Generalkonferenz
Gott mitten unter uns
Frühjahrs-Generalkonferenz 2021


15:44

Gott mitten unter uns

Gott ist mitten unter uns – und er nimmt persönlich an unserem Leben teil und führt und leitet seine Kinder entschlossen und unermüdlich

Zu allen Zeiten hat Gott durch seine Diener, die Propheten, ewige Wahrheiten verkündet.1 Eben haben wir gehört, wie der Prophet Gottes zu allen Menschen auf der Welt gesprochen hat. Ich bin dankbar für Präsident Russell M. Nelson und bitte Sie, seine Worte zu studieren und zu beachten.

Noch vor meinem 12. Geburtstag war meine Familie bereits zweimal gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und einen Neuanfang zu wagen, nachdem der Krieg und die anschließende politische Teilung nichts als Durcheinander, Ängste und Ungewissheit hinterlassen hatten. Für mich war es eine beunruhigende Zeit, aber für meine Eltern muss es schrecklich gewesen sein.

Meine Mutter und mein Vater haben mit uns vier Kindern nur wenig darüber gesprochen, wie sie das belastet hat. Sie haben die Strapazen und all das Leid ertragen, so gut sie konnten. Ihre Ängste müssen bedrückend gewesen sein, wenn ihre Hoffnungen und Erwartungen immer wieder enttäuscht wurden.

Das Elend nach dem Zweiten Weltkrieg hat auf der ganzen Welt Spuren hinterlassen – auch bei mir.

Damals habe ich mich in meinen einsamsten Stunden oft gefragt: „Gibt es noch Hoffnung für mich?“

Engel mitten unter uns

Wenn ich jetzt über diese Zeit nachdenke, wenden sich meine Gedanken den jungen Missionaren aus Amerika zu, die in jenen Jahren bei uns ihren Dienst erfüllten. Sie hatten ein sicheres Zuhause am anderen Ende der Welt verlassen und waren nach Deutschland gekommen, um den Deutschen – ihrem ehemaligen Feind – Hoffnung auf Gott zu bringen. Ihnen ging es nicht um Vorwürfe, Vorhaltungen oder Schuldzuweisungen. Bereitwillig opferten sie einen Teil ihrer Jugend, ohne an irdischen Gewinn zu denken, erfüllt von dem Wunsch, dass auch andere die Freude und den Frieden erfahren mögen, den sie erfahren hatten.

Aus meiner Sicht waren diese jungen Männer und Frauen vollkommen. Bestimmt hatten sie ihre Fehler, aber nicht in meinen Augen. Mir werden sie immer überlebensgroß erscheinen – als Engel voller Licht und Herrlichkeit, als Überbringer von Mitgefühl, Güte und Wahrheit.

Während die Welt in Häme, Verbitterung, Hass und Furcht versank, erfüllten mich das Beispiel und die Worte dieser jungen Menschen mit Hoffnung. Ihre Evangeliumsbotschaft reichte weit über Politik, Geschichte, Neid, Groll und eigene Befindlichkeiten hinaus. Sie gab auf die wichtigen Fragen, die wir in diesen schwierigen Tagen hatten, göttliche Antworten.

Die Botschaft lautete: Gott lebt und sorgt sich um uns auch in aufgewühlten, verwirrenden und chaotischen Zeiten wie diesen. Gott ist tatsächlich in der gegenwärtigen Zeit erschienen und hat Wahrheit und Licht wiederhergestellt – sein Evangelium und seine Kirche. Er spricht zu Propheten. Gott ist mitten unter uns – und er nimmt persönlich an unserem Leben teil und führt und leitet seine Kinder entschlossen und unermüdlich.

Es ist erstaunlich, was wir alles lernen können, wenn wir den Plan der Errettung und Erhöhung, den Plan des Glücklichseins, den der Vater im Himmel für seine Kinder aufgestellt hat, etwas näher betrachten. Wenn wir glauben, wir seien unbedeutend und würden abgelehnt und vergessen, können wir sicher sein, dass Gott uns nicht vergessen hat. Ja, er bietet all seinen Kindern etwas ganz Unvorstellbares an, nämlich „Erben Gottes und Miterben Christi“ zu werden.2

Was bedeutet das?

Es bedeutet, dass wir ewig leben, eine Fülle der Freude empfangen3 und das Potenzial haben, „Throne, Reiche, Fürstentümer und Mächte“4 zu erben.

Die Erkenntnis, dass uns eine derart glorreiche und erhabene Zukunft möglich ist, muss uns demütig stimmen – nicht weil wir klein sind, sondern weil Gott groß ist.

Wenn man das einmal weiß, wie kann man da in Unzufriedenheit oder Verbitterung verharren? Wie kann man den Blick auf den Boden richten, wenn der König der Könige uns einlädt, uns in eine unvorstellbare Zukunft göttlichen Glücklichseins emporzuschwingen?5

Errettung mitten unter uns

Weil Gottes Liebe zu uns vollkommen ist und Jesus Christus ein Opfer für die Ewigkeit gebracht hat, können unsere Sünden – große wie kleine – ausgelöscht werden, und Gott wird sich ihrer nicht erinnern.6 Wir können rein, würdig und geheiligt vor Gott stehen.

