Eine Frage der Ehrlichkeit
Die Verfasserin lebt in Utah.
Was ist wichtiger: ein Preis oder die Wahrheit?
„Jedermann soll ehrlich handeln.“ (Lehre und Bündnisse 51:9)
Christy, für dich!“, sagte Mrs. Devin, ihre Lehrerin. Sie reichte Christy einen Umschlag.
„Danke“, erwiderte Christy. Sie öffnete den Umschlag und holte einen Zettel hervor.
Herzlichen Glückwunsch! Du und fünf weitere Schüler seid von euren Klassenkameraden für unseren jährlichen Preis „Engagiertester Fünftklässler“ nominiert worden! Bitte beantworte die Fragen und bringe sie heute noch ins Sekretariat, damit sie ausgewertet werden können.
Aufgeregt drückte Christy den Umschlag an sich. Sie konnte es kaum abwarten, ihren Freundinnen das zu zeigen!
„Weißt du was?“, fragte sie Gabriella beim Mittagessen. „Ich bekomme vielleicht einen Preis!“
„Das ist ja toll!“, erwiderte Gabriella.
„Ich muss nur noch die Fragen hier beantworten“, erklärte Christy. „Aber irgendwie fällt mir nichts Spannendes mehr ein. Hier zum Beispiel: ,Was hast du schon in deinem Umfeld verbessert‘? Mir fällt überhaupt nichts ein.“
„Na ja, schreib doch etwas, was du Gutes tun könntest“, schlug Gabriella vor. „Das ist doch kein Problem. Die wollen doch nur wissen, was für ein Mensch du bist.“
Christy hatte aber kein gutes Gefühl dabei, sich einfach etwas auszudenken. Vielleicht konnte sie etwas schreiben, was sie irgendwann mal machen wollte? Nachdenklich klopfte sie mit dem Bleistift auf den Zettel.
Dann fiel ihr das Schild ein, das die Stadtbibliothek ausgehängt hatte: „Helfer gesucht: Wer hilft Leseanfängern?“ Sie half ja auch gern ihren jüngeren Geschwistern beim Lesen. Bestimmt würde es auch Spaß machen, anderen dabei zu helfen. Zwar hatte sie sich dort noch nicht angemeldet, … aber ihr gefiel die Idee! „Ich helfe in der Bibliothek kleineren Kindern beim Lesen“, schrieb sie also.
Christy schaute auf ihre Antwort. Sie hatte einen Kloß im Hals und musste schlucken. Die innere Unruhe wurde aber nur noch stärker, als sie im Sekretariat ihre Antworten abgab.
Auf dem Nachhauseweg fiel Christy jeder Schritt schwer. Beim Abendessen hatte sie keinen Appetit.
„Alles okay, mein Schatz?“, fragte Mama.
Christy seufzte auf. „Eigentlich nicht.“
„Möchtest du darüber sprechen?“, fragte Papa.
Christy erklärte, was sie getan hatte. „Seitdem fühle ich mich schlecht.“ Sie verschränkte die Arme und versank ein wenig auf ihrem Sitz.
„Ich bin froh, dass du uns das erzählt hast.“ Mama drückte Christys Hand. „Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung!“
„Ich weiß schon, was der nächste Schritt ist“, sagte Christy lächelnd. Schon allein bei dem Gedanken, was sie tun würde, ging es ihr besser.
Als sie abends betete, entschuldigte sie sich beim Vater im Himmel, weil sie unehrlich gewesen war. Sie wusste, dass er ihr helfen würde, umzukehren und alles in Ordnung zu bringen.
Am nächsten Morgen ging Christy zum Sekretariat. Sie klopfte an und ging hinein …
Illustrationen von Morgan Bissant