Für die Familie
7. Kursstunde: Konfliktlösung


7. Kursstunde

Konfliktlösung

„Der Satan weiss, dass der sicherste … weg, das Werk des Herrn zu zerrütten, darin besteht, dass er den familiären Zusammenhalt und die Heiligkeit des Zuhauses schwächt.“

Elder M. Russell Ballard

Ziele der Lektion

In dieser Kursstunde soll erreicht werden, dass die Eltern

  • erkennen, dass Meinungsverschiedenheiten unvermeidlich sind und dass Familien, die Konflikte beilegen, enger zusammenwachsen und stärker werden

  • Methoden kennenlernen, wie man mit Konflikten in der Familie umgehen kann

  • erfahren, wie man Differenzen friedlich klären kann

Ungelöste Konflikte schaffen Probleme

Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt, dass die Familie eines der beliebtesten Angriffsziele des Widersachers ist: „[Der Satan] versucht, zwischen Vater und Mutter einen Keil der Zwietracht zu treiben. Er stiftet Kinder zum Ungehorsam gegenüber ihren Eltern an. … Das genügt schon, denn der Satan weiß, dass der sicherste und wirksamste Weg, das Werk des Herrn zu zerrütten, darin besteht, dass er den familiären Zusammenhalt und die Heiligkeit des Zuhauses schwächt.“1

Ein ältere Frau berichtete einmal voller Kummer, wozu ungelöste Konflikte in ihrer Familie geführt hatten: „Beim Beerdigungsgottesdienst für meinen letzten verbliebenen Bruder dachte ich an die tragischen Kindheitserlebnisse zurück, die meine drei Brüder so verbittert gemacht und sie von Zuhause fortgetrieben hatten und auch vom wiederhergestellten Evangelium, das mir seit jeher so viel bedeutet. Mein Vater, ein religiöser Mann, war fordernd und streitsüchtig und wies seine Kinder sowohl in der Öffentlichkeit als auch zu Hause streng zurecht. Als meine Brüder älter wurden, wehrten sie sich immer heftiger dagegen. Vater und Söhne beschimpften sich gegenseitig auf gemeine, hässliche Weise, verfluchten und schlugen einander sogar. Alle meine Brüder zogen in jungen Jahren von Zuhause aus und kamen ihre Eltern danach nur selten besuchen. Ebenso wenig wollten sie mit der Religion, die ihr Vater angenommen hatte, etwas zu tun haben.“

Konflikte können viele Ursachen haben. Manche Eltern erlauben viel zu viel und geben jeder Laune ihrer Kinder nach, bis deren Verhalten ihrer Kontrolle völlig entgleitet. Andere verbieten zu viel und provozieren ihre Kinder dadurch, sich zu widersetzen. Wieder andere reagieren übertrieben auf den ganz normalen Drang ihrer Kinder nach Unabhängigkeit. Manche Kinder gehen in die Irre und verletzen mit ihrem Verhalten absichtlich Regeln und Maßstäbe der Familie.

Eine Familie wächst enger zusammen und wird stärker, wenn es ihr gelingt, Differenzen auszuräumen. Bearbeitet man Konflikte nicht, zerstören sie die Beziehung und verursachen Leid bei allen Beteiligten.

Wie man Konflikte beilegt

Während seines geistigen Wirkens unter den Nephiten brandmarkte der Heiland die Streitsüchtigen:

„Wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir, sondern ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist, und er stachelt den Menschen das Herz auf, im Zorn miteinander zu streiten.

Siehe, … es ist meine Lehre, dass Derartiges hinweggetan werden soll.“ (3 Nephi 11:29,30.)

Jesus riet, dass Menschen Streit, den sie mit anderen haben, beilegen sollen, bevor sie sich ihm nahen:

„Wenn ihr zu mir kommt oder den Wunsch habt, zu mir zu kommen, und es fällt dir dabei ein, dass dein Bruder etwas gegen dich hat –

so gehe deinen Weg zu deinem Bruder und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann komme mit voller Herzensabsicht zu mir, und ich werde dich empfangen.“ (3 Nephi 12:23,24; siehe auch 3 Nephi 12:9.)

