Die Errettung kleiner Kinder, die sterben: Was wir wissen und was nicht
Was wir aus neuzeitlicher Offenbarung zu diesem Thema wissen, gehört mit zum Tröstlichsten, was das Evangelium zu bieten hat
Ein Freund, der in Brasilien auf Mission gewesen war, erzählte mir einmal von einem Erlebnis dort. Er und sein Mitarbeiter trafen auf eine Frau, die sich jedweder religiösen Botschaft energisch widersetzte. Ein Geistlicher hatte ihr einmal gesagt, ihr kleiner Sohn, der gestorben war, könne niemals errettet werden, da er nicht getauft worden sei. Der Gedanke daran brach ihr fast das Herz. Sie sagte den Missionaren, wenn sie zu dem Thema nichts Besseres zu bieten hätten, wolle sie mit ihrer Religion nichts zu tun haben.
Zum Glück hatten sie etwas Besseres zu bieten!
Was die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zu der Frage lehrt, ob verstorbene kleine Kinder errettet werden, wird in einer einzigen Schriftstelle auf den Punkt gebracht: „Alle Kinder, die sterben, ehe sie die Jahre der Verantwortlichkeit erreicht haben, [sind] im celestialen Reich des Himmels errettet.“ (Lehre und Bündnisse 137:10.)
Das ist eigentlich unmissverständlich. Dennoch haben viele noch immer Fragen hierzu oder verstehen diese Aussage falsch. Lassen Sie mich ein paar der häufigsten Fragen klären.
Wie kommt es, dass kleine Kinder errettet sind?
Viele nehmen an, kleine Kinder seien schon allein deswegen errettet, weil sie unschuldig sind. Kleine Kinder sind ohne jeden Zweifel unschuldig. Im Buch Mormon heißt es jedoch ganz klar, dass ohne das Sühnopfer Jesu Christi selbst „kleine Kinder … nicht errettet werden [könnten]“, weil „sie in Adam oder durch Natur fallen“ (Mosia 3:16).
Obwohl keiner Sünde schuldig, wären kleine Kinder also dennoch dem körperlichen und geistigen Tod ausgesetzt, die der Fall über sie gebracht hat. Ohne die Auferstehung und das Sühnopfer Jesu Christi wären sie daher ebenso wie wir alle auf ewig verloren (siehe 2 Nephi 9:6-10).
Glücklicherweise stellt das Buch Mormon klar, dass „das Blut Christi für [kleine Kinder sühnt]“ (Mosia 3:16) und „der Fluch auf Adam von ihnen genommen“ ist (Moroni 8:8). Dank des Sühnopfers des Erretters sind kleine Kinder von den Auswirkungen des Falls Adams und Evas frei, „denn [Kinder] sind … heil“ (Mose 6:54).
Bis zu welchem Alter sind Kinder errettet?
Lehre und Bündnisse 137:10 entnehmen wir, „dass alle Kinder … im celestialen Reich des Himmels errettet sind“. Einzige Bedingung hierfür ist, dass sie „sterben, ehe sie die Jahre der Verantwortlichkeit erreicht haben“. Elder Bruce R. McConkie (1915–1985) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt: „Ein Kind ist nicht ab einem bestimmten Augenblick plötzlich für sein Handeln voll und ganz verantwortlich. Diese Entwicklung vollzieht sich allmählich und nimmt einige Jahre in Anspruch. Dass man zurechnungsfähig wird, ist also ein Vorgang. … Es kommt jedoch die Zeit, da der Mensch, wenn er sich normal entwickelt hat, die Verantwortung für sein Tun tragen muss und ihm seine Sünden zugerechnet werden. Dies ist im Alter von acht Jahren der Fall, also in dem Alter, da ein Kind getauft werden soll.“1
Mit anderen Worten, die Eigenverantwortung entwickelt sich in den Kindern die ganze Zeit über, aber mit acht Jahren ist sie dann genügend herangereift, sodass ein Kind für seine Sünden Verantwortung tragen und daher getauft werden kann.
Wie alle Eltern wissen, heißt das allerdings nicht, dass Kinder nicht imstande wären, wissentlich etwas Falsches zu tun. Es bedeutet aber sehr wohl, dass sie für diese falschen Entscheidungen noch nicht voll verantwortlich sind.
Kinder genießen also eine Art „Schonfrist“, in der sie in die Verantwortung für ihr Tun hineinwachsen können, ohne für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sollten sie in dieser Zeit sterben, werden sie durch die Gnade Christi errettet, ohne dass sie getauft werden oder irgendetwas leisten müssten (siehe Moroni 8).
Was geschieht bei der Auferstehung mit einem kleinen Kind?
