Generalkonferenz
Hoffnung in Christus
Frühjahrs-Generalkonferenz 2021


Hoffnung in Christus

Wir möchten von ganzem Herzen all denen helfen, die sich einsam oder nicht zugehörig fühlen, wobei ich mich insbesondere an diejenigen wenden möchte, die derzeit alleinstehend sind

Brüder und Schwestern, in dieser Osterzeit richten wir den Blick auf die herrliche Auferstehung unseres Herrn und Erretters, Jesus Christus. Wir denken an seine liebevolle Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.

Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele.

Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“1

Dieser Ruf des Erretters, zu ihm zu kommen, ist eine Einladung an alle, nicht nur zu ihm zu kommen, sondern auch zu seiner Kirche zu gehören.

In dem Vers, der dieser liebevollen Einladung vorausgeht, erklärte Jesus, dass man dies erreicht, indem man danach strebt, ihm nachzufolgen. Er sagte: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“2

Jesus möchte, dass wir wissen, dass Gott ein liebevoller himmlischer Vater ist.

Zu wissen, dass wir von unserem Vater im Himmel geliebt werden, hilft uns erkennen, wer wir sind und dass wir zu seiner großen ewigen Familie gehören.

In einem Artikel der Mayo-Klinik hieß es kürzlich: „Das Gefühl der Zugehörigkeit ist immens wichtig. … Nahezu jeder Bereich unseres Lebens baut darauf auf, dass wir irgendwo dazugehören.“ In dem Bericht heißt es weiter: „Wir können die Bedeutung dieses Zugehörigkeitsgefühls nicht von unserer körperlichen und seelischen Gesundheit trennen.“3 Und ich würde hier auch noch unsere geistige Gesundheit ergänzen.

Am Abend vor seinem Leiden in Getsemani und seinem Tod am Kreuz traf sich der Erretter mit seinen Jüngern zum Abschiedsmahl. Er sagte zu ihnen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“4 Noch vor Sonnenuntergang des folgenden Tages hatte Jesus Christus „für unsere Sünden“5 gelitten und war am Kreuz gestorben.

Ich frage mich, wie einsam sich die treuen Frauen und Männer, die ihm folgten, in Jerusalem gefühlt haben müssen, als die Sonne unterging und Dunkelheit und Angst sie umfingen.6

Wie jene Jünger vor fast 2000 Jahren fühlen sich wahrscheinlich auch viele von Ihnen von Zeit zu Zeit einsam. Ich habe diese Einsamkeit erlebt, seit meine liebe Frau Barbara vor über zweieinhalb Jahren gestorben ist. Ich kenne das Gefühl, von Angehörigen, Freunden und Mitstreitern umgeben zu sein und mich dennoch einsam zu fühlen – weil die Liebe meines Lebens nicht mehr an meiner Seite ist.

Die Coronapandemie hat bei vielen dieses Gefühl der Isolation und Einsamkeit noch verstärkt. Doch trotz der Herausforderungen, denen wir im Leben begegnen, können wir, wie es an jenem ersten Ostermorgen war, zu einem neuen Leben in Christus erwachen – mit neuen, wunderbaren Möglichkeiten und einer neuen Wirklichkeit –, wenn wir uns dem Herrn zuwenden, um Hoffnung und Zugehörigkeit zu empfinden.

Ich kann den Schmerz derer nachempfinden, die sich nirgendwo zugehörig fühlen. Wenn ich mir die Nachrichten aus aller Welt anschaue, entdecke ich viele, die offenbar eine solche Einsamkeit erleben. Ich denke, es liegt bei vielen daran, dass sie vielleicht nicht wissen, dass sie vom Vater im Himmel geliebt werden und dass wir alle zu seiner ewigen Familie gehören. Der Glaube, dass Gott uns liebt und dass wir seine Kinder sind, ist tröstlich und beruhigend.

Weil wir Gottes Geistkinder sind, ist jeder von uns göttlichen Ursprungs und hat ein göttliches Wesen und göttliches Potenzial. Jeder von uns ist „ein geliebter Geistsohn oder eine geliebte Geisttochter himmlischer Eltern“7. Das ist unsere Identität! Das sind wir wirklich!

Wenn wir erkennen, wie vielfältig unsere irdische Identität ist – einschließlich unserer ethnischen, kulturellen oder nationalen Herkunft –, ist das eine Bereicherung unserer geistigen Identität.