Diese Lehren beziehen sich auch auf Eltern und die Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgehen. In der Proklamation zur Familie haben die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel erneut das Schema des Erretters vorgegeben, wie man Kinder mit Erfolg erzieht: „Die Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder in Liebe und Rechtschaffenheit zu erziehen, für ihre physischen und geistigen Bedürfnisse zu sorgen, sie zu lehren, dass sie einander lieben und einander dienen, die Gebote Gottes befolgen und gesetzestreue Bürger sein sollen, wo immer sie leben.“2

Gehen Sie mit den Eltern die nachstehenden Grundsätze dazu durch, wie man Konflikte löst.

Gehen Sie Probleme mit Ihren Kindern mit einer christlichen Einstellung an

Vater und Mutter sollen in ihrer Aufgabe als Eltern die Lehren des Erlösers anwenden und Liebe zeigen sowie die Bereitschaft, Konflikte beizulegen. Sie sollen mit einer gütigen Einstellung Zugeständnisse machen, ohne aber Werte und Maßstäbe dabei aufzugeben, und sie sollen sich bemühen, ihre Kinder zu überzeugen, aber ohne den Versuch, sie zu manipulieren. Eltern sollen ihren Kindern richtige Grundsätze beibringen und ihnen den Grund für die Familienregeln erklären. Sie sollen ihre Kinder dazu anhalten, richtige Entscheidungen zu treffen, und ihnen gut zureden, wenn sie streitlustig sind. Sie sollen ihnen Konsequenzen auferlegen, wenn sie ungehorsam sind (siehe 9. Kursstunde) und liebevoll versuchen, sie umzustimmen, wenn sie im Begriff sind, einen schwerwiegenden Fehler zu begehen.

Hören Sie so zu, dass Sie Ihre Kinder verstehen

Häufig kann ein Konflikt abgewendet werden, wenn die Eltern gut zuhören und sich bemühen, ihre Kinder zu verstehen, wenn diese aufgebracht und wütend sind. In den heiligen Schriften heißt es: „Eine sanfte Antwort dämpft die Erregung, eine kränkende Rede reizt zum Zorn.“ (Sprichwörter 15:1.) Häufig legt sich die Wut eines Kindes, wenn es sich von seinen Eltern verstanden und respektiert fühlt. Wenn Eltern gut zuhören, stellen sie möglicherweise fest, dass auch ihre Einstellung und ihre Gefühle sich ändern.

Lassen Sie sich nicht auf Streit ein

Ein ganz elementarer Grundsatz zur Lösung von Konflikten in der Familie ist so einfach, dass er häufig übersehen wird. Er besteht darin, nach dem höheren Gesetz Christi zu leben und sich nicht auf Streit einzulassen. Glenn Latham, ein Erziehungsberater, der der Kirche angehört, hat unterstrichen, welch herausragendes Vorbild Christus darin war, sich grundsätzlich nicht mit anderen zu streiten, selbst dann nicht, als er zu Unrecht beschuldigt und misshandelt wurde: „Christus ist ein vollkommenes Beispiel dafür, andere nicht zu beschimpfen, nicht einmal, wenn man grundlos und grausam attackiert wird. Als er angespuckt, geschlagen und gequält, verhöhnt, abgelehnt und verleugnet, ja, sogar, als er gekreuzigt wurde (siehe Matthäus 26:67-70 und 27:29,35), hörte man von ihm kein böses Wort. Er setzte sich nicht zur Wehr. Obwohl er ‚mehr als zwölf Legionen Engel‘ hätte herabrufen können (Matthäus 26:53), ‚schmähte [er] nicht‘. Er war vom Anfang bis zum Ende seines Lebens häufig, ja, fast ständig, Opfer von Schmähungen, sogar ‚die beiden Männer, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden, beschimpften ihn‘ (Markus 15:32). … Je überragender die Güte eines Menschen, desto mehr zieht er offenbar solche an, die ihn beschimpfen, und umso weniger gibt er das offenbar zurück. Das ist das Beispiel, das Eltern übernehmen sollen, wenn sie von ungezogenen Kindern herumgeschubst werden, nämlich, sie nicht zu beschimpfen.“3

