorzug, von einigen der besten Lehrer und Führer der Kirche geschult zu werden – Männer wie Elder Russell M. Nelson und Präsident Thomas S. Monson kamen in unser Gebiet. Die Schulungen bei ihnen waren wie Tau vom Himmel und eine Inspiration für uns. Ich habe die Notizen, die ich mir bei diesen Schulungen gemacht habe, aufgehoben. Diese führenden Brüder vermittelten uns eine Vision dessen, was es bedeutet, das Reich Gottes aufzurichten, indem man das Zeugnis des Einzelnen fördert und Familien stark macht. Sie ließen uns erkennen, wie sich die Wahrheiten und Grundsätze des Evangeliums auf die jeweiligen Umstände und den jeweiligen Zeitpunkt anwenden lassen. Um es anders auszudrücken: Inspirierte Lehrer ließen uns das Warum im Evangelium erkennen, und wir mussten dann die Ärmel hochkrempeln und uns an die Arbeit machen.
Es dauerte gar nicht lange, bis wir merkten, dass es sehr viel Gutes gab, worum sich eine Pfahlpräsidentschaft kümmern konnte. Ja, es war so viel, dass wir das Wichtigste womöglich versäumt hätten, wenn wir nicht inspiriert Prioritäten gesetzt hätten. Nach und nach buhlten nämlich verschiedene Prioritäten um unsere Aufmerksamkeit und trübten unseren Blick auf die Vision, die die führenden Brüder uns vermittelt hatten. Es gab viel „Gutes“ zu tun, aber nicht alles davon war am wichtigsten.
Wir lernten eine wichtige Lektion: Nur weil etwas gut ist, ist das nicht immer Grund genug, dafür Zeit und Mittel aufzuwenden. Unsere Unternehmungen, Vorstöße und Pläne müssen von dem Warum für unseren Dienst im Priestertum inspiriert sein und darauf gründen und nicht von verlockenden Trends oder vorübergehenden Interessen. Andernfalls können diese unsere Bemühungen in die falsche Richtung lenken und uns Energie kosten, und wir verrennen uns auf geistiger oder zeitlicher Ebene in Steckenpferde, die nicht im Mittelpunkt stehen, wenn es darum geht, Christus nachzufolgen.
Brüder, wir alle wissen, dass man Selbstdisziplin braucht, um sich stets auf das zu konzentrieren, was am ehesten die Macht hat, unsere Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen zu vergrößern, Ehen zu beleben, Familien zu stärken und das Reich Gottes auf Erden aufzubauen. Wie ein Obstbaum mit seiner Überfülle an Ästen und Blättern muss auch unser Leben von Zeit zu Zeit zurückgeschnitten werden, damit wir unsere Energie und Zeit auch wirklich für unser wahres Ziel aufwenden – nämlich gute Früchte hervorzubringen.1
Wir sind nicht allein
Woher wissen wir denn nun, was wir auswählen sollen? Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Uns ist jedoch geboten, eifrig die heiligen Schriften zu studieren, die Worte der Propheten zu beherzigen und uns in gläubigem, aufrichtigem und hingebungsvollem Gebet mit dieser Frage zu befassen.
Brüder, Gott ist treu. Durch den Heiligen Geist spricht er uns in Herz und Sinn Frieden zu, was den Weg anbelangt, den wir in jedem einzelnen Lebensabschnitt gehen sollen.
Wenn unser Herz rein ist, wenn wir nicht uns selbst verherrlichen wollen, sondern den allmächtigen Gott, wenn wir seinen Willen tun wollen und unserer Familie und unseren Mitmenschen ein Segen sein wollen, überlässt er uns auf dem Weg nicht uns selbst. Es ist so, wie Präsident Monson es uns oft erklärt: „Wenn wir im Auftrag des Herrn handeln, haben wir auch ein Anrecht auf seine Hilfe.“2
Der Vater im Himmel wird „vor eurem Angesicht hergehen. [Er wird] zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und [s]ein Geist wird in eurem Herzen sein und [s]eine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“3
Die Macht, die daraus erwächst, dass man handelt
Meine lieben Brüder, unser Dienst im Priestertum ruft die Segnungen Gottes herab, wenn wir uns eifrig Mühe geben, opferbereit sind und den Wunsch haben, das Rechte zu tun. Wir wollen diejenigen sein, die handeln und nicht auf sich einwirken lassen. Reden halten ist schön, doch eine Predigt, die kein Handeln nach sich zieht, ist wie ein Feuer, das keine Hitze entwickelt, oder wie Wasser, das den Durst nicht stillen kann.
Erst wenn wir die Lehre anwenden, wird die reinigende Flamme des Evangeliums angefacht und die Macht des Priestertums zum zündenden Funken in unserer Seele.
