2014
Zeigen Sie Ihren Glauben
Mai 2014


Zeigen Sie Ihren Glauben

Lassen Sie Ihren Glauben Tag für Tag auf dem Weg zu Ihrer ewigen Bestimmung wachsen. Verkünden Sie Ihren Glauben! Zeigen Sie Ihren Glauben!

Elder Russell M. Nelson

Liebe Brüder und Schwestern, wir fühlen uns Ihnen zutiefst verbunden und sind sehr dankbar für Sie. Wir sind dankbar für die Aufgaben, die wir unter Ihnen haben.

Als ich neulich mit dem Flugzeug unterwegs war, meldete der Pilot, dass uns beim Sinkflug Turbulenzen bevorstünden und dass alle Passagiere sich deshalb fest anschnallen sollten. Wie angekündigt, gerieten wir in Turbulenzen. Es war reichlich ungemütlich. Auf der anderen Seite des Ganges, einige Reihen hinter mir, geriet eine Frau vor Angst in Panik. Bei jedem erschreckenden Absacken und jedem unangenehmen Stoß schrie sie auf. Erfolglos versuchte ihr Mann, sie zu beruhigen. Doch sie schrie hysterisch weiter, bis wir die Turbulenzen hinter uns hatten und sicher gelandet waren. Sie tat mir leid, weil sie solche Angst gehabt hatte. Da Glaube das Heilmittel gegen Furcht ist, wünschte ich insgeheim, ich hätte ihren Glauben stärken können.

Als die Passagiere später aus dem Flugzeug stiegen, sprach mich ihr Mann an. Er sagte: „Es tut mir leid, dass meine Frau solche Angst hatte. Ich konnte sie nur trösten, indem ich ihr sagte: ‚Elder Nelson sitzt mit im Flugzeug; du brauchst keine Angst zu haben.‘“

Ich wüsste zwar nicht, wie meine Anwesenheit sie hätte trösten sollen, aber es ist eine Tatsache im Leben, dass unser Glaube geprüft und gefordert wird. Manchmal gibt es Prüfungen, bei denen es offenbar um Leben und Tod geht. Für diese verängstigte Frau beschwor das heftig rüttelnde Flugzeug einen jener Momente herauf, in denen die Kraft des Glaubens wirklich auf dem Prüfstand steht.

Wenn wir vom Glauben sprechen – von dem Glauben, der Berge versetzen kann – sprechen wir nicht vom Glauben im Allgemeinen, sondern vom Glauben an den Herrn Jesus Christus. Der Glaube an den Herrn Jesus Christus kann wachsen, wenn wir mehr über ihn erfahren und nach unserer Religion leben. Der Herr hat die Lehre Jesu Christi aufgestellt, um uns zu helfen, mehr Glauben zu haben. Im heutigen Sprachgebrauch jedoch kann das Wort Religion für jeden etwas anderes bedeuten.

Religion im wörtlichen Sinn bedeutet „von Neuem binden“ oder „zurückbinden an Gott“.1 Vielleicht fragen wir uns: Sind wir so fest an Gott gebunden, dass unser Glaube dies auch zeigt? Oder sind wir eigentlich an etwas anderes gebunden? So habe ich etwa an einem Montagmorgen ein Gespräch über eine Sportveranstaltung mitangehört, die am Sonntag zuvor stattgefunden hatte. Bei einigen der begeisterten Fans habe ich mich gefragt, ob ihre „Religion“ sie nicht an nichts weiter als einen auf und ab springenden Ball „festband“.

Wir können uns fragen: Wo ist unser Glaube? Machen wir ihn an einer Mannschaft fest? Machen wir ihn an einer Marke oder einer berühmten Persönlichkeit fest? Selbst die beste Mannschaft kann verlieren. Ruhm kann verblassen. Es gibt nur einen, bei dem Ihr Glaube immer sicher aufgehoben ist, und das ist der Herr Jesus Christus. Und Sie müssen Ihren Glauben zeigen!