Eltern, die sich nicht darauf einlassen zu streiten, obwohl ein Kind sie dazu aufstacheln will, stellen bald fest, dass die Spannungen nur kurz andauern. Wenn einer der Beteiligten sich nicht darauf einlässt zu streiten, kann eine heftige Auseinandersetzung erst gar nicht entstehen. Latham stellte fest: „Meine Studien zur Behandlung von Verhaltensstörungen haben zu meinem Erstaunen gezeigt, dass Kinder sich in 97 von 100 Fällen bei der dritten Aufforderung [wenn die Eltern zum dritten Mal äußern, was sie erwarten] fügen, sofern die Eltern selbst dann ruhig, einfühlsam und geradeheraus bleiben, wenn sie vom Kind aufgebracht beschimpft werden.“4

Manche Eltern mögen annehmen, dass Kinder die Oberhand gewinnen, wenn man sich nicht zur Wehr setzt, dass die Kinder sich dann durchsetzen und man ihnen das Ruder über die familiären Belange übergibt. Dies ist nicht der Fall. Christus stand mutig vor seinen Peinigern; er entschied bewusst, wie er reagierte, und versuchte nie zu entkommen. Weil er sie liebte und erkannte, dass sie nicht wussten, was sie taten, flehte er sogar zu seinem Vater, er möge ihnen vergeben (siehe Lukas 23:34).

In anderen Kursstunden lernen die Eltern, Erwartungen zu kommunizieren, ihre Kinder zwischen verschiedenen akzeptablen Verhaltensweisen wählen zu lassen und ihnen vorher vereinbarte Konsequenzen aufzuerlegen, wenn sie nicht gehorchen. Wenn Kinder sich herumstreiten wollen, können ihre Eltern ihnen auf freundliche, liebevolle Weise nochmals deutlich machen, was sie erwarten, und die Kinder wohlüberlegt an die vereinbarten Konsequenzen erinnern. Anschließend gibt es eigentlich nichts mehr, worüber die Kinder noch streiten könnten.

Kinder werden häufig in hohem Maße davon beeinflusst, was um sie herum vorgeht. Mit am meisten wünschen sie sich, dass ihre Eltern sie beachten. Laut Glenn Latham „lässt sich das Verhalten von Kindern am durchgreifendsten dadurch beeinflussen, welche Beachtung es bei den Eltern findet“.5 Wenn es Kindern nicht gelingt, durch streitlustiges Auftreten Aufmerksamkeit zu erwecken, beruhigen sie sich normalerweise und verhalten sich eher vernünftig.

Halten Sie sich, wenn Sie Ihre Kinder zurechtweisen, an die Richtlinien in den heiligen Schriften

Unter Umständen müssen Eltern ein Kind „alsbald mit aller Deutlichkeit [zurechtweisen], wenn vom Heiligen Geist dazu bewegt“ und ihm danach „vermehrte Liebe“ erweisen, damit ihr Kind sie nicht für seinen Feind hält (siehe LuB 121:43). Präsident James E. Faust hat erklärt, dass der Heilige Geist uns „nur sehr selten“ dazu bewegt, mit aller Deutlichkeit zurechtzuweisen, und dass „man, wenn überhaupt, behutsam zurechtweisen soll, um den, der zurechtgewiesen wird, möglichst davon zu überzeugen, dass es in seinem eigenen Interesse geschieht“.6 Elder Neal A. Maxwell vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt, dass alsbald „frühzeitig oder beizeiten“7 heißt und dafür steht, dass man recht bald nach dem Fehlverhalten zurechtweisen soll, damit der Zusammenhang klar ist. Der Begriff mit aller Deutlichkeit bedeutet in diesem Kontext nicht wütend oder gewaltsam, sondern klar und deutlich. Kluge Eltern zeigen einem Kind unmittelbar nach einer intensiven Aussprache, dass sie es lieb haben, auch in Form von passender körperlicher Zuwendung; manchmal unternehmen sie auch etwas Schönes mit dem Kind.

Schlichten Sie Streit zwischen Kindern abhängig von der jeweiligen Situation

Kinder fangen manchmal Streit an, um Aufmerksamkeit zu erregen und die Eltern auf ihre Seite zu bringen. In so einem Fall stehen Eltern oft auf verlorenem Posten. Sie können nie ganz in Erfahrung bringen, wie der Streit zustande kam und was zwischen den Kindern vorgefallen ist. Wenn sie Partei ergreifen, belohnen sie vielleicht gerade das Kind, das es nicht verdient, und stoßen das andere Kind vor den Kopf.

