2000–2009
Die Hirten Israels
Oktober 2003


Die Hirten Israels

Ich danke dem Herrn für die guten Bischöfe dieser Kirche. Mögen Sie den Frieden finden, den Gott allein denen gibt, die ihm dienen.

Brüder, heute Abend tue ich etwas Ungewöhnliches. Ich wiederhole einige Auszüge einer Ansprache, die ich vor fünfzehn Jahren in der Allgemeinen Priestertumsversammlung gehalten habe. Ich spreche zu den Bischöfen der Kirche über ihr Amt; zu dieser wunderbaren Gruppe von Männern, die im wahrsten Sinne des Wortes die Hirten Israels sind.

Jeder, der an dieser Konferenz teilnimmt, ist einem Bischof oder Zweigpräsidenten gegenüber verantwortlich. Gewaltig ist die Last, die sie tragen, und ich fordere jedes Mitglied der Kirche auf, alles zu tun, was es nur tun kann, um die Last zu erleichtern, unter der unsere Bischöfe und Zweigpräsidenten arbeiten.

Wir müssen für sie beten. Sie brauchen Hilfe, diese ungeheure Last zu tragen. Wir können sie besser unterstützen und weniger von ihnen abhängig sein. Wir können ihnen auf jede erdenkliche Weise helfen. Wir können ihnen für alles, was sie für uns tun, danken. Schon nach kurzer Zeit sind sie erschöpft von der Last, die wir ihnen auferlegen.

Es gibt über 18 000 Bischöfe in der Kirche. Jeder von ihnen ist durch den Geist der Prophezeiung und Offenbarung berufen und durch Händeauflegen eingesetzt und ordiniert worden. Jeder von ihnen hat in seiner Gemeinde die Schlüssel der Präsidentschaft inne. Jeder ist ein Hoher Priester, der präsidierende Hohe Priester seiner Gemeinde. Jeder trägt in seiner Treuhandschaft eine ungeheure Verantwortung. Jeder ist für seine Mitglieder wie ein Vater.

Keiner erhält Geld für seinen Dienst. Keiner wird für seine Arbeit als Bischof von der Kirche bezahlt.

Die Anforderungen an einen Bischof sind heute dieselben wie zur Zeit des Paulus, der Timotheus schrieb:

„Deshalb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur einmal verheiratet, nüchtern, besonnen, von würdiger Haltung, gastfreundlich, fähig zu lehren; er sei kein Trinker und kein gewalttätiger Mensch, … nicht streitsüchtig und nicht geldgierig.

Er soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen.

Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?

Er darf kein Neubekehrter sein, sonst könnte er hochmütig werden und dem Gericht des Teufels verfallen.“ (1 Timotheus 3:2-6.)

In seinem Brief an Titus fügt Paulus noch hinzu: „Ein Bischof muss unbescholten sein, weil er das Haus Gottes verwaltet. …

Er muss ein Mann sein, der sich an das wahre Wort der Lehre hält; dann kann er mit der gesunden Lehre die Gemeinde ermahnen und die Gegner widerlegen.“ (Titus 1:7,9.)

Eine treffende Beschreibung des Bischofs in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Ich will mich nun direkt an die tausenden von Bischöfen wenden, die mich heute Abend hören. Lassen Sie mich zuerst sagen, dass ich Sie liebe, weil Sie redlich und gut sind. Sie müssen redlich sein. Sie müssen für die Gemeinde, über die Sie präsidieren, ein Vorbild sein. Sie müssen auf einer höheren Ebene stehen, damit Sie andere erheben können. Sie müssen absolut ehrlich sein, denn Sie gehen mit den Geldern des Herrn um, dem Zehnten seines Volkes, dem Opfer, das ihr Fasten hervorbringt, und den Spenden, die sie aus ihren knappen Mitteln geben. Wie viel Vertrauen genießen Sie doch als Schatzmeister des Herrn!

