„Wo wir sein mussten“, Liahona, August 2023
Stimmen von Heiligen der Letzten Tage
Wo wir sein mussten
Ich bin dankbar, dass Gott uns nicht daran hinderte, uns zu verlaufen. So konnten wir den einen finden, der Führung brauchte.
Es schien, als wolle am vergleichsweise feuchten Küstenstreifen der Stadt Ilo in Peru jeder eine Sommerwohnung haben. Zumindest herrschte für meinen Mitarbeiter und mich kein Mangel an Türen, an die wir klopfen konnten. Meistens gingen wir in identisch gebauten, dreigeschossigen und in Reihen angeordneten Blocks mit je zwölf Wohnungen von Tür zu Tür. Da konnte man sich leicht verlaufen.
Eines Abends wollten wir eine Frau besuchen, die wir zuvor getroffen hatten. Stockwerk und Wohnungsnummer stimmten zwar, aber versehentlich gingen wir in die gegenüberliegende Wohnanlage. Wir klopften und ein junger Mann öffnete. Da war uns klar, dass dies die falsche Haustür war.
Doch noch bevor wir ein Wort der Erklärung herausbringen konnten, sagte der junge Mann: „Ach, die Missionare! Schön, Sie zu sehen. Meine Oma ist kurz einkaufen gegangen, ist aber gleich wieder da. Kommen Sie doch herein!“
Wir sahen uns verwirrt an, traten ein und setzten uns aufs Sofa. Als kurz darauf die Großmutter eintraf, freute sie sich sehr über den Besuch.
Wir hatten immer noch keine Ahnung, woher sie denn die Missionare kannte. Sie erklärte, sie sei zwei Jahre zuvor von Missionaren unterwiesen worden. Damals habe sie aber immer weniger Zeit gehabt, und so hätten die Besuche irgendwann aufgehört.
Als wir an dem Abend vorbeikamen, habe sie sich nutzlos gefühlt. Die ganze Woche sei schon schwierig für sie gewesen. Sie sei überarbeitet und müde gewesen und habe das Gefühl gehabt, nichts von dem, was sie tat, hätte irgendeine Bedeutung. Dann seien wir plötzlich aufgetaucht, hätten ihr den Tag versüßt und ihr eine zweite Chance eröffnet, das Evangelium Jesu Christi kennenzulernen, das dem Leben Sinn verleiht. Unser unerwarteter Besuch sei ein Zeichen Gottes für sie gewesen, dass sie ihm wichtig war.
Wir waren zur falschen Wohnung gegangen, befanden uns aber dennoch genau dort, wo wir sein mussten. Weil wir uns verlaufen hatten, fanden wir eine Tochter Gottes wieder. Dadurch, dass wir unseren Weg nicht finden konnten, führte Gott uns zu ihr.
Nachdem wir gegangen waren, gingen wir noch bei der Frau vorbei, die wir ursprünglich besuchen wollten. Ihr war nicht einmal aufgefallen, dass wir zu spät waren. Ich frage mich, was wohl geschehen wäre, wenn wir gleich die „richtige“ Haustür gefunden hätten.
Wäre alles nach Plan verlaufen, hätten wir die Gelegenheit verpasst, jemanden an der Liebe des Erretters teilhaben zu lassen, der dieser Liebe dringend bedurfte. Doch Gott hat sich unsere Unvollkommenheit zunutze gemacht, um uns zu zeigen, wohin wir unsere Schritte lenken sollten. Ich bin dankbar, dass Gott uns nicht daran hinderte, uns zu verlaufen. So konnten wir den einen finden, der Führung brauchte.