2021
Passen Sie auf sich selbst auf, während Sie sich um andere kümmern
April 2021


In Treue altern

Passen Sie auf sich selbst auf, während Sie sich um andere kümmern

Der Verfasser lebt in der Präfektur Yamanashi in Japan.

„Man braucht Kraftstoff im eigenen Tank, um ihn mit anderen teilen zu können.“ – Elder Jeffrey R. Holland

Bild
two Japanese women and a Japanese man

Illustration von Julia Yellow; grafische Muster von Getty Images

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der drei Generationen – meine Großeltern, Eltern, zwei jüngere Brüder und eine Tante – unter einem Dach lebten. Meine Großmutter kümmerte sich um meine Tante, die in intellektueller und seelischer Hinsicht angeschlagen war. Nach dem Tod meiner Großmutter übernahm meine Mutter die volle Verantwortung für meine Tante und pflegte sie bei uns zuhause rund um die Uhr.

Schließlich kam meine Tante in eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Obwohl sie weit weg war, besuchte meine Mutter sie regelmäßig. Als meine Mutter starb, lastete die Unterstützung für meine Tante auf meinen Schultern. Mir wurde klar, mit welcher Hingabe meine Mutter zugange gewesen war. Ich entwickelte auch große Dankbarkeit für das aufmerksame Pflegepersonal, das sich um meine Tante kümmerte.

Wenn Pflegende selbst ermüden

Meine eigene Erfahrung hat mich gelehrt, dass Pflegende vor einer Vielzahl von Schwierigkeiten stehen. Kulturell geprägte Erwartungen, das Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie, das Fehlen passender Einrichtungen – all dies kann sich auf den Pflegenden auswirken. Mit einer bestimmten Herausforderung bekommt es fast jeder Pflegende aber irgendwann zu tun: Er ermüdet. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Pfleger und zu Pflegender beide im vorgerückten Alter sind – etwa wenn jemand seinen Ehepartner umsorgt. Untersuchungen zeigen, dass stressbelastete Pflegende im Alter zwischen 66 und 96 Jahren ein um 63 Prozent höheres Sterberisiko als ihre Altersgenossen aufweisen, die niemanden pflegen müssen.1

Die beiden wichtigsten Gebote

Tatsächlich können wir viel über christliche Fürsorge lernen, wenn wir die beiden wichtigsten Gebote unter die Lupe nehmen.

„[Jesus] antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.

Das ist das wichtigste und erste Gebot.

Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22:37-39.)

Ich glaube, dass uns der Herr in diesen Versen eine Richtschnur an die Hand gibt, die besonders für Pflegende nützlich ist. Als Erstes sollen wir den Herrn lieben. Wir dürfen nicht das Einfache außer Acht lassen, womit wir unsere geistige Batterie wieder aufladen: Beten. In den heiligen Schriften lesen. Inneren Frieden finden. Die Kraft und Stärke der Liebe spüren, die uns der Vater im Himmel entgegenbringt.

Vermutlich sind Sie bereits von Nächstenliebe erfüllt – in diesem Fall für denjenigen, den Sie umsorgen. Aber lieben Sie sich – auf rechtschaffene Weise – auch selbst?

Keine Einbahnstraße

Ich habe sowohl als Therapeut als auch bei mir in der Familie beobachtet, dass Pflegende oft meinen, sie müssten alles alleine stemmen. Doch das müssen sie überhaupt nicht. Ein Pflegender, der keine Hilfe annimmt, steht fast immer irgendwann vor dem Burnout. Er muss zulassen, dass ihn andere unterstützen. Er muss sich mit der Familie, mit Freunden, mit den betreuenden Brüdern und Schwestern und den Führungsverantwortlichen des Zweigs oder der Gemeinde beraten. Wer einem Pflegenden helfen möchte, muss dessen Wunsch respektieren, seinem Angehörigen einen Liebesdienst zu erweisen und für ihn da zu sein.

Hier sind einige Punkte, die als Grundlage für ein Gespräch dienen können:

  • Welche Unterstützung können andere Angehörige geben?

  • Was kann getan werden, damit der Pflegende sich ein paar Minuten oder vielleicht sogar ein, zwei Stunden Pause gönnen kann?

  • Wie oft sind Besuche von Nutzen? Wie sollen diese Besuche aussehen?

  • Wie kann der Pflegende Zeit finden, seine Bündnisse zu erneuern, also in den Tempel und in die Kirche zu gehen und vom Abendmahl zu nehmen?

  • Inwiefern könnte der Pflegende Nutzen daraus ziehen, wenn er sich einfach mal etwas von der Seele reden kann?

  • Besteht Bedarf an Hilfe bei der Essenszubereitung, an Mitfahrgelegenheiten oder an staatlicher Hilfe?

Falls Sie jemanden pflegen, denken Sie an den Rat, den Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel einmal gegeben hat:

„Für diejenigen von Ihnen, die ernsthaft bemüht sind, des anderen Last zu tragen, ist es angesichts dessen, dass andere so viel von Ihnen erwarten und Sie wirklich sehr beanspruchen, wichtig, dass Sie neue Kräfte sammeln und sich regenerieren. Niemand ist so stark, dass er nicht auch einmal erschöpft oder frustriert ist oder feststellt, dass er sich um sich selbst kümmern muss. …

Auch wer andere Menschen pflegt und sich um sie kümmert, hat Pflege und Fürsorge nötig. Man braucht Kraftstoff im eigenen Tank, um ihn mit anderen teilen zu können.“2

Anmerkungen

  1. Richard Schulz und Scott R. Beach, „Caregiving as a Risk Factor for Mortality: The Caregiver Health Effects Study“, Journal of the American Medical Association, 282. Jahrgang, Nr. 23, 15. Dezember 1999, Seite 2215–2219

  2. Jeffrey R. Holland, „Einer trage des anderen Last“, Liahona, Juni 2018, Seite 29f.

Drucken