Ihre Rechtschaffenheit muss für Ihre Mitglieder wie ein Banner sein. Ihr sittliches Verhalten muss tadellos sein. Sie sind den Verlockungen des Widersachers ausgesetzt, denn er weiß, dass er, wenn er Sie vernichten kann, einer ganzen Gemeinde schaden kann. Sie müssen in all Ihren Beziehungen weise sein, damit nicht jemand in etwas, was er Sie tun sieht, ein sittliches Vergehen hineindeutet. Sie dürfen der Versuchung, pornografisches Material zu lesen oder in der Abgeschiedenheit Ihres eigenen Zimmers pornografische Filme anzusehen, niemals nachgeben. Ihre sittliche Stärke muss so beschaffen sein, dass Sie über jemanden zu Gericht sitzen und sein fragwürdiges sittliches Verhalten beurteilen können, wenn es denn sein muss, ohne sich zu kompromittieren oder in Verlegenheit zu geraten.

Sie dürfen Ihr Amt als Bischof nicht dazu benutzen, eigene Geschäftsinteressen zu verfolgen, damit nicht am Ende wegen eines finanziellen Missgeschicks diejenigen, die sich von Ihnen haben überreden lassen, Anklage gegen Sie erheben.

Sie dürfen Ihre Eignung als allgemeiner Richter in Israel nicht beeinträchtigen. Es ist eine furchterregende, gewaltige Verantwortung, Richter über das Volk zu sein. Sie müssen in manchen Fällen beurteilen, ob jemand würdig ist, weiterhin der Kirche anzugehören, ob jemand würdig ist, ins Haus des Herrn zu gehen, getauft zu werden, das Priestertum zu empfangen, eine Mission zu erfüllen oder in den Organisationen zu unterrichten oder als Beamter zu dienen. Sie müssen beurteilen, ob jemand, der in Not geraten ist, berechtigt ist, Hilfe aus dem Fastopfer oder Gebrauchsartikel aus dem Vorratshaus des Herrn zu erhalten. Keiner, der Ihnen anvertraut ist, darf hungrig oder ohne Kleidung oder Obdach sein, auch wenn er nicht um Hilfe bittet. Sie müssen über die Lebensumstände all derer, die zu Ihrer Herde gehören, einigermaßen Bescheid wissen.

Wenn sie Kummer oder Schwierigkeiten haben, müssen Sie ihr Berater, ihr Beistand, ihr Anker und ihre Stärke sein. Sie müssen stark sein – die Stärke besitzen, die vom Herrn kommt. Sie müssen weise sein – die Weisheit besitzen, die vom Herrn kommt. Ihre Tür muss offen stehen, damit Sie ihr Rufen hören, und Ihr Rücken muss stark sein, damit Sie ihre Last tragen können. Ihr Herz muss einfühlsam sein, damit Sie spüren, was sie brauchen, Ihre göttliche Liebe muss umfassend und stark genug sein, damit sie selbst den Übeltäter und den Kritiker mit einschließt. Sie müssen geduldig sein, bereit zuzuhören und bemüht zu verstehen. Sie sind der Einzige, an den sich manch einer wenden kann. Sie müssen da sein, wenn alles andere versagt hat. Ich möchte ein paar Zeilen aus einem Brief vorlesen, den ein Bischof erhalten hat.

„Sehr geehrter Bischof,

es ist schon beinahe zwei Jahre her, dass ich Sie ganz verzweifelt um Hilfe gebeten habe. Damals war ich so weit, dass ich mir das Leben nehmen wollte. Ich hatte niemanden, an den ich mich wenden konnte, kein Geld, keine Arbeit, keine Freunde. Mein Haus hatte man mir weggenommen und ich hatte keine Bleibe. Die Kirche war meine letzte Hoffnung.