Viele der Kinder von Präsident Joseph F. Smith (1838–1918) sind früh gestorben. Ihn tröstete die Lehre, dass kleine Kinder bei der Auferstehung ebenfalls kleine Kinder sein werden und von ihren rechtschaffenen Eltern nach der Auferstehung zu mündigen Erwachsenen großgezogen werden. Präsident Smith berichtete einmal: „Joseph Smith hat gelehrt, ein kleines Kind, das stirbt, werde auch als Kind auferstehen. Er sagte, an die Mutter eines verstorbenen Kindes gewandt: ‚Du wirst die Freude und Befriedigung haben, dieses Kind nach seiner Auferstehung großzuziehen, bis es sich zur vollen Größe seines Geistes entwickelt hat.‘ Nach der Auferstehung von den Toten wird es Wachstum, Wiederherstellung und Entwicklung geben. Ich liebe diese Wahrheit. In ihr drückt sich eine Fülle von Glück, Freude und Dankbarkeit für meine Seele aus. Dank sei dem Herrn, dass er uns diese Grundsätze offenbart hat.“2
Kleine Kinder erreichen nicht nur volle Reife, sondern auch umfassende Erhöhung. Abinadi betonte: „Kleine Kinder haben auch ewiges Leben.“ (Mosia 15:25.) Der Prophet Joseph Smith hat erklärt: „Ihr werdet eure Kinder dort haben, denn sie haben ewiges Leben, da ihre Schuld bezahlt ist.“3
Um den höchsten Grad des celestialen Reichs zu erlangen, müssen alle, die zurechnungsfähig sind, in den neuen und immerwährenden Bund der Ehe eintreten (siehe Lehre und Bündnisse 131:1-3). Kleine Kinder, die sterben, werden die Möglichkeit dazu später haben. Präsident Joseph Fielding Smith (1876–1972) hat erklärt: „Der Herr räumt solchen Kindern das Vorrecht aller Segnungen der Siegelung ein, die zur Erhöhung gehören. … Wenn sie nach der Auferstehung die volle Reife des Geistes erreichen, sind sie zu allen Segnungen berechtigt, zu denen sie berechtigt gewesen wären, hätten sie den Vorzug gehabt, hier zu verweilen und sie hier zu empfangen.“4
Warum sterben kleine Kinder?
Eine schwierige Frage – besonders für jemanden, der ein Kind verloren hat. Ein Zitat von Nephi eignet sich hier vielleicht am besten als Einstieg. Er hat bezeugt: „Ich weiß, dass [Gott] seine Kinder liebt; aber die Bedeutung von allem weiß ich nicht.“ (1 Nephi 11:17.)
Wir kennen nicht immer den Grund dafür, weshalb im Leben Tragisches geschieht, doch wir können davon ausgehen, dass Gott uns liebt. Wir sollten nicht annehmen, dass eine Tragödie Gottes Willen entspricht. Doch sein Plan zeigt den Weg auf, wie sich alles Tragische im Leben bewältigen lässt.5 „Alles Leid der Erde im Himmel wird heil.“6
Der Prophet Joseph Smith und seine Frau Emma hatten allen Grund zur Frage, warum kleine Kinder sterben – sie verloren sechs ihrer Kinder. Der Prophet sagte: „Ich [habe] darüber nachgedacht und mich gefragt, wieso uns kleine, unschuldige Kinder genommen werden, besonders wenn sie anscheinend so intelligent sind und unsere Anteilnahme herausfordern. Der plausibelste Grund dafür, soweit ich das erkennen kann, ist Folgendes: Die heutige Welt ist eine sehr schlechte Welt. … Der Herr nimmt viele schon in ihrer Kindheit weg, um sie der Missgunst der Menschen und dem Kummer und den Übeln der heutigen Welt zu entziehen: Sie waren zu rein, zu liebenswert, um auf der Erde zu leben. Darum, wenn man es richtig betrachtet, haben wir keinen Grund zur Trauer, sondern vielmehr, uns zu freuen, dass sie von dem Übel erlöst sind, und wir werden sie bald wiederhaben.“7
Ein weiterer Diener des Herrn, Elder McConkie, musste den Tod seiner neugeborenen Enkelin hinnehmen. Bei ihrer Beerdigung sagte er: „Bestimmte Geister kommen nur zur Welt, um einen Körper zu erhalten. Aus Gründen, die der ewige Vater in seiner unendlichen Weisheit kennt, die uns jedoch verborgen bleiben, bedürfen sie keiner irdischen Prüfungs- und Bewährungszeit.“8
Keinem werden Segnungen vorenthalten
Nichts in diesem Leben kann die Verlustgefühle vergessen machen, die eine Familie durchlebt, wenn sie den Tod eines Kindes betrauert. Doch wir können Trost in der Lehre finden, dass kleine Kinder, die sterben, in die Erhöhung eingehen. Dies wissen wir, weil es uns unser liebevoller Vater im Himmel offenbart hat und seine neuzeitlichen Propheten und Aposteln es uns verkünden.
Was wir aus neuzeitlicher Offenbarung zu diesem Thema wissen, gehört mit zum Wohltuendsten und Tröstlichsten, was das Evangelium zu bieten hat.