2013
Wenn man sich im Kreis bewegt
Juni 2013


Botschaft von der Ersten Präsidentschaft

Wenn man sich im Kreis bewegt

Präsident Dieter F. Uchtdorf

Haben Sie schon einmal den alten Spruch gehört, dass Leute, die sich verlaufen, sich oft im Kreis bewegen?

Der deutsche Psychologe Jan L. Souman wollte mit wissenschaftlichen Methoden nachprüfen, ob das stimmt. In einem Experiment führte er die Teilnehmer in ein großes Waldgebiet und in die Sahara und verfolgte ihre Spuren mit einem Navigationsgerät. Einen Kompass oder dergleichen hatten sie nicht dabei. Die Aufgabe war einfach: in der vorgegebenen Richtung geradeaus gehen.

Dr. Souman schilderte, was geschah: „[Einige] waren bei bewölktem Himmel losgegangen. Die Sonne war wolkenverhangen [und es waren keine Bezugspunkte in Sichtweite]. … [Sie] alle bewegten sich im Kreis, wobei [einige] mehrfach ihren eigenen Weg kreuzten, ohne es zu merken.“ Andere Teilnehmer gingen bei Sonnenschein los und hatten in der Ferne Bezugspunkte in Sichtweite. „Sie … schlugen einen fast vollkommen geraden Kurs ein.“1

Die Studie wurde von anderen mit unterschiedlicher Methodik wiederholt.2 Die Ergebnisse waren allesamt vergleichbar.

Ohne eine sichtbare Orientierungshilfe neigt der Mensch dazu, sich im Kreis zu bewegen.

Die heiligen Schriften sind eine Orientierungshilfe

Ohne eine geistige Orientierungshilfe schweift der Mensch ebenfalls ab. Ohne das Wort Gottes bewegen wir uns im Kreis.

Dieses Muster wiederholt sich offensichtlich bei jedem Einzelnen wie auch in der Gesellschaft immer wieder, in jeder Evangeliumszeit seit Anbeginn der Zeiten. Wenn wir das Wort Gottes aus den Augen verlieren, verlaufen wir uns leicht.

Zweifellos war das der Grund, weshalb Lehi von Gott geboten wurde, seine Söhne wegen der Messingplatten nach Jerusalem zurückzuschicken. Gott wusste, dass die Nachkommen Lehis eine verlässliche Orientierungshilfe brauchten – einen Bezugspunkt, anhand dessen sie bestimmen konnten, ob sie auf Kurs waren.

Die heiligen Schriften sind das Wort Gottes. Es sind Orientierungshilfen Gottes, die uns zeigen, welchen Weg wir einschlagen sollen, um unserem Erlöser näherzukommen und erstrebenswerte Ziele zu erreichen.

Die Generalkonferenz ist eine Orientierungshilfe

Die Ratschläge, die uns bei der Generalkonferenz erteilt werden, sind eine weitere Orientierungshilfe, anhand derer wir erkennen können, ob wir auf Kurs sind.

Bisweilen frage ich mich: „Habe ich wirklich zugehört, was die Männer und Frauen, die bei der letzten Generalkonferenz gesprochen haben, gesagt haben? Habe ich ihre Worte gelesen, und nicht nur einmal? Habe ich über sie nachgedacht und sie in mein Leben einfließen lassen? Oder habe ich mich lediglich über die schönen Ansprachen gefreut und es unterlassen, die inspirierten Aussagen persönlich umzusetzen?“

Vielleicht haben Sie sich beim Zuhören oder Lesen ein, zwei Notizen gemacht. Vielleicht haben Sie sich vorgenommen, das eine oder andere besser oder anders zu machen. Denken Sie nur einmal an die letzte Generalkonferenz. Es waren viele Aufrufe dabei, unsere Familie zu stärken und eine bessere Ehe zu führen. Auch in der vorliegenden Ausgabe des Liahonas geht es um diese ewigen Werte, und er enthält viele praktische Tipps für unser Leben.

Merken wir uns diese unschätzbaren Ratschläge und befolgen wir sie? Erkennen wir diese echten und wertvollen Orientierungshilfen und bewegen wir uns auf sie zu?

Mittel gegen das Abschweifen

Geistige Orientierungshilfen sind unerlässlich, um uns auf dem engen und schmalen Pfad zu halten. Sie geben uns klar vor, welchen Weg wir einschlagen sollen – aber nur, wenn wir sie auch erkennen und uns auf sie zu bewegen.

Wenn wir uns weigern, uns von diesen Orientierungshilfen leiten zu lassen, werden sie zu dekorativen Brocken ohne Bedeutung, die nur dazu dienen, den platten Horizont aufzubrechen.

Es reicht nicht aus, sich einzig und allein auf seinen Instinkt zu verlassen.

Es reicht nicht aus, die allerbesten Absichten zu haben.

Es wird nicht genügen, wenn wir uns nur auf unsere natürlichen Sinne verlassen.

Selbst wenn wir glauben, wir folgten geistig einem schmalen Pfad, werden wir ohne eine echte Orientierungshilfe, die uns leitet – ohne Führung durch den Heiligen Geist –, vermutlich abschweifen.

Wir wollen darum die Augen aufmachen und die Orientierungshilfen sehen, die ein gütiger Gott seinen Kindern mitgegeben hat. Wir wollen das Wort Gottes lesen, hören und umsetzen. Wir wollen mit wirklichem Vorsatz beten, auf die Eingebungen des Heiligen Geistes achten und sie befolgen. Haben wir erst einmal die erhabenen Orientierungshilfen erkannt, die der Vater im Himmel uns liebevoll gegeben hat, sollten wir unseren Kurs an ihnen ausrichten. Wir sollten unseren Kurs darüber hinaus regelmäßig korrigieren, wenn wir den geistigen Orientierungshilfen folgen.

Dann werden wir uns nicht im Kreis bewegen, sondern voller Zuversicht und Gewissheit auf jene große Segnung vom Himmel zugehen, die das Geburtsrecht aller ist, die den engen und schmalen Pfad eines Jüngers Christi gehen.

Anmerkungen

  1. Siehe Jan L. Souman und andere, „Walking Straight into Circles“, Current Biology, Band 19, 29. September 2009, Seite 1538

  2. Siehe beispielsweise Robert Krulwich, „A Mystery: Why Can’t We Walk Straight?“, npr.org/blogs/krulwich/2011/06/01/131050832/a-mystery-why-can-t-we-walk-straight

Wie man Gedanken aus dieser Botschaft vermittelt

Zur Vorbereitung könnten Sie in den heiligen Schriften danach suchen, welche Menschen sich von geistigen Orientierungshilfen haben leiten lassen und welche sich im Kreis bewegt haben. Sie könnten Ihr Studium mit diesen Schriftstellen beginnen: Numeri 14:26-33; 1 Nephi 16:28,29; Alma 37:38-47. Erzählen Sie Ihren Zuhörern, wie es der Geist Ihnen eingibt, von Ihren Erkenntnissen aus diesen Beispielen. Fragen Sie sie, was man aus diesen Begebenheiten lernen kann.

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