Wie Sie wissen, hatte ich mich mit siebzehn Jahren von der Kirche abgewandt und auf meiner Suche nach Glück und Erfüllung wohl jede Regel und jedes Gebot gebrochen, das es gab. Statt Glück erlebte ich nur Elend, Schmerz und Verzweiflung. Für mich gab es keine Hoffnung und keine Zukunft. Ich flehte sogar Gott an, er solle mich sterben lassen, mich aus diesem Elend befreien. Nicht einmal er wollte mich noch haben. Ich hatte das Gefühl, auch er lehne mich ab.

Da wandte ich mich an Sie und an die Kirche …

Sie hörten mir verständnisvoll zu, Sie berieten mich, leiteten mich an, halfen mir.

Ich fing an, das Evangelium immer besser kennen zu lernen und zu verstehen. Mir wurde bewusst, dass ich einige grundlegende Veränderungen in meinem Leben vornehmen musste, die schrecklich schwer waren, dass ich aber in mir die Kraft dazu hatte und es auch wert war.

Als ich dann nach dem Evangelium lebte und umkehrte, stellte ich fest, dass ich keine Angst mehr hatte. Ich hatte inneren Frieden. Die Schatten der Qual und der Verzweiflung waren verschwunden. Durch das Sühnopfer wurden meine Schwächen und Sünden durch Jesus Christus und seine Liebe zu mir vergeben.

Er hat mich gesegnet und gestärkt. Er hat mir neue Wege gezeigt, mich geführt und mich vor Schaden bewahrt. Nachdem ich ein Hindernis nach dem anderen überwunden habe, geht es auch mit meinem Geschäft bergauf, was meiner Familie zugute kommt und mir das Gefühl gibt, etwas erreicht zu haben.

Bischof, Sie haben mir in diesen zwei Jahren Verständnis entgegengebracht und mir geholfen. Ich wäre ohne Ihre Liebe und Geduld nie so weit gekommen. Danke, dass Sie der sind, der Sie sind, ein Diener des Herrn, der mir, einem verirrten Kind Gottes, geholfen hat.“

Bischöfe, Sie stehen als Wächter auf dem Turm der Gemeinde, über die Sie präsidieren. In jeder Gemeinde gibt es viele Lehrer. Aber Sie müssen der größte Lehrer unter ihnen sein. Sie müssen darauf achten, dass sich keine falsche Lehre einschleicht. Sie müssen darauf achten, dass Glaube und Zeugnis, Redlichkeit und Rechtschaffenheit und die Bereitschaft zu dienen unter den Mitgliedern zunehmen. Sie müssen darauf achten, dass ihre Liebe zum Herrn stärker wird und sich darin zeigt, dass sie einander mehr lieben.

Sie müssen der Beichtvater sein, der in ihre innersten Geheimnisse eingeweiht ist und das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird, niemals enttäuscht. Was mit Ihnen besprochen wird, unterliegt der Schweigepflicht und geht sonst niemand etwas an. Sie mögen manchmal versucht sein, etwas zu erzählen. Sie dürfen dieser Versuchung nicht nachgeben.

Behalten Sie für sich, was Ihnen anvertraut wird, außer es liegen gesetzliche Bestimmungen vor wie im Fall von Misshandlung und Missbrauch. Die Kirche hat einen Notruf eingerichtet, wo Sie anrufen, wenn ein Fall von Misshandlung oder Missbrauch vorliegt.

Sie selbst präsidieren über das Aaronische Priestertum der Gemeinde. Sie sind ihr Führer, ihr Lehrer, ihr Vorbild, ob Sie das wollen oder nicht. Sie sind der präsidierende Hohe Priester, der Vater der Gemeindefamilie, der bei Streitigkeiten vermittelt und die Beschuldigten verteidigt.

Sie präsidieren in Versammlungen, wo die Lehre vermittelt wird. Sie sind für die geistige Atmosphäre in diesen Versammlungen verantwortlich, ebenso für das Segnen und Austeilen des Abendmahls, damit alle an die heiligen Bündnisse und Verpflichtungen erinnert werden, die denen auferlegt sind, die den Namen des Herrn auf sich genommen haben.

