Die magische Brieftasche
Die Verfasserin lebt in Nevada.
„Wähl das Rechte und sei glücklich! Ja, ich wähl den rechten Weg.“ (Liederbuch für Kinder, Seite 83)
Du bist dran!“, rief Maja, stupste ihren kleinen Bruder an und schwamm schnell weg. Majas Familie wohnte vorübergehend in einem Motel, bis sie das neue Haus beziehen konnte. Es war toll, sich zum Mittag einfach Ravioli in der Mikrowelle aufzuwärmen. Außerdem konnten sie fast jeden Tag das Schwimmbecken des Motels nutzen.
Allerdings hatte das Motel nicht nur Vorzüge. Das Büro des Geschäftsführers befand sich nämlich direkt unter ihrem Zimmer, und ihm waren Maja und ihre Geschwister viel zu laut. „Wie kann ich Zimmer vermieten, wenn über mir eine Horde Elefanten herumtrampelt?“, fuhr er Majas Vater an.
Nach dem Mittagessen sprang Majas kleiner Bruder Aaron vom Bett und landete mit einem lauten Bums auf dem Boden. Maja zuckte zusammen und blickte zu ihrer Mutter.
„Nicht toben! Ihr sollt doch bitte leise sein“, sagte ihre Mutter.
Doch es war zu spät – das Telefon klingelte bereits.
„O nein“, dachte Maja.
Ihre Mutter nahm den Hörer ab. Maja hörte, wie sie sich bei dem Geschäftsführer entschuldigte.
Die Schultern der Mutter sanken herab, als sie den Hörer wieder auflegte. „Elias und Maja“, sagte sie. „Ich muss Aaron und Emily hinlegen. Geht doch bitte mit Kristin und Daniel ein wenig an die frische Luft.“
Als sie über den Parkplatz des Motels schlenderten, sah Maja etwas Kleines, Braunes auf dem Boden liegen – es war eine Brieftasche. Und es war sogar Geld darin!
„Guck mal, Elias“, sagte sie und hielt die Brieftasche hoch.
„Wir müssen die sofort beim Geschäftsführer abgeben“, meinte ihr Bruder.
Maja wurde ganz mulmig zumute. Wieso mussten sie die Brieftasche sofort abgeben? Konnten das nicht einfach ihre Eltern später machen?
Aber Maja wusste, dass es das Richtige war.
Die Kinder öffneten die Tür zum Büro des Geschäftsführers und traten ängstlich ein. Der Geschäftsführer warf ihnen einen missbilligenden Blick zu. „Wir haben diese Brieftasche auf dem Parkplatz gefunden“, erklärte Maja. Ihre Hand zitterte, als sie sie auf den Tresen legte.
Ein Mann am Tresen schaute zu ihnen herüber. „Das ist ja meine!“, rief er. Schnell warf er einen Blick in die Brieftasche. „Puh, alles noch da. Danke, Kinder!“
Maja sah zum Geschäftsführer. Er sah gar nicht mehr griesgrämig aus, sondern glücklich.
Maja und ihre Geschwister verließen sein Büro, und Daniel fragte: „War das eine magische Brieftasche?“
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Elias.
„Na, weil der alte Brummbär plötzlich so glücklich war.“
Elias schüttelte den Kopf. „Das war keine magische Brieftasche“, erwiderte er. „Er hat sich einfach gefreut, weil wir das Richtige getan haben.“
Maja spürte etwas ganz Besonderes. Sie hatte gar nicht gewusst, dass man jemanden glücklich machen kann, wenn man das Richtige wählt.
Ein paar Tage später wollten Maja und ihr Vater die Rechnung für die Woche begleichen. Der Geschäftsführer lächelte Maja zu. Seitdem sie die Brieftasche gefunden hatten, hatte er nur einmal bei ihnen angerufen, und das auch nur, um sich bei ihnen für ihre Ehrlichkeit zu bedanken. Maja hatte den Eindruck, einen neuen Freund gefunden zu haben.
„Wenn man das Richtige wählt, ist das wirklich wie Magie“, dachte sich Maja. Sie winkte dem Geschäftsführer zum Abschied zu, und er winkte zurück. „Eigentlich ist er gar nicht so brummig.“