Thomas Edison, der Mann, der die Welt in das Licht der Glühbirne getaucht hat, hat gesagt: „Der Wert einer Idee liegt in ihrer Umsetzung.“4 So wird auch die Lehre des Evangeliums kostbarer, wenn sie in die Tat umgesetzt wird.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die Lehren des Priestertums lediglich in unserem Herzen schlummern, aber im Leben keine Anwendung finden. Wenn eine Ehe oder eine Familie gerettet werden muss – vielleicht sogar unsere eigene –, dann wollen wir doch nicht abwarten und zusehen. Wir wollen vielmehr Gott für den Plan des Glücklichseins danken, zu dem Glaube, Umkehr, Vergebung und immer wieder ein Neuanfang gehören. Wenn wir die Lehre des Priestertums anwenden, werden wir dadurch zu einem Ehemann, Vater oder Sohn, der das Warum im Priestertum und dessen Macht erkennt, die Schönheit und Heiligkeit einer ewigen Familie zurückzugewinnen und zu sichern.
Die Generalkonferenz ist immer eine gute Gelegenheit, zuzuhören und dann aktiv zu werden. Hören wir also „das Wort nicht nur an, sondern handel[n wir auch] danach“.5 Brüder, ich lade Sie ein, über die Worte, die von den Dienern Gottes an diesem Wochenende gesprochen werden, nachzudenken. Gehen Sie dann auf die Knie. Bitten Sie Gott, unseren Vater im Himmel, Ihren Verstand zu erleuchten und Ihr Herz zu berühren. Bitten Sie ihn um Führung in Ihrem täglichen Leben und bei Ihren Aufgaben in der Kirche, und auch bei den konkreten Herausforderungen, vor denen Sie jetzt gerade stehen. Folgen Sie den Eingebungen des Geistes, zögern Sie nicht. Wenn Sie all das tun, verheiße ich Ihnen: Der Herr lässt Sie auf Ihrem Weg nicht allein.
In Geduld fortfahren
Wir wissen, dass trotz bester Absichten nicht immer alles so ausgeht, wie wir es beabsichtigt haben. Wir machen Fehler im Leben und auch beim Dienst im Priestertum. Manchmal stolpern wir und erfüllen die Erwartungen nicht.
Der Herr rät uns ja: „Fahrt fort in Geduld, bis ihr vollkommen geworden seid.“6 Damit sagt er auch, dass dies Zeit und Ausdauer erfordert. Wenn wir das Warum im Evangelium und das Warum im Priestertum verstanden haben, erkennen wir viel leichter die göttliche Absicht, die hinter dem allen steht. Das wird uns motivieren und uns die Kraft geben, das Rechte zu tun, auch wenn es schwer ist. Wenn wir uns beständig auf die einfachen Grundsätze eines evangeliumsgemäßen Lebens konzentrieren, werden uns Klarheit, Weisheit und Führung zuteil.
„Sollen wir in einer so großen Sache nicht vorwärtsgehen?“7 Ja, Brüder, das machen wir!
Vom Heiligen Geist geführt, lernen wir aus unseren Fehlern. Wenn wir stolpern, stehen wir wieder auf. Wenn wir ins Straucheln geraten, gehen wir trotzdem weiter. Wir lassen uns niemals beirren, wir geben niemals auf.
Als mächtige Bruderschaft, die das immerwährende Priestertum Gottes trägt, stehen wir zusammen – Schulter an Schulter –, richten unseren Blick auf die Grundsätze des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi und dienen unserem Gott und unseren Mitmenschen dankbar, mit Hingabe und mit Liebe.
Gott lebt!
Meine lieben Brüder, ich bezeuge Ihnen heute, dass Gottvater und sein Sohn, Jesus Christus, leben. Es gibt sie wirklich. Sie sind da!
Sie, Brüder, sind nicht allein. Sie sind dem Vater im Himmel wichtig, und er möchte Sie segnen und Ihnen helfen, rechtschaffen zu bleiben.
Seien Sie versichert: Gott spricht in unserer Zeit zu den Menschen. Er wird auch zu Ihnen sprechen!
Der Prophet Joseph Smith hat wirklich das gesehen, wovon er berichtet hat. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist durch die Macht und Vollmacht des allmächtigen Gottes auf Erden wiederhergestellt worden.
Ich bete darum, dass wir als Träger des Priestertums Gottes beim Dienen im Priestertum immer das Warum vor Augen haben und dass wir die Grundsätze des wiederhergestellten Evangeliums dazu nutzen, unser eigenes Leben und das derjenigen, denen wir dienen, umzugestalten.
Dadurch wird die unbegrenzte Macht des Sühnopfers unseren Geist und unseren Charakter läutern, reinigen und veredeln, bis wir der Mensch geworden sind, der wir sein sollen. Das bezeuge ich im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.