3. Kursstunde
Liebevolle Kommunikation
Worte und Verhaltensweisen können verletzen oder unterstützen, Kummer und Leid zufügen oder Schmerzen lindern, Zweifel und Angst einflössen oder aber Glauben und Mut.
Ziele der Lektion
In dieser Kursstunde soll erreicht werden, dass die Eltern
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verstehen, wie wertvoll gute Kommunikationsfähigkeiten sind und wie sich schlechte Kommunikation auswirkt
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destruktive Kommunikationsformen im Umgang mit ihren Kindern erkennen und ablegen
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Kommunikationstechniken kennenlernen und einüben, die die familiären Beziehungen festigen
Gute Kommunikation ist sehr wichtig
Kommunikation umfasst alle Gedanken, Gefühle und Wünsche, die Eltern und Kinder einander verbal und nonverbal mitteilen, sowie jedes Verhalten. Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren. Präsident Spencer W. Kimball hat festgestellt: „Unsere Ausdrucksweise, unser Tonfall, unsere Bewegungen und unsere Gedanken verraten uns.“1 Was wir tun und sagen, zeigt, wer wir sind, wie wir etwas empfinden und was aus uns geworden ist. Selbst, wenn man sich weigert zu sprechen, vermittelt das anderen etwas, auch wenn es richtig oder falsch verstanden werden mag.
Schlechte Kommunikation ist sowohl ein Symptom für familiäre Probleme als auch eine Ursache dafür. Eltern und Kinder, die wütend und frustriert sind, kommunizieren häufig auf destruktive Weise miteinander. Sie haben wenig Interesse daran zuzuhören und neigen eher dazu, abfällige und verletzende Bemerkungen zu machen. Dazu kommt oft, dass Eltern und Kinder auf solche abfälligen, verletzenden Bemerkungen wiederum völlig unpassend reagieren. Manchmal ist es zunächst nötig, die Einstellung zum Leben, zu sich selbst und zu anderen zu ändern, um gute Kommunikation überhaupt zu ermöglichen.
Eltern können den Kreislauf destruktiver Kommunikation durchbrechen, indem sie anders zuhören und reagieren. So schaffen sie eine heilsame Atmosphäre, die bei ihren Kindern einen Herzenswandel herbeiführen kann.
Schädliche Vorgehensweisen
Verbreitete Vorgehensweisen, durch die Kinder sich zurückgestoßen fühlen, sind unter anderem:
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schulmeistern, Standpauken oder Moralpredigten halten, verhören
„Das hab ich dir schon tausendmal gesagt! Geht das nicht in deinen Dickschädel, dass …?“
„Du solltest dich schämen. Jetzt sieh dir doch mal an, was du angerichtet hast!“
„Warum in aller Welt hast du das nur getan?“
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abwiegeln, beschwichtigen, leere Versprechungen machen
„Beruhige dich! Es gibt doch überhaupt keinen Grund, sich aufzuregen.“
„Schon gut, ich mach ja alles, was du willst.“
„Alles wird gut! Andere Leute haben schon viel Schlimmeres durchgemacht.“
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richten, verurteilen, bedrohen
„Das Schlimme an dir ist …“
„Aus dir wird nie etwas werden!“
„Versuch das noch einmal, und du kannst eine Woche lang nicht mehr sitzen!“
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Vorwürfe machen, kritisieren, lächerlich machen
„Das ist alles deine Schuld!“
„Du bist so was von lästig!“
„Ich kann es nicht ausstehen, wenn du so jammerst.“
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eigene Gefühle schildern, wenn das Kind gerade seine Gefühle loswerden muss
„Ich weiß genau, wie es dir geht. Als ich in deinem Alter war …“
Kommunikation, wie Christus sie vorgelebt hat
Eltern, die so mit anderen kommunizieren, wie Christus es vorgelebt hat, fällt es leichter, ihre „heilige Pflicht [zu erfüllen], ihre Kinder in Liebe und Rechtschaffenheit zu erziehen“ und „sie zu lehren, dass sie einander lieben und einander dienen, die Gebote Gottes befolgen und gesetzestreue Bürger sein sollen“.2
Man kann Kindern gute Wertvorstellungen und Ansichten nur dann vermitteln, wenn man ihnen etwas auf achtsame, feinfühlige Weise mitteilt und genauso zuhört. Ob und wie weit Kinder bereit sind, zuzuhören und zu reden, hängt oft davon ab, in welcher Atmosphäre die Eltern zu Hause mit ihnen und miteinander kommunizieren.