Gott hat im ersten seiner Zehn Gebote erklärt: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“2 Er hat auch gesagt: „Blickt in jedem Gedanken auf mich; zweifelt nicht, fürchtet euch nicht.“3 Und doch blicken so viele Menschen nur auf ihren Kontoauszug, um Frieden zu finden, oder auf ihre Mitmenschen, um ihnen nachzueifern.

Oft wird das, woran ein Mediziner, Pädagoge oder Politiker glaubt, auf die Probe gestellt. Zeigt sich seine Religion oder bleibt sie verborgen, wenn er seine Ziele verfolgt? Ist er an Gott oder an Menschen gebunden?

Vor Jahrzehnten stand ich in meinem Medizinstudium vor einer solchen Prüfung, als ein Kollege mich rügte, weil ich mein Berufswissen nicht von meiner religiösen Überzeugung getrennt hatte. Er verlangte von mir, diese beiden Bereiche nicht zusammenzubringen. Wie sollte ich das machen? Wahrheit ist Wahrheit! Man kann sie nicht teilen, und man kann keine Stückchen beiseiteschieben.

Ob wir sie nun dem Labor eines Wissenschaftlers oder einer Offenbarung verdanken – alle Wahrheit geht von Gott aus. Alle Wahrheit ist ein Teil des Evangeliums Jesu Christi.4 Und doch verlangte man von mir, meinen Glauben zu verbergen. Ich ging auf die Forderung meines Kollegen nicht ein. Ich zeigte meinen Glauben!

In allen Berufen kommt es darauf an, dass man mit größter Präzision vorgeht. Wer gebildet ist, legt Wert auf seine Meinungsfreiheit. Eine vollständige Freiheit gibt es jedoch nicht, wenn ein Teil dessen, was jemand weiß, wegen einer Regel, die irgendwer aufgestellt hat, ignoriert wird.

Geistige Wahrheiten dürfen nicht ignoriert werden – vor allem Gottes Gebote nicht. Wer die Gebote Gottes hält, wird gesegnet, und zwar jedes Mal! Wer die Gebote Gottes bricht, verliert Segnungen, und zwar jedes Mal!5

Es gibt viele Schwierigkeiten auf der Welt, weil sie von unvollkommenen Menschen bevölkert ist. Deren Ziele und Wünsche werden stark von ihrem Glauben oder ihrem Mangel daran beeinflusst. So mancher stellt andere Prioritäten über Gott. Von einigen wird die Bedeutung der Religion für die heutige Zeit in Abrede gestellt. Wie zu allen Zeiten gibt es auch heute Menschen, die über die freie Religionsausübung spotten oder sie schlechtmachen. Einige machen die Religion gar für alle möglichen Übel in der Welt verantwortlich. Gewiss – es hat Zeiten gegeben, da im Namen der Religion Gräueltaten verübt wurden. Aber das Leben nach der wahren Religion des Herrn, also das Bestreben, ein wahrer Jünger Jesu Christi zu werden, stellt eine Lebensweise und eine tägliche Verpflichtung dar, durch die man göttliche Führung erhält. Wenn Sie Ihre Religion ausüben, üben Sie Ihren Glauben aus. Sie zeigen Ihren Glauben.

Der Herr wusste, dass seine Kinder lernen müssen, wie sie zu ihm finden können. Er sagte: „Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zur Erhöhung … führt, und wenige sind es, die ihn finden.“6

Die heiligen Schriften zeigen einen der besten Wege auf, wie man den Kurs finden und halten kann. Wer sich mit ihnen auskennt, findet wertvollen Schutz. So haben zum Beispiel im Laufe der Geschichte Infektionen wie das Kindbettfieber viele unschuldige Mütter und Säuglinge das Leben gekostet. Und doch stehen bereits im Alten Testament die richtigen Grundsätze für den Umgang mit infizierten Patienten, und das seit mehr als 3000 Jahren!7 Viele Menschen sind umgekommen, weil bei der Suche nach Erkenntnis das Wort des Herrn nicht beachtet wurde!