Am besten können Eltern hier häufig dadurch helfen, dass sie neutral bleiben und den Kindern die Verantwortung dafür übertragen, das Problem zu lösen. Dies können sie tun, indem sie gute Kommunikationsfertigkeiten anwenden, wie im folgenden Beispiel gezeigt wird (siehe auch 3. Kursstunde).

Tim und Robin

Als Vater ins Zimmer kam, rangen Tim, 12, und Robin, 9, gerade auf dem Boden miteinander, wobei sie einander schlugen und anschrien. Robin fing an zu weinen und Tim bezeichnete ihn als Baby. Papa schritt ein und trennte die Jungen.

Vater:

Was ist denn mit euch beiden los?

Tim:

Robin hat angefangen.

Robin:

Hab ich gar nicht. Du hast angefangen.

Vater:

Aha, ihr beschuldigt euch also gegenseitig, das Problem ausgelöst zu haben. (Überträgt ihnen die Verantwortung dafür, das Problem zu lösen.) Was meint ihr denn, was wir tun sollten, um es zu klären?

Robin:

Sag Tim, er soll mich in Ruhe lassen.

Tim:

Dich in Ruhe lassen? Und was ist mit mir? Wer hat denn meine Karten genommen und sie über den ganzen Boden verstreut? Lass meine Sachen in Ruhe, und alles ist ok zwischen uns!

Vater:

(Bleibt neutral, hört aktiv zu.) Robin, du sagst also, Tim hat angefangen, und du, Tim, sagst, dass Robin angefangen hat, indem er deine Karten genommen hat, ohne dich zu fragen.

Robin:

Na toll, und wer hat meine CD genommen, ohne zu fragen?

Vater:

Ihr werft euch also gegenseitig vor, etwas ohne zu fragen genommen zu haben. Und jetzt frage ich noch mal, was denn geschehen muss, um das Problem zu lösen.

Tim:

Sag Robin, er soll endlich erwachsen werden.

Robin:

Und warum wirst du nicht erwachsen?

Vater:

(Geht daran, eine logische Konsequenz aufzuerlegen.) Ich habe den Eindruck, ihr möchtet euch weiter streiten. Vielleicht geht jetzt jeder in sein Zimmer, bis ihr bereit seid, das zu klären.

Tim:

Ich bin bereit.

Robin:

Ich auch.

Tim:

Sag Robin, er muss mich erst fragen, bevor er etwas von mir borgt.

Robin:

Tim fragt mich nie vorher, wenn er etwas von mir nimmt. Er muss genauso fragen.

Vater:

Also möchtet ihr beide, dass der andere euch erst fragt, bevor er sich etwas leiht. Stimmt das?

Tim:

Ja.

Robin:

Ist wohl so.

Vater:

Der Vorschlag gefällt mir. Seid ihr beide damit einverstanden?

Tim und Robin:

Ja.

In diesem Fall war die Schlichtung erfolgreich, weil der Vater zuhören konnte, ohne Partei zu ergreifen, und die Kinder dazu bringen konnte, sich gemeinsam eine Lösung zu überlegen und auch umzusetzen. Dass ihnen eine Konsequenz angedroht wurde, hat die Kinder offenbar dazu motiviert, über eine Lösung für ihr Problem nachzudenken. Obwohl die Konsequenz dann nicht umgesetzt werden musste, wäre sie als Maßnahme geeignet gewesen, wenn die Kinder weiter hätten streiten wollen.

Wenn die Eltern über etwas verfügen, was die Kinder haben, tun oder erreichen wollen, ist es manchmal gar nicht nötig zu verhandeln. Wenn die Eltern die Kinder beispielsweise zu einer Sportveranstaltung fahren und diese sich im Auto streiten, können die Eltern das Auto zum Stehen bringen und die Kinder vor die Wahl stellen, den Streit zu beenden oder wieder nach Hause gebracht zu werden. Häufig erreicht man mit den unaufdringlichsten Maßnahmen am meisten.