Dieses Bewusstsein unserer geistigen und kulturellen Identität sowie das Gefühl, geliebt zu werden und dazuzugehören, können Hoffnung und die Liebe zu Jesus Christus in uns wecken.

Ich spreche von der Hoffnung in Christus nicht als Wunschdenken. Vielmehr meine ich mit Hoffnung die Erwartung, dass etwas Wirklichkeit wird. Eine solche Hoffnung ist entscheidend, um Widrigkeiten zu überwinden, geistige Widerstandsfähigkeit und Kraft zu nähren und zu erkennen, dass wir von unserem ewigen Vater geliebt werden und seine Kinder sind, die zu seiner Familie gehören.

Wenn wir Hoffnung in Christus haben, erkennen wir, dass unsere sehnlichsten Wünsche und Träume durch ihn erfüllt werden können, wenn wir heilige Bündnisse schließen und halten.

Das Kollegium der Zwölf Apostel hat sich aus dem Verlangen heraus, zu verstehen, wie man all denen helfen kann, die sich einsam oder nicht zugehörig fühlen, im Geist des Gebets beraten. Es liegt uns sehr am Herzen, denjenigen zu helfen, die sich so fühlen. Insbesondere möchte ich mich an diejenigen wenden, die derzeit alleinstehend sind.

Brüder und Schwestern, mehr als die Hälfte der Erwachsenen in der Kirche sind verwitwet, geschieden oder haben noch nicht geheiratet. Manche fragen sich, welche Möglichkeiten sie überhaupt haben und was ihr Platz in Gottes Plan und in der Kirche ist. Wir sollten wissen, dass das ewige Leben nicht einfach eine Frage des derzeitigen Familienstandes ist. Vielmehr geht es um die Nachfolge Jesu und darum, ob man „im Zeugnis von Jesus … tapfer“8 ist. Die Hoffnung all derer, die alleinstehend sind, ist die gleiche wie die aller Mitglieder der wiederhergestellten Kirche des Herrn: Zugang zur Gnade Christi, „indem sie die Gesetze und Verordnungen des Evangeliums beachten“9.

Ich glaube, wir müssen hier einige wichtige Grundsätze verstehen.

Erstens bestätigen die heiligen Schriften und die neuzeitlichen Propheten, dass jeder, der treu die Bündnisse des Evangeliums hält, die Erhöhung erlangen kann. Präsident Russell M. Nelson hat gesagt: „Den glaubenstreuen Heiligen [werden] keinerlei Segnungen vorenthalten[;] sie erlangen sie auf die Weise des Herrn und nach seinem Zeitplan. Der Herr wird jeden Menschen richten und belohnen, und zwar sowohl gemäß den Wünschen seines Herzens als auch nach seinen Taten.“10

Zweitens sind der genaue Zeitpunkt und die Art und Weise, wie die Segnungen der Erhöhung gewährt werden, nicht vollständig offenbart worden, und doch werden uns diese Segnungen zugesichert.11 Präsident Dallin H. Oaks hat erklärt, dass manche Umstände „des Erdenlebens im Millennium ausgeglichen werden. Dann nämlich wird alles in Erfüllung gehen, was im großen Plan des Glücklichseins für alle würdigen Kinder unseres Vaters noch unvollständig ist.“12

Das bedeutet nicht, dass jede Segnung bis zum Millennium aufgeschoben wird; einige wurden bereits empfangen und andere werden noch empfangen bis hin zu jenem Tag.13

Drittens bedeutet auf den Herrn zu warten beständigen Gehorsam und geistige Weiterentwicklung hin zu ihm. Auf den Herrn zu warten heißt nicht, einfach die Zeit verstreichen zu lassen. Man sollte nie das Gefühl haben, in einem Wartezimmer zu sitzen.

Auf den Herrn warten schließt handeln nicht aus. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass unsere Hoffnung in Christus wächst, wenn wir anderen dienen. So zu dienen, wie Jesus gedient hat, steigert auf ganz natürliche Weise unsere Hoffnung in ihn.

