Generalkonferenz
Schmuck anstelle von Asche – der heilende Weg der Vergebung
Herbst-Generalkonferenz 2022


10:7

Schmuck anstelle von Asche – der heilende Weg der Vergebung

So zu leben, dass man Schmuck gibt anstelle der Asche des Lebens, ist ein Ausdruck von Glauben, der sich am Erretter ausrichtet

Im Buch 1 Samuel findet sich die weniger bekannte Geschichte von David, dem zukünftigen König Israels, und einer Frau namens Abigajil.

Nach Samuels Tod verließen David und seine Männer König Saul, da dieser David nach dem Leben trachtete. Sie beschützten und kümmerten sich um die Herden und die Hirten eines wohlhabenden Mannes namens Nabal, der jedoch bösartig war. David sandte zehn seiner Männer aus, um Nabal zu grüßen und ihn um dringend benötigte Nahrung und Vorräte zu bitten.

Nabal reagierte auf die Bitte von Davids Männern mit Beleidigungen und schickte sie mit leeren Händen fort.

David fühlte sich angegriffen und wappnete seine Männer, um gegen Nabal und seinen Haushalt zu ziehen. Er sprach: „Er hat mir Gutes mit Bösem vergolten.“1 Ein Diener erzählte Nabals Frau Abigajil, wie schlecht ihr Mann Davids Männer behandelt hatte. Abigajil sammelte eilig die benötigten Nahrungsmittel und Vorräte und machte sich auf, um zu vermitteln.

Als Abigajil auf David traf, „stieg sie schnell von ihrem Esel, warf sich vor David nieder und verneigte sich bis zur Erde.

Sie fiel ihm zu Füßen und sagte: Mich allein, Herr, trifft die Schuld. Möge deine Magd mit dir reden dürfen; höre, was deine Magd zu sagen hat. …

Nun … hat dich der Herr davor bewahrt, Blutschuld auf dich zu laden und dir selbst zu helfen. …

Dieses Geschenk aber, das deine Magd meinem Herrn mitgebracht hat, möge jetzt den jungen Leuten gegeben werden, die meinem Herrn folgen.

Verzeih deiner Magd ihr Vergehen! …

Da sagte David zu Abigajil: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, der dich mir heute entgegengeschickt hat.

Gepriesen sei deine Klugheit, und gepriesen seist du, weil du mich heute daran gehindert hast, Blutschuld auf mich zu laden und mir selbst zu helfen. …

Und David nahm von ihr entgegen, was sie ihm gebracht hatte, und sagte zu ihr: Geh in Frieden hinauf in dein Haus! … Ich habe auf dich gehört und dich gnädig aufgenommen.“2

Sie gingen friedlich auseinander.

In diesem Bericht kann Abigajil als machtvolles Beispiel oder Symbol für Jesus Christus gesehen werden.3 Durch sein Sühnopfer kann er uns von der Sünde und Last eines zornerfüllten Herzens befreien und uns mit der nötigen Stärkung versorgen.4

So wie Abigajil gewillt war, Nabals Sünde auf sich zu nehmen, hat der Erretter – auf unbegreifliche Weise – unsere Sünden und die Sünden derer, die uns verletzt oder beleidigt haben, auf sich genommen.5 In Getsemani und am Kreuz forderte er diese Sünden ein. Er bereitete einen Weg, uns von einem rachsüchtigen Herzen freizumachen. Dieser „Weg“ bedeutet Vergeben – das kann mit das Schwierigste sein, was wir je tun, und mit das Göttlichste, was wir je erfahren. Auf dem Weg der Vergebung kann die sühnende Macht Jesu Christi in unser Leben strömen und beginnen, die tiefen Risse in Herz und Seele zu heilen.

Präsident Russell M. Nelson hat darauf hingewiesen, dass der Erretter uns befähigen kann, zu vergeben:

„Durch sein unbegrenztes Sühnopfer können Sie denen vergeben, von denen Sie verletzt wurden und die für die Unmenschlichkeit Ihnen gegenüber möglicherweise nie die Verantwortung übernehmen werden.

Meist fällt es uns leicht, zu vergeben, wenn uns jemand aufrichtig und demütig um Verzeihung bittet. Doch der Erretter kann Sie dazu befähigen, jedem, der Sie in irgendeiner Weise schlecht behandelt hat, zu vergeben. Dann kann das verletzende Verhalten eines anderen Ihnen nicht länger die Seele vergiften.“6

Abigajil brachte eine Fülle an Nahrungsmitteln und Vorräten. Ihr Beispiel lehrt uns, dass der Erretter den Gekränkten und Verletzten die Stärkung und Hilfe anbietet, die sie benötigen, um geheilt zu werden.7 Wir müssen mit den Folgen des Verhaltens anderer nicht alleine fertigwerden. Auch wir können Heilung erfahren und erhalten die Chance, von der Last eines zornerfüllten Herzens erlöst zu werden sowie von jeglichem Verhalten, das sich daraus ergibt.

Der Herr hat gesagt: „Ich, der Herr, vergebe, wem ich vergeben will, aber von euch wird verlangt, dass ihr allen Menschen vergebt.“8 Der Herr verlangt zu unserem eigenen Nutzen, dass wir vergeben.9 Aber er verlangt von uns nicht, dies ohne seine Hilfe, seine Liebe und sein Verständnis zu tun. Durch unsere Bündnisse mit dem Herrn kann ein jeder von uns die stärkende Macht, Führung und Hilfe empfangen, die wir benötigen, um sowohl zu vergeben als auch Vergebung zu erlangen.