Manche Erziehungsberater empfehlen, Kinder aus dem Zimmer zu schicken, wenn sie sich streiten, mit der Maßgabe, erst wiederzukommen, wenn der Streit beigelegt ist. Sie argumentieren damit, dass Kinder schnell die Lust verlieren zu streiten, wenn ihnen die elterliche Aufmerksamkeit entzogen wird. Das mag stimmen, aber Kinder streiten nicht nur, weil sie von Erwachsenen beachtet werden wollen. Wenn man Kinder sich selbst überlässt, um Konflikte zu bereinigen, besteht das Risiko, dass das stärkere Kind das schwächere emotional oder körperlich misshandelt. Eltern sollen befolgen, was König Benjamin seinem Volk gebot: „Ihr werdet nicht zulassen, dass eure Kinder … miteinander kämpfen und streiten.“ (Mosia 4:14.)

Ein Schema zur Konfliktlösung

Die Psychologin Susan Heitler hat ein Schema entwickelt, um in fünf Schritten Konflikte beizulegen.8 Die folgende angepasste Version hat sich in einigen Familien gut bewährt. Am meisten erreicht man mit dem Schema dann, wenn jeder in der Familie es versteht und gewillt ist, sich danach zu richten.

1. Schritt: Jeder äußert seine Meinung

Jeder Beteiligte erklärt seine Ansicht oder was ihm am liebsten wäre – wie er die Angelegenheit am liebsten regeln würde –, ohne dass er Angst haben muss, unterbrochen, angegriffen oder lächerlich gemacht zu werden. Manchmal schält sich dabei schon eine Lösung heraus, meist ist das allerdings erst beim 4. Schritt der Fall.

Beispiel

Vater möchte, dass die Familie regelmäßig den Familienabend durchführt. Mutter kann auf den Familienabend gut verzichten. André, 15, möchte montagabends mit seinen Freunden Fußball spielen. Marietta, 10, ist für den Familienabend.

2. Schritt: Was steckt wirklich dahinter?

Eltern und Kinder besprechen ihre Positionen eingehender und schauen sich an, worauf sie sich jeweils gründen.

Vater hat ein Zeugnis, dass sie alle vom Familienabend profitieren könnten. Außerdem sorgt er sich, es könne Folgen haben, dass sie den Führern der Kirche nicht gehorchen, da diese doch schon seit so vielen Jahren lehren, wie wichtig der Familienabend ist.

In Mutters Familie gab es, als sie Kind und Jugendliche war, jedes Mal Streit, wenn der Familienabend stattfinden sollte. Sie will nicht, dass es ihren Kindern genauso ergeht. Sie möchte zwar den Rat der Propheten befolgen, aber sie befürchtet, der Familienabend würde mehr Streit verursachen, als er wert ist.

André erklärt, wie wichtig es ihm ist, mit seinen Freunden zusammen zu sein, und dass er wenig Lust zu einer geistigen Aktivität mit der Familie hat.

Marietta hat den Wunsch zu tun, wozu der Prophet ihre Familie auffordert.

In dieser Phase sollen alle darauf achten, welches eigentliche Anliegen sie alle gemeinsam haben.

Eltern und Kinder stellen fest, dass jedem von ihnen etwas an den anderen liegt, und dass sie sich alle ein glückliches, harmonisches Familienleben wünschen. Sie alle wollen doch gemeinsam etwas unternehmen, was die Familie stärkt, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung über die Art der Unternehmungen sind.

3. Schritt: Welche Lösungen sind denkbar?

Jeder kann nun Lösungen vorschlagen, wobei ihn niemand angreifen oder lächerlich machen darf. Bei den Überlegungen dazu soll jeder vorschlagen, was er zu einem gemeinsamen Aktionsplan beitragen kann, der die Interessen aller berücksichtigt. Jede Lösung wird aufgeschrieben, so wenig praktikabel sie auch sein mag. Dieser Freiraum fördert die Kreativität, sodass eine brauchbare Lösung entwickelt werden kann.