Das Herz geht mir über vor Dankbarkeit für meinen Vater im Himmel. Ich erkenne, dass er seine Kinder nicht dazu verurteilt hat, allein und ohne Hoffnung durch das irdische Dasein zu stolpern. Er hat Anleitungen gegeben, die den Weg zurück zu ihm weisen. Und im Mittelpunkt all dessen stehen sein geliebter Sohn Jesus Christus7 und das Opfer, das er für uns gebracht hat.

Das unbegrenzte Sühnopfer des Erretters ändert vollständig die Art und Weise, wie wir unsere Übertretungen und Unzulänglichkeiten sehen. Statt bei ihnen zu verweilen und uns für verloren zu halten, können wir aus ihnen lernen und Hoffnung schöpfen.8 Die reinigende Gabe der Umkehr ermöglicht es uns, unsere Sünden hinter uns zu lassen und als neues Geschöpf daraus hervorzugehen.9

Dank Jesus Christus brauchen wir uns von Fehlschlägen nicht kleinkriegen zu lassen, sondern können noch reiner und verfeinerter werden.

Wie ein Musiker, der die Tonleiter übt, können wir Fehlgriffe, Makel und Sünden als Gelegenheiten auffassen, uns selbst besser zu erkennen, unsere Mitmenschen tiefer und aufrichtiger zu lieben und durch Umkehr verfeinert zu werden.

Sofern wir umkehren, werden wir durch Fehler nicht disqualifiziert, sie sind vielmehr ein Teil unserer Entwicklung.

Verglichen mit den herrlichen und großartigen Wesen, die wir einst werden sollen, sind wir alle noch kleine Kinder. Kein Mensch lernt krabbeln, gehen und schließlich laufen, ohne immer wieder zu stolpern und sich Beulen und Schrammen einzufangen. Auf diese Art entwickeln wir uns weiter.

Wenn wir ernsthaft weiter üben, uns stets bemühen, Gottes Gebote zu halten, und unsere Anstrengungen darauf verwenden, umzukehren, auszuharren und das Gelernte anzuwenden, dann sammeln wir Schritt für Schritt Licht in unserer Seele an.10 Auch wenn wir das volle Ausmaß unseres Potenzials jetzt noch nicht ganz begreifen mögen, wissen wir, dass wir das Antlitz des Erretters, „wenn er offenbar wird“, in uns erkennen werden, und „wir werden ihn sehen, wie er ist“11.

Was für eine herrliche Verheißung!

Ja, die Welt ist in Aufruhr. Ja, wir haben Schwächen. Doch wir brauchen nicht den Kopf hängen zu lassen, denn Gott können wir vertrauen, seinem Sohn Jesus Christus können wir vertrauen, und wir können die Gabe des Heiligen Geistes annehmen, um uns auf diesem Weg zu einem Leben voller Freude und göttlichen Glücklichseins führen zu lassen.12

Jesus mitten unter uns

Ich habe mich oft gefragt, was Jesus wohl sagen und tun würde, wenn er heute mitten unter uns wäre.

Nach der Auferstehung erfüllte Jesus Christus seine Verheißung, seine „anderen Schafe“13 zu besuchen.

Im Buch Mormon, einem weiteren Zeugen für Jesus Christus, wird beschrieben, wie er den Menschen auf dem amerikanischen Kontinent erschien. Dieser kostbare Bericht ist für uns ein greifbarer Beweis für das Werk des Erretters.

Die Menschen im Buch Mormon lebten auf der anderen Seite des Erdballs – ihre Geschichte und ihre kulturellen und politischen Verhältnisse waren ganz andere als die der Menschen, unter denen Jesus zuvor gewirkt hatte. Und doch lehrte Jesus dort vielfach dasselbe, was er auch im Heiligen Land gelehrt hatte.

Warum hat er das gemacht?

Weil die Wahrheiten, die der Erretter lehrt, stets zeitlos sind. Sie gelten für Menschen in allen Zeitaltern und allen Lebensumständen.

Seine Botschaft war und ist eine Botschaft der Hoffnung – ein Zeugnis, dass Gott, unser Vater im Himmel, seine Kinder nicht verlassen hat.

Er ist mitten unter uns!

Vor zweihundert Jahren ist der Erretter abermals zur Erde zurückgekehrt. Zusammen mit Gott dem Vater erschien er dem 14-jährigen Joseph Smith und leitete die Wiederherstellung des Evangeliums und der Kirche Jesu Christi ein. Seit jenem Tag sind die Himmel offen und himmlische Boten sind aus unsterblicher Herrlichkeit herabgestiegen. Licht und Erkenntnis sind vom Himmelsthron herabgeflossen.

Der Herr Jesus Christus hat abermals zur Welt gesprochen.

Was hat er gesagt?

Zum Glück sind viele seiner Worte im Buch Lehre und Bündnisse niedergeschrieben, wo sie jeder auf der Welt, der das möchte, lesen und studieren kann. Wie wertvoll sind uns diese Worte heute!

