Das Sühnopfer, die Umkehr und schmutzige Wäsche
Der Herr hat verheißen, dass er unsere Kleider mit seinem Blut weiß machen wird. Er kann uns von unserem Fall erlösen.
Ein Mann fuhr durch eine kleine Stadt in Mexiko und überfuhr einen Hund, der ihm vor das Auto gelaufen war. Von diesem Tag an war er in dem Ort als mata perros bekannt. Man fragte nicht mehr, woher der Name gekommen war; der Mann galt nur noch als der „Hundemörder“. Diejenigen, die später dorthin zogen und die Geschichte nicht kannten, malten sich in den schlimmsten Farben aus, was er getan haben mochte.
Ein Ruf, der durch Gerüchte, die Wahrheit oder einen Spitznamen entstanden ist, kann einem für immer anhaften. Nicht umsonst gibt es den guten Rat, dass man in der Öffentlichkeit keine schmutzige Wäsche waschen soll. Es ist weder notwendig noch angemessen oder zuträglich, unsere eigenen Fehler oder die unserer Familie in der Öffentlichkeit auszubreiten. Je bekannter eine Sünde wird, desto schwieriger ist es, davon umzukehren oder sich zu ändern.
Das heißt nicht, dass Sünden verdeckt werden sollen, was freilich der natürliche Impuls eines jeden ist, der eine Sünde begeht. Statt umzukehren, möchten wir unsere Fehler und Sünden verdecken. Doch wie Kain, nachdem er Abel erschlagen hatte, erfahren musste, kann man seine Sünden nicht vor dem Herrn verbergen1, denn vor ihm ist alles gegenwärtig.2 Er weiß von all unseren ungehorsamen Taten, aber anders als die Öffentlichkeit kennt er unsere Sünden zwar sehr gut, verheißt aber trotzdem, dass er sie nicht mehr im Gedächtnis behält, wenn wir umkehren.3
Das Waschen von schmutziger Wäsche und die Umkehr sind eng miteinander verknüpft. Durch die Sünde wird man vor dem Herrn unrein und muss sich mit ihm versöhnen. Es gibt jedoch eine Zeit und einen Ort, um zu bekennen und um Vergebung zu bitten. In welchem Maße dies notwendig ist, hängt von der Art und der Schwere der Sünde ab. Ist der Verstoß öffentlich bekannt oder wurde das Vertrauen der Öffentlichkeit enttäuscht, muss man auch öffentlich das Fehlverhalten bekennen und um Vergebung bitten. Man muss dem Herrn zeigen, dass man umgekehrt ist, manchmal auch seinen Knechten oder den Geschädigten.
Es besteht eine Gemeinsamkeit zwischen der Reinwaschung unserer Kleider im Blut des Lammes und der Art, wie wir unsere schmutzige Wäsche waschen. Unsere Kleider werden durch das Sühnopfer Christi gereinigt. In den heiligen Schriften ist von Kleidung die Rede, gemeint ist aber unser ganzes Wesen. Wir müssen uns reinigen, wenn wir durch Sünde beschmutzt werden. Das Recht zu richten und zu vergeben liegt beim Herrn4, denn nur er kann vergeben und unsere Sünden abwaschen.
Als König Benjamin im Land Zarahemla seine große Rede hielt5, wandelte sich das Herz6 der Heiligen, und im ganzen Land herrschten Frieden und Wohlstand. Die Zeit verging und Alma wurde berufen, die Kirche zu führen. Einige Mitglieder setzten ihr Herz auf ihren Reichtum und verfielen in Sünde. Alma war sehr besorgt, als sie vor ihn gebracht wurden. Weil er nicht wusste, wie er mit dem Problem umgehen sollte, brachte er sie vor König Mosia, doch dieser überantwortete sie erneut Almas Richterspruch.
Alma hatte Angst, etwas zu tun, was in den Augen Gottes unrecht war. Deshalb schüttete er ihm sein Herz aus und flehte ihn um Führung an, wie er mit den Übertretern umgehen solle. Weil Alma so große Liebe zu seinen Mitmenschen und den innigen Wunsch verspürte, Gottes Willen zu erfüllen, segnete der Herr ihn sehr und verhieß ihm sogar ewiges Leben. Dann erklärte der Herr ihm, warum seine Bitte um Verständnis als Richter so wichtig war: Dies ist meine Kirche. Und sie werden durch meinen Namen errettet. Es geschieht durch mein Opfer. Ich bin der Richter.7
Wie oft vergessen wir doch, wer das Recht hat zu urteilen. Die Vergebung der Sünde liegt bei ihm, nicht bei uns. Wenn Sie also das nächste Mal versucht sind, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, denken Sie an Folgendes:
Erstens: Gehen Sie zum Herrn.