Meine lieben Brüder und Schwestern, was versäumen wir im Leben, wenn wir zwar „immer lernen und … doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können“8? Wir können durch die heiligen Schriften große Erkenntnis erlangen und Inspiration empfangen, wenn wir voller Glauben beten.

Wenn wir dies tun, erhalten wir Hilfe bei den täglichen Entscheidungen. Insbesondere wenn Gesetze von Menschen gemacht und durchgesetzt werden, müssen die Gesetze Gottes unser Maßstab sein. Bei kontroversen Themen sollten wir uns zunächst darum bemühen, dass Gott uns leitet.

Wir sollen „alle Schriften auf uns an[wenden], damit wir davon Nutzen [haben] und lernen [können]“9. Gefahren lauern, wenn wir mit Redensarten wie „das gehört in mein Privatleben“ oder gar „das ist meine beste Seite“ für uns eine Unterteilung treffen wollen. Wenn jemand versucht, sein Leben in getrennte Bereiche zu unterteilen, wird sich die eigene Persönlichkeit nie ganz zu ihrer vollen Größe erheben – und nie das werden, was sie wahrhaftig sein könnte.

Die Versuchung, beliebt zu sein, kann dazu führen, dass man die öffentliche Meinung über das Wort Gottes stellt. Bei politischen Vorhaben oder Werbekampagnen werden gern Meinungsumfragen herangezogen, um einen Plan auszuarbeiten. Die Ergebnisse solcher Umfragen sind aufschlussreich. Aber sie können schwerlich der Grund dafür sein, dass man Gottes Gebote missachtet! Auch wenn gesagt wird: „Das macht doch jeder“, ist falsch niemals richtig. Das Böse, Irrtum und Finsternis werden niemals Wahrheit sein, auch wenn sie noch so beliebt sind. In den heiligen Schriften werden wir gewarnt: „Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen.“10

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein ziemlich schlüpfriges Lied beliebt. Darin wurde die Unsittlichkeit gepriesen, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass sich 50 Millionen Menschen nicht irren könnten. Tatsache ist aber, dass sich auch 50 Millionen irren können  – und zwar gewaltig. Unsittlichkeit bleibt in den Augen Gottes, der eines Tages über all unsere Taten und Wünsche richten wird, immer Unsittlichkeit.11

Vergleichen Sie die Furcht und Ungläubigkeit, die heutzutage in der Welt vorherrschen, mit dem Glauben und Mut meiner lieben Tochter Emily, die nun auf der anderen Seite des Schleiers weilt. Als das Leben aus ihrem vom Krebs geschundenen Körper wich, konnte sie kaum mehr sprechen. Aber mit einem Lächeln im Gesicht sagte sie zu mir: „Papa, mach dir keine Sorgen um mich. Ich weiß, dass alles gut ausgehen wird!“ Emily zeigte ihren Glauben – strahlend schön – genau in diesem besonderen Augenblick, als wir es am meisten brauchten.

Diese hübsche junge Mutter von fünf Kindern glaubte vollkommen an ihren Vater im Himmel, an seinen Plan und an das ewige Wohlergehen ihrer Familie. Sie war fest an Gott gebunden. Sie war den Bündnissen vollkommen treu, die sie mit dem Herrn und ihrem Mann geschlossen hatte. Sie liebte ihre Kinder und hatte ihren Frieden gefunden, obwohl sie sich bald von ihnen trennen musste. Sie glaubte an ihre eigene Zukunft und an die ihrer Kinder, weil sie an unseren Vater im Himmel und an seinen Sohn glaubte.