Als Heiland und Erlöser ist Jesus Christus unser Vorbild: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Johannes 14:6.) Als der einzige vollkommene Mensch, der je auf der Erde gelebt hat, wurde er zum größten Beispiel dafür, wie Menschen sein sollen und wie sie miteinander kommunizieren sollen.
In den heiligen Schriften erfahren wir, wie Jesus war:
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zurückhaltend mit einem Urteil; wie gegenüber der Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war (siehe Johannes 8:3-11)
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vergebungsbereit; etwa, als er den Vater bat, denen zu vergeben, die ihn gekreuzigt hatten (siehe Lukas 23:33,34)
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mitfühlend; etwa, als er mit Maria und Marta Lazarus‘ Tod beweinte (siehe Johannes 11:33-36)
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um seine Angehörigen besorgt; etwa, als er am Kreuz für seine Mutter Vorkehrungen traf (siehe Johannes 19:25-27)
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willens, Böses mit Gutem zu vergelten; etwa, als er das Ohr eines der Männer heilte, die ihn gefangen nahmen (siehe Lukas 22:50,51)
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ging liebevoll mit Kindern um; wie es zum Ausdruck kam, als er sie segnete (siehe Matthäus 19:14,15; 3 Nephi 17:21-24)
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anerkennend; wie etwa, als er die Frau lobte, die ihn mit Öl gesalbt hatte (siehe Lukas 7:44-48)
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bestrebt zu dienen; wie etwa, als er seinen Jüngern die Füße wusch und sie dadurch lehrte, anderen zu dienen (siehe Johannes 13:4-17)
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opferbereit; wie er es bewies, indem er für die Sünden der Welt sühnte (siehe Matthäus 26:35-45)
Wenn Menschen sich Eigenschaften aneignen, wie Christus sie hat, kommunizieren sie ganz von selbst auf positive Weise miteinander. Solche Eigenschaften sind Glaube, Hoffnung, Nächstenliebe, Liebe, das Auge nur auf die Herrlichkeit Gottes gerichtet zu haben, Tugend, Erkenntnis, Mäßigung, Geduld, brüderliches Wohlwollen, Gottesfurcht, Demut und Eifer (siehe LuB 4:5,6). Präsident David O. McKay sagte einmal: „Wer aufrichtig beschließt, die Lehren Jesu von Nazaret tagaus, tagein zu beherzigen, spürt eine innere Wandlung. Der Ausdruck ‚von neuem geboren‘ hat eine tiefere Bedeutung, als viele Menschen ihm beimessen.“3 Wenn Eltern die Lehren Christi befolgen, lassen sie wirkungslose und schädliche Kommunikationsweisen hinter sich. Indem sie sich göttliche Eigenschaften aneignen, kommen sie mit ihren eigenen Gefühlen besser zurecht und können positiver auf das Verhalten anderer reagieren. Sie sind besser in der Lage, richtig zu reagieren, wenn Kinder respektlos oder widerspenstig sind.
Wie man die Kommunikation verbessert
Schwierigkeiten in der Kommunikation entwickeln sich allmählich. Festzustellen, wann sie erstmals auftraten und von wem sie ausgingen, ist häufig schwierig; und meist schadet es auch eher, wenn man jemandem die Schuld daran gibt. Anstatt jemanden dafür verantwortlich zu machen, sollen die Eltern sich darauf konzentrieren, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.
Die Kommunikationsregeln und -fertigkeiten, die in dieser Kursstunde vermittelt werden, eignen sich besonders für Situationen, wenn die Kinder aufgebracht sind und es ihnen guttäte, mit jemandem zu reden. Der Psychologe John Gottman wies darauf hin, dass es das gesamte Leben von Kindern verändern kann, wenn Eltern in schwierigen Zeiten konstruktiv mit ihnen umgehen, da die Kinder dadurch lernen, ihre Emotionen besser zu regulieren und in zwischenmenschlichen Beziehungen zurechtzukommen. 4 Eltern können wirksame Kommunikationsregeln und -fertigkeiten lernen und erfolgreich anwenden. Wenn sie dabei den aufrichtigen Wunsch haben, zuzuhören und zu verstehen, führt das in der Regel dazu, dass sie sich wirksamer und häufiger mit ihren Kindern austauschen. Folgende Regeln tragen dazu bei, dass Eltern miteinander und mit ihren Kindern besser kommunizieren können.