Zweitens: Gehen Sie zu demjenigen, dem Sie geschadet haben.
Drittens: Wenn nötig, gehen Sie zu dem verantwortlichen Richter in Israel.
Und viertens: Lassen Sie die Sache dann hinter sich.
Ein weiterer Aspekt beim Waschen schmutziger Wäsche ist das unersättliche Verlangen einiger weltlich gesinnter Menschen, die Fehler anderer aufzudecken. Der Herr wies den unter seiner Last klagenden Ijob zurecht: „Willst du … mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?“8 Das kann sogar in der Familie geschehen, wenn jemand, der seinen guten Namen schützen möchte, in allen Einzelheiten die Fehler seiner Geschwister, Kinder oder Eltern preisgibt, um sich selbst zu rechtfertigen und den eigenen Schmerz zu lindern.
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn wurde dieser von seinem treuen Vater wieder aufgenommen, der nur über den Wert des Sohnes sprach und nicht über dessen Fehler.
Immer, wenn wir von den Sünden und Fehlern anderer berichten, sprechen wir letzten Endes unser Urteil über sie. Ich habe gehört, wie jemand seinem Sohn sagte, dass eine bestimmte Person nie mehr für ihn arbeiten werde, weil sie ihm zu viel in Rechnung gestellt habe. Der Sohn antwortete: „Ich bin überrascht, dass du so etwas sagst, Vater. Du hast uns eigentlich etwas anderes beigebracht.“
Der Vater urteilte ohne Grundlage. Wie hätte er sich verhalten sollen? Wenn ihm die Rechnung fragwürdig vorkam, hätte er mit dem Mann darüber sprechen und die Meinungsverschiedenheiten ausräumen sollen, ohne sich bei anderen zu beklagen. Der Erretter hat gelehrt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.“9
Als die Schriftgelehrten und Pharisäer die Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, zu Jesus brachten, bückte er sich und schrieb mit dem Finger in den Sand, sodass es andere weder sehen noch hören konnten. Dann sagte er: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Nachdem sich die Ankläger voller Scham für ihre Sünden entfernt hatten, sagte er zu der Frau: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“10
Was sollen wir tun, wenn wir von den Schwierigkeiten anderer wissen?
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Urteilen Sie nicht. Überlassen Sie das Urteil dem Herrn, dem vollkommenen Richter. Stochern wir doch nicht in den Sünden anderer herum, sondern sehen wir das Göttliche in ihnen. Wir dürfen nicht in den Sorgen anderer wühlen, sondern müssen vielmehr erkennen, wie ausgeprägt das Gute in ihnen ist.
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Wir müssen vergeben, selbst wenn wir verletzt worden sind, denn der Herr hat gesagt: „Ich, der Herr, vergebe, wem ich vergeben will, aber von euch wird verlangt, dass ihr allen Menschen vergebt.“11
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Vergessen Sie. Schlimme Erinnerungen können den besten Geist verderben. Denken Sie nicht mehr daran, lassen Sie es hinter sich.
Wenn Sie in Versuchung geraten, die Sünden eines anderen preiszugeben, sprechen Sie nicht mit Ihrem Nachbarn und noch nicht einmal mit Ihrem besten Freund darüber. Gehen Sie zu Ihrem Bischof. Legen Sie die Last auf ihn. Wenn es notwendig ist, erstatten Sie bei der zuständigen Behörde Anzeige und lassen Sie es dabei bewenden. Ich denke, um die kostbare Verheißung zu empfangen, die Alma gegeben wurde, muss man sich bezüglich der eigenen schmutzigen Wäsche, und der von anderen, dieselbe Einstellung zu Eigen machen wie er und sich genauso verhalten.