Die Familie stellt folgende Lösungsmöglichkeiten zusammen:

  • den Familienabend montags vor dem Fußball abhalten

  • beschließen, keinen Familienabend durchzuführen

  • den Familienabend abhalten; wer nicht mitmachen möchte, ist entschuldigt

  • den Familienabend am Sonntagabend durchführen

  • einen gemeinsamen Abend ohne geistige Botschaft einführen

  • den Familienabend abhalten; die Teilnahme am geistigen Teil ist freiwillig

4. Schritt: Eine Lösung wird ausgewählt

Nach dem Brainstorming wird jeder Lösungsvorschlag bewertet und ein Plan aufgestellt, der die Interessen aller berücksichtigt. Da es in der Regel eine komplexe Lösung erfordert, um jedem entgegenzukommen, soll die Familie darauf hinarbeiten, „eher ein Lösungspaket zu entwickeln als nur … eine oder die Lösung zu finden“.9

Die Wünsche und Anliegen der Eltern spielen genauso eine Rolle wie die der Kinder. Beispielsweise möchte ein Ehepaar vielleicht beim Familienabend über Evangeliumsgrundsätze sprechen, aber eins der Kinder will ausschließlich spielen. Die Eltern könnten, um den Wunsch des Kindes, aber ebenso auch ihr eigenes Anliegen zu berücksichtigen, das Evangelium so vermitteln, dass es für das Kind ansprechend und auch verständlich ist.

Sobald der Plan für das Lösungspaket steht, einigt man sich darauf, wer welche Aufgaben übernimmt, damit er umgesetzt werden kann, und jeder verpflichtet sich dazu.

Nachdem alle miteinander die Lösungsvorschläge abgewogen haben, beschließen sie, dass der Familienabend immer dann, wenn André montags Fußball spielt, am Sonntag davor stattfindet. Die Eltern würden den Familienabend am liebsten jedes Mal montags abhalten, aber nicht um den Preis, ihren Sohn auszuschließen.

André ist bereit, dabeizubleiben, wenn über das Evangelium gesprochen wird, solange er nicht der Lehrer sein muss. Die Mutter fühlt sich wohl mit dieser Übereinkunft, besonders deshalb, weil ihre Kinder damit einverstanden sind. Der Vater ist dafür verantwortlich, den Familienabend zu organisieren und zu leiten. Er und die Mutter und gelegentlich auch Marietta werden den Unterricht vorbereiten und erteilen.

5. Schritt: Das Ergebnis wird in die Tat umgesetzt

Die Familie setzt das Ergebnis in die Tat um und achtet darauf, wo etwas angepasst werden muss. Manchmal kann es erforderlich sein, eine andere Lösung zu finden.

Ein neuer Bund

Präsident James E. Faust von der Ersten Präsidentschaft hat darauf hingewiesen, dass Jesus Christus während seines irdischen Wirkens einen neuen, besseren Bund einführte, der von Männern und Frauen verlangt, nach einem höheren Gesetz zu leben. Jeder (also auch Eltern) sollte nun nicht länger ein Gesetz der Vergeltung (siehe Exodus 21:24) befolgen, sondern sich von dem Wunsch leiten lassen, Gutes zu tun, und dem, der ihn schlägt, auch die andere Wange hinhalten (siehe Matthäus 5:39). Sie sollten ihre Feinde lieben und für diejenigen beten, die sie böswillig behandeln und verfolgen (siehe Matthäus 5:44). Und sie sollten in ihrem Umgang mit ihren Mitmenschen nach den Eingebungen des Heiligen Geistes trachten und sie befolgen.10

Wo die Liebe wohnt

Präsident Thomas S. Monson hat einmal eine bewegende Geschichte erzählt, die unterstreicht, wie wichtig es ist, Differenzen beizulegen, die den Zusammenhalt der Familie zerstören können:

„Es gibt Familien, in denen sich Mutter und Vater, Sohn und Tochter durch unbedachte Äußerungen einander entfremdet haben. Ein Beispiel dafür, wie es fast zu einem solchen Unglück gekommen wäre, erlebte vor vielen Jahren ein junger Mann, den ich rücksichtshalber einmal Jack nennen möchte.