Das persönliche Wachstum, das man jetzt erreichen kann, während man auf den Herrn und seine Verheißungen wartet, ist ein unschätzbarer, heiliger Aspekt seines Plans für einen jeden von uns. Die Beiträge, die man jetzt leisten kann, um beim Aufbau der Kirche auf der Erde und bei der Sammlung Israels mitzuhelfen, werden dringend benötigt. Der Familienstand hat nichts mit der Fähigkeit zu tun, mit anzupacken. Der Herr ehrt diejenigen, die ihm mit Geduld und Glauben dienen und auf ihn harren.14

Viertens bietet Gott allen seinen Kindern das ewige Leben an. Alle, die die Gabe der Umkehr in Anspruch nehmen, die der Erretter uns großzügig gewährt, und gemäß seinen Geboten leben, werden das ewige Leben empfangen, auch wenn sie im Erdenleben nicht alle damit verbundenen Merkmale und Idealzustände erreichen. Wer umkehrt, macht die Erfahrung, wie bereitwillig der Herr vergibt. Er hat uns zugesichert: „Ja, und sooft mein Volk umkehrt, werde ich ihm seine Verfehlungen gegen mich vergeben.“15

Letzten Endes sind die Fähigkeiten und Wünsche eines Menschen und welche Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten er hatte – einschließlich der Voraussetzung für ewige Segnungen –, etwas, was nur der Herr beurteilen kann.

Fünftens ist unser Vertrauen in diese Zusicherungen in unserem Glauben an Jesus Christus verwurzelt, durch dessen Gnade alles, was das Erdenleben betrifft, in Ordnung gebracht werden wird.16 Alle verheißenen Segnungen werden durch ihn ermöglicht, der durch sein Sühnopfer „hinabgefahren ist unter alles“17 und „die Welt besiegt“18 hat. Er hat „sich zur rechten Hand Gottes hingesetzt …, um vom Vater seine Rechte der Barmherzigkeit zu beanspruchen, die er auf die Menschenkinder hat[;] darum tritt er für die Sache der Menschenkinder ein“19. Am Ende werden „die Heiligen … von seiner Herrlichkeit erfüllt werden und ihr Erbteil empfangen“20 als „Miterben Christi“21.

Unser Wunsch ist es, dass diese Grundsätze allen helfen mögen, mehr Hoffnung in Christus zu haben und sich zugehörig zu fühlen.

Vergessen Sie nie, dass Sie ein Kind Gottes, unseres ewigen Vaters, sind, jetzt und für immer. Er liebt Sie, und die Kirche braucht Sie und will Sie dabeihaben. Ja, wir brauchen Sie! Wir brauchen Ihre Stimme, Ihre Talente, Ihre Fähigkeiten, Ihre Güte und Ihre Rechtschaffenheit.

Viele Jahre lang haben wir von „jungen Alleinstehenden“, „Alleinstehenden“ und „Erwachsenen“ gesprochen. Solche Bezeichnungen mögen verwaltungstechnisch manchmal hilfreich sein, aber sie können unbeabsichtigt unsere Wahrnehmung verändern.

Ist es vielleicht möglich, dieser menschliche Neigung zu entgehen, die uns voneinander trennen kann?

Präsident Nelson bat darum, dass wir uns als Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bezeichnen. Damit sind doch wohl wir alle gemeint, oder?

Das Evangelium Jesu Christi hat die Kraft, uns zu vereinen. Letzten Endes gibt es zwischen uns mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Als Mitglieder der Familie Gottes sind wir wahrhaftig Brüder und Schwestern. Paulus hat gesagt: „[Gott] hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne.“22

An Sie, die Pfahlpräsidenten, Bischöfe, Führer und Führerinnen von Kollegien und Organisationen, richte ich die Bitte, jedes Mitglied Ihres Pfahls, Ihrer Gemeinde, Ihres Kollegiums oder Ihrer Organisation als Mitglied zu betrachten, das einen Beitrag leisten, in Berufungen dienen und sich auf vielfältige Weise einbringen kann.

Jedes Mitglied in unseren Kollegien, Organisationen, Gemeinden und Pfählen hat gottgegebene Gaben und Talente, die dazu beitragen können, jetzt sein Reich aufzubauen.

Rufen wir unsere Mitglieder, die alleinstehend sind, auf, in der Kirche zu dienen, andere aufzurichten und zu unterrichten. Legen Sie alte Ansichten und Vorstellungen ab, die manchmal ungewollt dazu beitragen, dass alleinstehende Mitglieder sich einsam und nicht zugehörig fühlen und das Gefühl haben, sie könnten in der Kirche nicht mitarbeiten.

Ich gebe an diesem Osterwochenende Zeugnis für unseren Erretter Jesus Christus und die ewige Hoffnung, die er mir und allen, die an seinen Namen glauben, schenkt. Und ich gebe dieses Zeugnis demütig in seinem heiligen Namen, ja, im Namen Jesu Christi. Amen.

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