1986 hat Präsident Thomas S. Monson gesagt: „Natürlich werden wir auch mit Furcht, Hohn und Widerstand konfrontiert. Bringen wir doch den Mut auf, der Allgemeinheit zu trotzen und für Grundsätze einzutreten. Mut, nicht Konformität, findet die Zustimmung des Herrn. … Bedenken wir, dass alle Menschen ihre Ängste haben, aber wer seiner Angst mit [Glauben] ins Auge blickt, hat auch Mut.“12

Präsident Monsons Rat ist zeitlos! Deswegen bitte ich Sie, meine lieben Brüder und Schwestern, inständig: Lassen Sie Ihren Glauben Tag für Tag auf dem Weg zu Ihrer ewigen Bestimmung wachsen. Verkünden Sie Ihren Glauben! Zeigen Sie Ihren Glauben!13

Ich bete darum, dass Sie fest an Gott gebunden sind, dass seine ewigen Wahrheiten Ihrem Herzen für immer fest aufgeprägt sind. Und ich bete darum, dass Sie Ihr Leben lang Ihren Glauben zeigen werden! Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Wenn ein Baby geboren wird, ist die Nabelschnur an beiden Seiten fest mit Mutter und Kind verbunden. Eine Verbindung (Ligatur) ist ein Band – ein sicheres Band. Das Wort Religion ist lateinischen Ursprungs. Re bedeutet „von neuem“ oder „zurück zu“, und ligare bedeutet „binden“ oder „anbinden“. In diesem Sinne bedeutet Religion etwas, was „Gläubige an Gott bindet“.

  2. Exodus 20:3. Außerdem hat der Herr gesagt: „Kehrt um! Verlasst eure Götzen, und wendet [euch] ab von all euren abscheulichen Göttern.“ (Ezechiel 14:6.)

  3. Lehre und Bündnisse 6:36

  4. Siehe Spencer W. Kimball, The Teachings of Spencer W. Kimball, Hg. Edward L. Kimball, 1982, Seite 391

  5. Siehe Mosia 2:41; Lehre und Bündnisse 58:30-33; 82:10. Dieser Grundsatz gilt für jeden, denn „Gott [sieht] nicht auf die Person“ (Apostelgeschichte 10:34; siehe auch Moroni 8:12).

  6. Lehre und Bündnisse 132:22

  7. Siehe Levitikus 15:13

  8. 2 Timotheus 3:7

  9. 1 Nephi 19:23

  10. Jesaja 5:20

  11. In den heiligen Schriften steht: „Kommt zum Herrn, dem Heiligen. Denkt daran, dass seine Pfade rechtschaffen sind. Siehe, der Weg für den Menschen ist schmal, aber er liegt geradlinig vor ihm, und der Hüter des Tores ist der Heilige Israels; und er setzt dort keinen Knecht ein; und es gibt keinen anderen Weg als den durch das Tor; denn er kann nicht getäuscht werden, denn der Herr, Gott, ist sein Name.“ (2 Nephi 9:41.)

  12. Thomas S. Monson, „Was zählt, ist Mut“, Der Stern, Januar 1987, Seite 39. Ein andermal gab uns Präsident Monson folgenden inspirierten Rat: „Um ein erfülltes Leben zu führen, müssen wir lernen, Schwierigkeiten mit Mut zu begegnen, Enttäuschung mit Frohsinn und Triumphgefühlen mit Demut. … Wir sind Söhne und Töchter des lebendigen Gottes, in dessen Abbild wir geschaffen worden sind. … Wir können nicht ernsthaft an dieser Überzeugung festhalten, ohne ein tiefes neues Gefühl für Stärke und Kraft zu empfinden: der Stärke, nach den Geboten Gottes zu leben, der Kraft, den Versuchungen des Satans zu widerstehen.“ („Yellow Canaries with Gray on Their Wings“, Ensign, Juli 1973, Seite 43.)

  13. „Verzichtet auf alles, was ungöttlich ist.“ (Moroni 10:32.) Fürchten Sie die Menschen nicht mehr als Gott (siehe Lehre und Bündnisse 3:7; 59:5).