Das Wunder der mittleren Hitze
Muss es jetzt sofort sein oder soll es lieber richtig sein?
Stell dir einen Jungen vor, der allein zu Hause ist und langsam hungrig wird (ich weiß, sehr weit hergeholt, aber stell es dir einfach mal vor). Jetzt stell dir vor, dass dieser Junge sich zum allerersten Mal selbst einen Käsetoast in der Pfanne zubereiten will.1 Stell dir vor, dass seine Eltern ihm nie beigebracht haben, wie man einen Käsetoast in der Pfanne zubereitet, und dass er ihnen auch nie dabei genau zugesehen hat.
Sagen wir aber einmal, dass das mit den Zutaten genau richtig läuft: Er holt Toastbrot und Käse und schmiert etwas Butter an die Außenseite des Toasts (und etwas Mayonnaise an die Innenseite, weil er genial ist). Dann holt er die Pfanne heraus und stellt sie auf den Herd. (Wir stellen uns außerdem vor, dass er nur eine ganz gewöhnliche Pfanne zur Hand hat.)
Nun stell dir vor, dass ihm ein bestimmter Gedanke in den Sinn kommt – ein Gedanke, den schon viele unwissende (oder kurzzeitig wahnsinnige) Menschen hatten: „Wenn ich die Hitze hochdrehe, ist der Toast schneller fertig.“
Stell dir vor, was als Nächstes passiert. (Oder vielleicht musst du es dir gar nicht vorstellen.)
Am Ende hat er entweder leckeren knusprigen, goldbraunen Toast oder leckeren weichen, geschmolzenen Käse – aber nicht beides. Höchstwahrscheinlich aber hat er Toastbrot, das aussieht und sich anfühlt (und wahrscheinlich auch so schmeckt) wie Lavagestein, und halbgeschmolzenen Käse, der einen ebenso wenig vom Hocker reißt wie ungesalzene Suppe.
Wie du siehst, haben seine Unwissenheit (die entschuldbar ist) und seine Ungeduld (die zwar verständlich, aber nicht ganz so entschuldbar ist) in Kombination ein Problem ergeben. Würde er diesen Fehler ein zweites Mal begehen, könnte man diesen noch weniger entschuldigen. Man könnte den Fehler dann nämlich nicht auf seine Unwissenheit schieben, sondern er wäre zu 99 Prozent das Resultat seiner Ungeduld.
Um die Sache richtig zu machen, müsste er das Wunder der mittleren Hitze entdecken.
Geduld zahlt sich aus
Die mittlere Stufe bei einem Herd eignet sich hervorragend dafür, einen Käsetoast und vieles andere zuzubereiten, was in der Mitte durchgegart werden soll, ohne außen zu verschmoren. Der einzige Nachteil ist, dass die Zubereitung mehr Zeit und Aufmerksamkeit erfordert, was wiederum Geduld erfordert.
Der Herr hat gesagt: „Fahrt fort in Geduld, bis ihr vollkommen geworden seid.“ (LuB 67:13.) Er spricht hier über die Art Vollkommenheit, die natürlich weit darüber hinausgeht, wie man den perfekten Käsetoast zubereitet. Der Herr möchte, dass wir mehr wie er werden. Jesus Christus ist das beste Beispiel an Geduld. Seinem Beispiel nachzueifern bedeutet unter anderem, unseren Blickwinkel zu erweitern, über den gegenwärtigen Zustand hinauszublicken und uns den größeren Lohn vor Augen zu führen, den Selbstdisziplin, Glaube, Gehorsam, beständige Bemühungen, Langmut und Liebe mit sich bringen. Also kurz gesagt: Wir müssen uns in Geduld üben.
Naturgemäß funktioniert Geduld nicht ohne Warten, was langweilig klingen mag. Doch Präsident Dieter F. Uchtdorf, Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, hat uns erklärt, dass Geduld weitaus mehr ist, als einfach nur zu warten: „Geduld ist aktives Warten und Ausharren. Geduld bedeutet, dass man an einer Sache dranbleibt und tut, was man kann ‒ arbeiten, hoffen und Glauben ausüben; Schwierigkeiten tapfer ertragen, auch wenn die Erfüllung unserer Herzenswünsche auf sich warten lässt. Geduld heißt nicht einfach ausharren, sondern gut ausharren!“2
Geduld ist mehr, als nur den Käsetoast in die Pfanne zu werfen und ihn dann zu vergessen: Man muss am Herd stehen bleiben und den Toast zur richtigen Zeit wenden.
Geduld ist mehr, als in der Schule, im Seminar oder in der Kirche einfach nur durchzukommen: Man muss aktiv lernen und aktiv Gott verehren.
Geduld ist mehr, als darauf zu warten, dass dir ein Zeugnis vom Buch Mormon einfach so zufliegt, weil du dafür gebetet hast: Man muss kontinuierlich lesen, studieren, nachdenken und beten und sich an die Weisungen im Buch Mormon halten.
Geduld ist mehr, als einfach dazusitzen und zuzusehen, wie deine Freunde sich über deine Religion lustig machen: Man muss für sie beten, sich wirklich wünschen, dass sie sich ändern, und dafür dann alles tun, was möglich ist.
Geduld ist mehr, als nur darauf zu warten, dass du endlich 16 wirst und mit jemandem ausgehen kannst: Man muss lernen, Gehorsam zu schätzen, und erkennen, wie man gesegnet wird, wenn man den Rat der Propheten befolgt.
NICHT SO HITZIG!
Geduld, Mäßigung und Selbstbeherrschung gehören zu den Früchten des Geistes (siehe Galater 5:22,23). Zwar erfordert eine akut drängende Situation manchmal eine umgehende Reaktion (wie auch bestimmte Speisen starke Hitze benötigen), doch solltest du mehr Wert auf größere Geduld und Selbstbeherrschung legen. Wenn du bemerkst, dass du mehr Geduld aufbringst, ist das ein Zeichen dafür, dass der Heilige Geist in deinem Leben wirkt.
Dem Wunder der mittleren Hitze verdankst du perfekt gebratene Käsetoasts, Frikadellen, die nicht aussehen wie ein rabenschwarzer Hockeypuck und in der Mitte noch rosa sind, und saftige, goldbraune Schnitzel, an denen man sich nicht die Zähne ausbeißt. Geduld jedoch führt außerdem zu einem „vollendeten Werk“ (Jakobus 1:4). Sie hilft dir, vorwärtszustreben und Jesus Christus ähnlicher zu werden, schenkt dir den Einfluss des Heiligen Geistes und trägt letzten Endes dazu bei, dich zum ewigen Leben zu führen.
Wenn du feststellst, was dich dazu bringt, ungeduldig zu sein, dann denk an den Käsetoast (oder an ein anderes Gericht, das dir vertrauter ist) und daran, was du vielleicht aufs Spiel setzt, wenn du dich in deinem Verhalten von Ungeduld leiten lässt. Solltest du zu häufig der Ungeduld erliegen – willkommen im Klub! Du kannst umkehren und von Neuem versuchen, Jesus Christus und seinen Lehren nachzufolgen. Bestimmt bereitet sich niemand seine Lieblingsspeise nur ein einziges Mal im Leben zu. Genauso ist es auch nie zu spät, mehr über die Art Vollkommenheit zuerfahren, die wir durch Geduld erreichen können.