Solange Jack lebte, war es zwischen ihm und seinem Vater immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Einmal, als er gerade siebzehn war, war es besonders schlimm. Jack sagte zu seinem Vater: ‚Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Ich gehe! Mich siehst du hier nicht wieder!‘ Damit ging er in sein Zimmer und packte seine Tasche. Seine Mutter flehte ihn an, doch zu bleiben, aber er war zu zornig, um ihr zuzuhören, und ließ sie weinend in der Tür stehen.

Jack ging über den Hof und war gerade im Begriff, durch das Tor zu gehen, als er hörte, wie sein Vater ihm hinterherrief: ‚Jack, ich weiß, ich trage einen Großteil der Schuld daran, dass du gehst. Das tut mir aufrichtig leid. Wenn du jemals zurückkommen willst, bist du hier immer willkommen. Und ich will mich bemühen, dir ein besserer Vater zu sein. Ich werde dich immer lieb haben.‘

Jack sagte nichts. Er ging zum Busbahnhof und kaufte sich eine Fahrkarte zu einer weit entfernten Stadt. Dann saß er im Bus und sah die Landschaft an sich vorbeifliegen. Er musste über die Worte seines Vaters nachdenken und ihm wurde bewusst, wie sehr sein Vater ihn doch lieben musste, um so etwas zu sagen. Sein Vater hatte sich entschuldigt. Er hatte ihn eingeladen zurückzukommen, und ihm klang immer noch im Ohr, wie er gesagt hatte: ‚Ich werde dich immer lieb haben.‘

Da wurde Jack klar, dass er jetzt am Zug war. Er konnte nur dann inneren Frieden finden, wenn er seinem Vater mit der gleichen inneren Reife und Güte und Liebe entgegentrat, die dieser ihm erwiesen hatte. Jack stieg aus, kaufte sich eine Rückfahrkarte und fuhr zurück.

Kurz nach Mitternacht kam er an, ging ins Haus und schaltete das Licht an. Da saß sein Vater im Schaukelstuhl, den Kopf in seinen Händen vergraben. Er blickte auf und sah Jack dastehen. Er stand auf, und sie fielen einander um den Hals. Jack sagte später oft: ‚Diese letzten Jahre zu Hause gehören zu den glücklichsten in meinem ganzen Leben.‘

Man könnte sagen, dieser Junge war über Nacht zum Mann geworden. Der Vater hatte seinen Zorn und Stolz unterdrückt und die Hand ausgestreckt, seinen Sohn zu retten, ehe er sich zu den Scharen der Einsamen gesellte, die aus zerbrochenen Familien stammen. Die Liebe verband sie wieder miteinander und heilte ihre Wunden. Die Liebe – die man so oft spürt, aber so selten zum Ausdruck bringt. …

Brüder, es ist unsere Aufgabe, ja unsere feierliche Pflicht, uns jenen zuzuwenden, die sich vom aktiven Gemeindeleben zurückgezogen oder sich von ihrer Familie abgewendet haben.“11

Wenn Familien nach dem neuen Bund leben, den der Heiland eingeführt hat, und Meinungsverschiedenheiten liebevoll und einvernehmlich klären, werden sie sich in ihren Beziehungen untereinander an mehr Liebe, Frieden und Harmonie erfreuen können.

Anmerkungen

  1. „The Sacred Responsibilities of Parenthood“, Brigham Young University 2003–2004 Speeches, Provo, Brigham Young University, 2004, Seite 89

  2. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Oktober 2004, Seite 49

  3. Christlike Parenting: Taking the Pain out of Parenting, Seattle, Gold Leaf Press, 1999, Seite 66

  4. Christlike Parenting, Seite 69

  5. Christlike Parenting, Seite 67

  6. Ensign, November 1980, Seite 35

  7. Ensign, Mai 1993, Seite 78f.

  8. From Conflict to Resolution: Skills and Strategies for Individual, Couple, and Family Therapy von Susan M. Heitler, Ph.D.; Copyright © 1990 Susan Heitler; mit freundlicher Genehmigung von W. W. Norton & Company; Seite 22-43

  9. The Power of Two: Secrets to a Strong and Loving Marriage, California, New Harbinger Publications, 1997, Seite 202

  10. Vergleiche „Der Bürge eines besseren Bundes“, Liahona, September 2003, Seite 3ff.

  11. Liahona, November 2003, Seite 57f.