Sie müssen der starke Freund der Witwen und Waisen, der Schwachen und Bedrängten, der Angegriffenen und Hilflosen sein.

Ihre Trompete muss klare und unmissverständliche Töne hervorbringen. In Ihrer Gemeinde stehen Sie an der Spitze der Armee des Herrn und führen sie zum Sieg im Kampf gegen Sünde, Gleichgültigkeit und den Abfall vom Glauben.

Ich weiß, dass die Arbeit manchmal schwer ist. Die Stunden reichen nie aus, um sie zu bewältigen. Sie erhalten zahlreiche Anrufe. Sie haben auch noch etwas anderes zu tun. Das stimmt. Sie dürfen Ihrem Arbeitgeber nicht die Zeit und Kraft vorenthalten, auf die er Anspruch hat. Sie dürfen Ihrer Familie nicht die Zeit entziehen, die ihr zusteht. Aber wie die meisten von Ihnen erfahren haben, werden Sie, wenn Sie nach göttlicher Führung trachten, mit Weisheit gesegnet, die über Ihre eigene hinausgeht, und mit Kraft und Fähigkeiten, die Sie zuvor noch nicht gekannt haben. Es ist möglich, Ihre Zeit so einzuteilen, dass Sie weder Ihren Arbeitgeber noch Ihre Familie noch Ihre Herde vernachlässigen.

Gott segne die guten Bischöfe der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Gelegentlich sind Sie vielleicht dazu geneigt, sich über die Last Ihres Amtes zu beklagen. Sie wissen aber auch, welche Freude Ihr Dienst mit sich bringt. So schwer die Last auch sein mag – Sie wissen, dass dies das Beste, das Lohnendste, das Wichtigste ist, was Sie je außerhalb der eigenen vier Wände getan haben.

Ich danke dem Herrn für Sie. Ich danke dem Herrn für die guten Bischöfe dieser Kirche in aller Welt. Ich bete für Sie, für alle 18 000. Ich bitte Sie, stark zu sein. Ich bitte Sie, treu zu sein. Ich bitte Sie, in Ihrem Leben und in den Zielen, die Sie anderen setzen, geradlinig zu sein. Auch wenn Ihre Tage lang und ermüdend sind – mögen Sie gut schlafen und im Herzen den Frieden finden, den Gott allein denen gibt, die ihm dienen.

Ich gebe Zeugnis, dass die Bischöfe dieser Kirche stark und gut sind. Ich spreche den Ratgebern, die ihnen helfen, und allen, die in einer von ihnen ausgesprochenen Berufung dienen, meine Anerkennung aus.

Wir erwarten nichts Unmögliches von Ihnen. Wir bitten Sie nur, Ihr Bestes zu tun. Delegieren Sie jeden Bereich der Arbeit, den Sie rechtmäßig delegieren können, an andere. Und legen Sie dann alles in die Hand des Herrn.

Eines Tages werden Sie entlassen. Sie werden traurig sein. Aber der Dank Ihrer Mitglieder wird Sie trösten. Sie werden Sie nie vergessen. Man wird sich an Sie erinnern und in den kommenden Jahren mit Achtung von Ihnen sprechen, denn von allen Beamten in der Kirche stehen Sie ihnen am nächsten. Sie sind als Hirten für die Herde berufen, ordiniert und eingesetzt worden. Sie sind mit der Gabe des Erkennens, mit Urteilskraft und Liebe ausgestattet worden, um den Mitgliedern ein Segen zu sein. Und dadurch werden auch Sie gesegnet.

Ich gebe Zeugnis davon, dass Ihre Berufung von Gott ist und dass Sie sie auf großartige Weise erfüllen. Mögen Sie, Ihre Ratgeber, Ihre Frau und Ihre Kinder gesegnet sein, wenn Sie den Kindern des Herrn dienen, das erbitte ich demütig im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.