Doch was ist, wenn wir im Recht sind und nicht die anderen? Müssen wir dann nicht in der Öffentlichkeit Stellung beziehen, damit andere nicht meinen, wir hätten den Fehler begangen? Die Weisung des Herrn in dieser Frage ist eindeutig. Wir haben nicht das Recht zu urteilen. Wir können die Größe des Splitters nicht beurteilen, denn der Balken in unserem Auge versperrt uns die Sicht. Es gibt immer zwei Seiten. Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt, die Fähigkeit zu spüren, was in anderen vorgeht, und zu verstehen, was sie durchleiden. Einfühlungsvermögen ist ein natürliches Nebenprodukt der Nächstenliebe. Es weckt unsere Fähigkeit zu dienen und verbessert sie. Wer einfühlsam ist, hat kein Mitleid, sondern Verständnis und Interesse. Einfühlungsvermögen ist die Grundlage wahrer Freundschaft. Es weckt Achtung und öffnet der Unterweisung und dem Lernen die Tür. Ein Gebet der Sioux-Indianer zeigt, dass sie diesen erhabenen Grundsatz verstehen: „Großer Geist, hilf mir, über niemanden ein Urteil zu fällen, solange ichnicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin.“
Wie sollen wir also mit schmutziger Wäsche umgehen? Es beginnt mit der Umkehr. Der Erretter steht vor der Tür und klopft an;12 er ist bereit, uns sofort in seine Arme zu schließen. Es liegt an uns, die Schritte der Umkehr zu gehen. Wir müssen uns von unseren Sünden abwenden, damit die Reinigung beginnen kann. Der Herr hat verheißen, dass er unsere Kleider mit seinem Blut weiß machen wird.13 Er hat sein Leben gegeben und für alle unsere Sünden gelitten. Er kann uns von unserem Fall erlösen. Durch sein Sühnopfer, dadurch, dass der Erretter sich selbst als Lösegeld für unsere Sünden hingegeben hat, bevollmächtigt er den Heiligen Geist, uns durch die Taufe mit Feuer zu reinigen. Wenn der Heilige Geist in uns wohnt, reinigt sein läuternder Einfluss uns vom Schmutz der Sünde. Sobald man den Vorsatz gefasst hat, beginnt die Reinigung.
Unsere Hingabe an den Herrn beginnt damit, dass er bei uns im Mittelpunkt steht. Vor kurzem waren wir bei einer Pfahlkonferenz in Nauvoo, Illinois. Der Chor sang ganz hervorragend. Der Chorleiter ist beruflich als Musiker und Lehrer an einer Universität in der Gegend tätig und verstand es meisterhaft, den Chor und die Versammelten in seinen Bann zu ziehen. Jede seiner Bewegungen bildete eine natürliche Einheit mit der Musik. Wir wollten so singen, wie er dirigierte. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Ich dachte an den Erretter. Er hat uns aufgefordert, so zu sein wie er. Wenn wir ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit genauso zukommen ließen wie Bruder Nelson, würden wir das Abbild des Erretters bald in unseren Gesichtsausdruck aufnehmen.
Die Wandlung, die sich in uns beim Singen vollzog, währte nur kurz. Wir waren am richtigen Platz und hatten alle den großen Wunsch, ihm zu folgen. Wenn wir uns mit dem innigen Wunsch, dem Herrn zu folgen, am richtigen Platz befinden, wird er an unser Leben Hand anlegen und uns reinigen, damit wir für immer in seiner Gegenwart leben können. Der Chorleiter zwang uns nicht mitzusingen, er stellte lediglich eine Verbindung her. Wahre Umkehr erfolgt dann, wenn man auf diese Weise mit dem Erretter verbunden ist. Halten wir uns unsere persönlichen Gebete und was wir jeden Tag denken vor Augen. Wir alle müssen uns anstrengen, um die Verbindung herzustellen, die der Herr verlangt.
Ich fragte Bruder Nelson, wie er so viel aus uns herausholen konnte. Er antwortete bescheiden: „Weil ihr Herz rein ist.“
„Wie noch?“, fragte ich.
Er erwiderte: „Durch den Geist; das ist die einzige Möglichkeit, auf dieser Ebene zu kommunizieren.“
Worauf sollen wir also unser Hauptaugenmerk richten? „Und wenn euer Auge nur auf meine Herrlichkeit gerichtet ist, so wird euer ganzer Körper mit Licht erfüllt werden, und es wird in euch keine Finsternis sein; und wer ganz mit Licht erfüllt ist, erfasst alles.“14 Dies wird möglich, wenn wir die Verantwortung für unsere schmutzige Wäsche übernehmen, indem wir umkehren und sie reinigen.
Mögen wir in den Genuss der Verheißung kommen, die der Erretter uns durch Moroni gegeben hat: „[Erhebt euch] … und [kleidet euch] in [eure] schönen Gewänder, … kommt zu Christus … und liebt Gott mit aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft, … damit ihr durch seine Gnade in Christus vollkommen seiet, … nämlich dadurch, dass [sein] Blut vergossen wurde, das im Bund des Vaters der Vergebung eurer Sünden dient, damit ihr heilig werdet, ohne Makel.“15 Im Namen Jesu Christi. Amen .