Vergelten Sie Böses mit Gutem
Man kann destruktive Kommunikationsmuster durchbrechen, indem man gemäß dem Beispiel Jesu Böses mit Gutem vergilt. Eltern sollen mit ruhiger Stimme sprechen, wenn ihre Kinder sie anschreien, und respektvoll, wenn diese respektlos sind. Sie sollen vernünftig sein, wenn ihre Kinder sich unvernünftig verhalten, und auf liebevolle Weise für Konsequenzen sorgen, wenn die Kinder gegen Familienregeln verstoßen (siehe 9. Kursstunde).
Wenn Eltern wie Christus handeln, heißt das nicht, dass sie unsinnigen Forderungen nachgeben. Im Gegenteil, sie gehen Probleme dann an, anstatt sie zu umgehen. Wenn Eltern geduldig und liebevoll sind, reagieren die meisten Kinder mit der Zeit positiv darauf. Manchmal verhält ein Kind sich erst dann anders, wenn es sich sicher ist, dass sich die Eltern aufrichtig eine bessere Beziehung zu ihm wünschen. Daher müssen die Eltern sich ausdauernd darum bemühen, konstruktiv zu kommunizieren, egal, wie ihre Kinder sich verhalten.
Achten Sie auf das gute Verhalten
Eltern müssen ihren Kindern Aufmerksamkeit schenken, besonders dann, wenn sie sich richtig verhalten. Aufmerksamkeit ist ein äußerst wirkungsvoller Verstärker. Wenn Eltern ihren Kindern in ruhigen Zeiten zuhören und mit ihnen reden, fördern sie dadurch konstruktives Verhalten. Kinder neigen dazu, Verhaltensweisen, die die Aufmerksamkeit ihrer Eltern erregen, zu wiederholen. Eltern sollen daher Verhalten, das nicht in Ordnung ist, aber niemandem schadet, ignorieren. Verhält das Kind sich allerdings beleidigend, ungehörig oder anderweitig destruktiv, sollen sie eine Konsequenz folgen lassen, die verhindert, dass es unangemessene Aufmerksamkeit erhält (siehe 9. Kursstunde).
Hören Sie Ihren Kindern zu
Wenn Kinder sich geachtet und respektiert fühlen, verhalten sie sich normalerweise konstruktiv. Eltern können dafür sorgen, dass ihre Kinder sich geachtet und respektiert fühlen, indem sie ihnen zuhören und ihre Gefühle gelten lassen. Manchmal haben Kinder Gefühle, die ihren Eltern missfallen. Wenn die Kinder darüber sprechen dürfen, wandeln sich solche Gefühle allerdings häufig.
Ist ein Kind zum Beispiel wütend auf seinen Vater oder seine Mutter und darf darüber sprechen, ohne verurteilt zu werden, wird aus der Wut oft schon bald wieder Zuneigung. Wenn man einem Kind zuhört, dessen Gefühlswelt durcheinandergeraten ist, leistet man ihm gewissermaßen emotionale Erste Hilfe. Es ist für Kinder frustrierend und verwirrend, wenn etwas, was sie empfinden, heruntergespielt oder bestritten wird; das kann sogar dazu führen, dass sie allmählich ihren eigenen Gefühlen misstrauen. Ganz besonders kleinere Kinder sind auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen, um wahrnehmen zu lernen, was sie empfinden.
Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat hierzu geraten: „Die Zeit zum Zuhören ist dann da, wenn jemand einen Zuhörer braucht. Ein Kind erzählt von Natur aus bereitwillig von seinen Erlebnissen – von Triumph und Freude und von Prüfungen und Kummer. Hören wir genauso bereitwillig zu? Wenn unser Kind von seinen Nöten erzählt, können wir uns dann ein schockierendes Erlebnis mit offenem Herzen anhören, ohne selbst schockiert zu sein? Können wir zuhören, ohne zu unterbrechen und ohne übereilte Beurteilungen abzugeben, die jedes offene Gespräch unmöglich machen? Ein solches Gespräch ist nur möglich, wenn wir die tröstliche Gewissheit vermitteln, dass wir an unser Kind glauben und seine Gefühle verstehen.“5
Wenn Eltern Folgendes beachten, können sie bessere Zuhörer werden:
Zeigen Sie Interesse und Bereitschaft zuzuhören. Wenn Eltern zwar sagen, dass sie sich dafür interessieren, was das Kind erzählt, sich aber desinteressiert oder ungeduldig verhalten, wird das Kind der Körpersprache Glauben schenken. Die Eltern sollen alles andere, womit sie gerade beschäftigt sind, beiseitelegen und sich ausschließlich auf das Kind konzentrieren. Anstatt zu stehen und auf ihr Kind herunterzuschauen und dadurch mächtig und überlegen zu wirken, sollen sie möglichst auf gleicher Augenhöhe kommunizieren. Sie sollten auch auf ihre Körpersprache achten. Taten sprechen eine deutlichere Sprache als Worte.
Stellen Sie Fragen, die das Kind zum Sprechen bringen. Beispielsweise könnte man sagen: „Du machst den Eindruck, als ob dir etwas zu schaffen macht. Magst du es mir erzählen?“ oder „Wie siehst du das denn?“ oder „Erzähl ruhig mehr darüber.“ Die Fragen sollen so gestellt werden, dass das Kind sich unterstützt fühlt und nicht den Eindruck hat, man will es bedrängen oder aushorchen.
Finden Sie heraus, was das Kind empfindet, und benennen Sie seine Gefühle. Es ist für ein Kind tröstlich, wenn seine Eltern seine Gefühle deuten und beim Namen nennen können. Das zeigt ihm, dass jemand anders es versteht. Der Vater oder die Mutter könnte beispielsweise sagen: „Es hat dir sicher wehgetan, als Jonas dich nicht zu seiner Party eingeladen hat.“ Manche Kinder wachsen auf, ohne jemals Begriffe zu hören, die ihren unangenehmen Gefühlen einen Namen geben. (In der 4. Kursstunde finden Sie Näheres dazu, wie man Gefühle erkennen und benennen kann.)
Hören Sie aktiv zu, indem Sie mit eigenen Worten wiedergeben, was das Kind sagt. Wenn ein Kind ein Problem hat und reden möchte, hören manche Eltern sich nur die ersten paar Worte an und gehen davon aus, sie hätten erfasst, worum es geht. Dann unterbrechen sie das Kind und geben ihm Ratschläge. Wenn Eltern nicht zuhören, bis das Kind ausgeredet hat, ist das frustrierend für das Kind.
Eltern müssen deshalb aufmerksam zuhören, ohne ins Wort zu fallen. In einer Gesprächspause können sie dann wiedergeben, wie sie die Worte und Gefühle des Kindes verstanden haben und sich dabei korrigieren lassen, falls sie etwas missverstanden haben. Sie sollen sich respektvoll und einfühlsam verhalten und keinesfalls die Worte des Kindes verdrehen oder ausschmücken.
Das Verstandene mit eigenen Worten wiederzugeben nennt man reflektierendes oder aktives Zuhören. Auf diese Weise können Eltern ihrem Kind sehr gut zeigen, dass ihnen wichtig ist, was es denkt und fühlt, und dass sie es auch verstehen. Es folgen zwei Beispiele dafür:
Ein Kind kommt ins Zimmer, schleudert ein Buch auf den Tisch und starrt den Vater oder die Mutter wütend an.
Vater/Mutter: „Du scheinst wütend auf mich zu sein. Ich muss wohl etwas getan haben, was dir nicht gefällt.“
Ein Jugendlicher kommt aus der Schule und ist ganz niedergeschlagen.
Jugendlicher: „Ich hab Chemie heute total verhauen. Die Prüfung war einfach furchtbar.“
Vater/Mutter: „Und jetzt hast du wahrscheinlich Angst, dass du durchgefallen bist.“
Reagieren Sie nicht abwehrend, wenn Ihr Kind wütend ist. Eltern fällt es besonders schwer, einem Kind zuzuhören, das gerade wütend auf sie ist. Die meisten Eltern wünschen sich Anerkennung von ihren Kindern und fühlen sich bedroht, angegriffen und abgelehnt, wenn sie kritisiert werden.