Kein Wunder, wenn wir feststellen, dass der Erretter die Kernbotschaft seines Evangeliums dort wiederholt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit all deiner Macht, ganzem Sinn und aller Kraft; und im Namen Jesu Christi sollst du ihm dienen.“14 Er inspiriert uns, Gott zu suchen15 und uns an die Lehren zu halten, die er seinen Dienern, den Propheten, offenbart hat.16

Er hält uns dazu an, einander zu lieben17 und „von Nächstenliebe zu allen Menschen [erfüllt zu sein]“18.

Er bittet uns, zu seinen Händen zu werden und überall und zu jeder Zeit Gutes zu tun.19 „Wir wollen nicht [nur] mit Wort[en] lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“20

Er möchte, dass wir den großartigen Auftrag erfüllen, den er uns gegeben hat: lieben, weitergeben, einladen – und das bezieht sich auf das Evangelium und seine Kirche und gilt für alle Menschen.21

Er gebietet uns, heilige Tempel zu errichten, dort Gott zu verehren und unseren Mitmenschen zu dienen.22

Er trägt uns auf, seine Jünger zu werden. Unser Herz soll nicht nach Macht, Wohlstand oder weltlicher Anerkennung streben. Er hält uns dazu an, „die Dinge dieser Welt ab[zu]legen und nach den Dingen einer besseren Welt [zu] trachten“23.

Er möchte, dass wir uns um Freude, Erleuchtung, Frieden, Wahrheit, Glücklichsein24 und die Verheißung der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens bemühen.25

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Angenommen, Jesus würde Sie heute in Ihrer Gemeinde, Ihrem Zweig oder zuhause besuchen. Wie wäre das wohl?

Er würde Ihnen direkt ins Herz blicken. Äußeres würde bedeutungslos werden. Er würde Sie so kennen, wie Sie sind. Er würde Ihre Herzenswünsche kennen.

Den Sanftmütigen und den Demütigen würde er emporheben.

Den Kranken würde er heilen.

Dem Zweifelnden würde er Zuversicht geben und den Mut, zu glauben.

Er würde uns dazu anhalten, unserem himmlischen Vater unser Herz zu öffnen und auf unsere Mitmenschen in Offenheit zuzugehen.

Er würde Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Anstand, Glaubenstreue, Mitgefühl und Nächstenliebe erkennen und würdigen.

Ein Blick in seine Augen, und wir wären nie mehr derselbe. Wir würden uns für immer ändern, innerlich gewandelt durch das tiefe Bewusstsein, dass Gott in der Tat mitten unter uns ist.

Was müssen wir tun?26

Ich denke mit Wohlwollen an den jungen Mann zurück, der ich war, als ich aufwuchs. Könnte ich in diese Zeit zurückreisen, würde ich ihn trösten und ihm sagen, er sei auf dem richtigen Weg und solle vertrauensvoll weitersuchen. Und ich würde ihn bitten, Jesus Christus in seinem Leben anzunehmen, weil Gott mitten unter uns ist!

Ihnen, liebe Brüder und Schwester, liebe Freunde, und allen Menschen, die auf der Suche nach Antworten und nach Wahrheit und Glücklichsein sind, gebe ich den gleichen Rat: Suchen Sie zuversichtlich und geduldig weiter!27

Bitten Sie, und Sie werden empfangen. Klopfen Sie an, und es wird Ihnen aufgetan werden.28 Vertrauen Sie auf den Herrn.29

Gott zu begegnen, ist in unserem täglichen Leben eine heilige Pflicht und eine wunderbare Gelegenheit.

Wenn wir den Stolz ablegen und auf seinen Thron mit einem reuigen Herzen und einem zerknirschten Geist30 zugehen, wird er sich uns nahen.31

Wenn wir uns bemühen, Jesus Christus zu folgen, und Schritt für Schritt den Weg eines Jüngers gehen, wird der Tag kommen, an dem wir diese unvorstellbare Gabe empfangen werden, nämlich die Fülle der Freude.

Meine lieben Freunde, unser Vater im Himmel liebt Sie mit vollkommener Liebe. Er hat seine Liebe unzählige Male bewiesen, vor allem aber, indem er seinen einziggezeugten Sohn als Opfer und als Geschenk an seine Kinder hingab, auf dass die Rückkehr zu unseren himmlischen Eltern Wirklichkeit werde.

Ich gebe Zeugnis, dass unser himmlischer Vater lebt, dass Jesus Christus seine Kirche führt und dass Präsident Russell M. Nelson sein Prophet ist.

Zu dieser freudevollen Osterzeit gebe ich Ihnen von Herzen meinen Segen. Öffnen Sie Ihr Herz unserem Erretter und Erlöser, und Sie können trotz aller Umstände, Prüfungen, Leiden oder Fehler wissen, dass er lebt, dass er Sie liebt und dass Sie niemals allein sein werden.

Gott ist mitten unter uns.

Dafür gebe ich Zeugnis im Namen Jesu Christi. Amen.