Anstatt sich zu verteidigen, sollen sie sich zurückhalten und zuhören, um zu verstehen, worum es dem Kind geht. Außerdem sollen sie zugeben, inwiefern das zutrifft, was das Kind ihnen vorhält. Selbst wenn Vorwürfe stark übertrieben sind, enthalten sie in der Regel doch ein Körnchen Wahrheit. (Der Vater oder die Mutter könnte zum Beispiel sagen: „Du bist sicher wütend auf mich, weil ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte wohl nicht … sollen.“) Wenn die Eltern darauf aus sind, sich zu verteidigen, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie am Ende mit dem Kind in Streit geraten. Selbst wenn sie sich dabei durchsetzen, kann die Beziehung dadurch Schaden nehmen; außerdem ist eine Gelegenheit, dem Kind zu helfen, vertan. Kinder können Wut und Ärger in der Regel verarbeiten, wenn die Eltern es ihnen ermöglichen, darüber zu sprechen, und ihnen zuhören.
Hilfreich kann hier sein, was Elder H. Burke Peterson von den Siebzigern gesagt hat: „Denken Sie daran: Sie können zuhören und verstehen, aber das heißt nicht, dass Sie auch zustimmen müssen.“6
Äußern Sie Ihre Gefühle auf die richtige Weise, wenn Sie aufgebracht sind
Die größten Fehler unterlaufen Eltern oft dann, wenn sie wütend sind. Was man im Zorn sagt, kann so sehr verletzen, dass die Wunden nur langsam heilen. Oft fallen dann Sätze, die das Wort „du“ enthalten, sogenannte Du-Aussagen. Ein Beispiel: „Du kannst aber auch gar nichts richtig machen!“ Solche Aussagen sind meist abwertend und verurteilend und provozieren beim Kind eine Abwehrhaltung.
Sinnvoller ist es, wenn Eltern dem Kind vermitteln, was sein Verhalten bei ihnen auslöst: „Es enttäuscht mich, wenn zugeteilte Aufgaben nicht erledigt werden.“ In dieser Formulierung, einer sogenannten Ich-Aussage, geht es vor allem um die Sache, ohne dass das Kind erniedrigt wird. Ich-Aussagen regen das Kind dazu an, konstruktiver zu reagieren. Kinder, mit denen man respektvoll umgeht, wollen sich oft auch respektvoll verhalten.
Ich-Aussagen sind zutreffender als Du-Aussagen, denn darin erklären die Eltern ganz einfach, was sie empfinden, wenn das Kind sich so und so verhält. („Ich bin verärgert, wenn …“) Wenn der Vater oder die Mutter sagt: „Ich bin verärgert und enttäuscht, wenn jemand ohne Erlaubnis einfach das Auto nimmt“, kann der Sohn oder die Tochter kaum darüber debattieren. Bekommt der Sohn oder die Tochter dagegen zu hören: „Du bist unehrlich und hintergehst mich“ (Du-Aussage), wird er/sie die Wertung der Eltern vermutlich als ungerecht und übertrieben empfinden und streitlustig darauf reagieren. Schlimmstenfalls kann ein Kind sogar glauben, dass die Eltern es zu Recht so abgestempelt haben und sich entsprechend verhalten.
Ich-Aussagen regen das Kind dazu an, konstruktiver zu reagieren. Wenn die Mutter oder der Vater dem Kind seine Gefühle zum Ausdruck bringt und etwa sagt: „Ich bin sehr traurig, dass meine Lieblingsvase in Scherben liegt!“, wird das Kind eher Reue empfinden und die Sache wiedergutmachen wollen, als wenn es zu hören bekommt: „Du Tolpatsch! Jetzt sieh dir doch mal an, was du da angerichtet hast!“ Kinder, mit denen man respektvoll umgeht, wollen sich meist diesen Respekt auch bewahren. Kinder, die schlecht behandelt werden, sind oft voller Groll und fühlen sich wertlos; dazu beizutragen, dass die Mutter oder der Vater sich besser fühlt, interessiert sie wenig.
Sagen Sie dem Kind klar und deutlich, was Sie von ihm erwarten
Nicht selten stellen Eltern erstaunt fest, dass ihre Kinder nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Sie sollen daher zusätzlich zur Ich-Aussage noch klar und deutlich sagen, was sie erwarten. Zum Beispiel: „Ich fühle mich ausgenutzt, wenn ich dich mit dem Auto überall hinfahre und du dich nie dafür bedankst. Wenn jemand etwas für dich tut, dann ist es angebracht, Danke zu sagen. Ich brauche Dankesworte – und andere genauso. Bedankst du dich bitte künftig bei denjenigen, die etwas für dich tun?“
Die Mutter, die ihre Tochter dazu aufforderte, berichtete, dass diese sich auch heute als Erwachsene noch bei ihr bedankt, wenn sie etwas für sie tut. Es ist klar, dass nicht jedes Kind so positiv reagieren wird. Unter Umständen muss man es mehrmals sagen oder aber andere geeignete Maßnahmen ergreifen, die in Laufe des Kurses noch beschrieben werden.
Probleme, die die Fähigkeit zuzuhören einschränken, müssen gelöst werden
Manchmal haben Eltern ungesunde, unrealistische Vorstellungen, die hinderlich beim Zuhören sind. Beispiele dazu: Die Eltern –
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meinen, sie müssten jedes Problem ihrer Kinder lösen. Insbesondere kleine Kinder brauchen oft die Hilfe ihrer Eltern, wenn sie Schwierigkeiten haben. Auch größere Kinder brauchen manchmal Hilfe. Dennoch muss jedes Kind lernen, zumindest einige Probleme selbständig zu lösen. Selbstvertrauen entwickelt man dadurch, dass man schwierigen Situationen im Leben begegnet und sie meistert. Die Eltern sollen bereitstehen, ihren Kindern dann zu helfen, wenn sie bei einem Problem überfordert sind.
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meinen, sie müssten erfolgreiche Kinder großziehen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, gute Eltern zu sein. (Besprechen Sie noch einmal die Definition aus der 1. Kursstunde, wann Eltern erfolgreich sind.)
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wollen ihre Kinder kontrollieren
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halten sich zu sehr heraus und sind zu nachgiebig; lassen den Kindern sehr viel Freiraum, aber beaufsichtigen sie kaum und geben weder Richtlinien noch Grenzen vor
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haben Angst zu versagen und sich in der Öffentlichkeit zu blamieren
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meinen, sie als Eltern hätten immer Recht
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brauchen das Gefühl, von ihren Kindern geliebt zu werden, und haben Angst davor, diese könnten sie ablehnen
Wenn Eltern in einem dieser Bereiche Schwierigkeiten haben, sollen sie sich mit ihrem Ehepartner beraten, um Führung beten und fasten, den Tempel besuchen und sich bei Bedarf mit ihrem Bischof beraten, ob es sinnvoll ist, sich um professionelle Hilfe zu bemühen.
Mit guter Kommunikation kann man sehr viel bewirken
Der Apostel Paulus mahnte: „Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe.“ (1 Timotheus 4:12.) In neuzeitlicher Offenbarung heißt es: „Wessen Sprache sanft ist und erbaut, der ist von Gott.“ (LuB 52:16.) Worte und Verhaltensweisen können verletzen oder unterstützen, Kummer und Leid zufügen oder Schmerzen lindern, Zweifel und Angst einflößen oder aber Glauben und Mut. Wenn Eltern sicher darin werden, konstruktiv zu kommunizieren, können sie ihre Kinder enorm zum Positiven beeinflussen.
Elder L. Lionel Kendrick von den Siebzigern hat erklärt, wie wichtig es ist, so mit anderen so kommunizieren, wie Christus es täte:
„Unsere Art, uns zu verständigen, wirkt sich auch darauf aus, was für einen Eindruck wir hinterlassen. Wir müssen deshalb nicht nur darauf achten, was wir sagen, sondern auch, wie wir es sagen. Wir können einen Menschen durch das, was wir ihm sagen und dadurch, wie wir es ihm sagen, stärken oder am Boden zerstören. …
Christliche Verständigung findet in liebevollen, nicht lauten Äußerungen statt. Sie soll helfen, nicht verletzen. Sie verbindet uns und bringt uns nicht auseinander. …
Die wirkliche Herausforderung … besteht darin, dahin zu gelangen, dass wir für alle Kinder des Vaters im Himmel so empfinden, wie Christus für sie empfindet. Wenn wir ihnen mit solcher Anteilnahme begegnen, dann reden wir mit ihnen auch so, wie der Herr es tun würde. Dann erwärmen wir denen das Herz, die vielleicht still leiden. … Wir [können] ihnen durch das, was wir sagen, den Weg angenehmer machen.“7