Bitte seien Sie sich bewusst: Jemandem zu vergeben bedeutet nicht, dass man in einem Umfeld bleibt, in dem man weiterhin verletzt wird. „Wir können darauf hinarbeiten, jemandem zu vergeben, und uns dennoch vom Heiligen Geist dazu angehalten fühlen, uns von dem Betreffenden fernzuhalten.“10

So wie Abigajil David vor Groll im Herzen und einem schlechten Gewissen bewahrte11 und ihm die benötigte Hilfe zukommen ließ, wird der Erretter Ihnen helfen. Er liebt Sie und er kommt Ihnen „mit Heilung in seinen Flügeln“12 entgegen. Er wünscht sich, dass Sie Frieden finden.

Ich selbst habe das Wunder erlebt, dass Christus mein zornerfülltes Herz geheilt hat. Mit dem Einverständnis meines Vaters darf ich erzählen, dass ich in einem Zuhause aufwuchs, in dem ich mich aufgrund emotionaler und verbaler Misshandlung nicht immer sicher fühlte. Als Jugendliche und junge Erwachsene grollte ich meinem Vater und trug wegen dieser Verletzungen Wut im Herzen.

Im Laufe der Jahre und durch meine Bemühungen, auf dem Weg der Vergebung Frieden und Heilung zu finden, wurde mir eindringlich bewusst, dass derselbe Sohn Gottes, der für meine Sünden gesühnt hat, auch der Erlöser ist, der diejenigen errettet, die mich so tief verletzt haben. Ich konnte nicht wirklich an die erste Wahrheit glauben, ohne auch an die zweite zu glauben.

In dem Maße, wie meine Liebe zum Erretter gewachsen ist, ist auch mein Wunsch gewachsen, Schmerz und Wut durch seinen heilenden Balsam zu ersetzen. Es hat viele Jahre lang gedauert und erforderte Mut, Verletzlichkeit und Ausdauer. Ich musste lernen, auf die göttliche Macht des Heilands zu vertrauen, zu erretten und zu heilen. Ich habe immer noch Arbeit vor mir, aber mein Herz befindet sich nicht mehr auf dem Kriegspfad. Mir wurde „ein neues Herz“ gegeben13 – eines, das die tiefe und beständige Liebe eines persönlichen Erretters verspürt hat, der an meiner Seite blieb, der mich sanft und geduldig an einen besseren Ort führte, der mit mir weinte, der meinen Kummer kannte.

Der Herr schickte mir ausgleichende Segnungen, so wie Abigajil David das brachte, was er benötigte. Er gab mir Mentoren an die Seite. Und was von allem am tröstlichsten war und am meisten zu einem Wandel beitrug, war und ist meine Beziehung zu meinem Vater im Himmel. Durch ihn habe ich dankbar die sanfte, beschützende und leitende Liebe eines vollkommenen Vaters erfahren.

Elder Richard G. Scott hat gesagt: „Sie können nicht auslöschen, was geschehen ist, aber Sie können vergeben.14 Vergebungsbereitschaft heilt auch schreckliche, tragische Wunden, denn sie lässt zu, dass die Liebe Gottes Sie in Herz und Sinn vom Gift des Hasses reinigt. Sie reinigt Ihr Bewusstsein von dem Verlangen nach Rache. Sie schafft Platz für die reinigende, heilende Liebe des Herrn.“15

Auch mein irdischer Vater hat in den letzten Jahren eine wundersame Herzenswandlung erfahren und hat sich dem Herrn zugewandt – etwas, womit ich nie gerechnet hätte. Für mich ist das ein weiteres Zeugnis für die vollkommene Macht Jesu Christi, die alles zu wandeln vermag.

Ich weiß, dass der Herr in der Lage ist, den Sünder zu heilen und auch diejenigen, gegen die gesündigt wurde. Er ist der Erretter und der Erlöser der Welt, der sein Leben niedergelegt hat, damit wir wieder leben können. Er hat gesagt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich die heile, die gebrochenen Herzens sind; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“16

Allen, die gebrochenen Herzens, gefangen, zerschunden und vielleicht durch Verletzungen oder Sünde geblendet sind, bietet er Heilung, Genesung und Befreiung an. Ich bezeuge, dass die Heilung und die Genesung, die er uns anbietet, real sind. Wann die Heilung eintritt, ist bei jedem verschieden, und wir dürfen deswegen niemanden verurteilen. Es ist wichtig, uns die nötige Zeit zum Heilen zuzugestehen und uns selbst gegenüber dabei freundlich gesinnt zu sein. Der Erretter ist stets barmherzig und aufmerksam und steht immer bereit, uns den nötigen Beistand zu geben.17

Auf dem Weg der Vergebung und Heilung liegt die Entscheidung, ungesunde Verhaltensmuster oder Beziehungen in unserer Familie oder anderswo nicht fortzusetzen. Wir können allen in unserem Einflussbereich Güte anstelle von Grausamkeit anbieten, Liebe anstelle von Hass, Sanftheit anstelle von Schroffheit, Sicherheit anstelle von Bedrängnis und Frieden anstelle von Streit.

Das zu geben, was einem selbst verwehrt blieb, ist ein mächtiger Bestandteil göttlicher Heilung, ermöglicht durch den Glauben an Jesus Christus. So zu leben, dass man, wie Jesaja es ausdrückt, Schmuck gibt anstelle der Asche des Lebens,18 ist ein Ausdruck von Glauben, der sich am erhabenen Beispiel eines Erretters ausrichtet, der alles erlitt, um allen beistehen zu können.

Josef aus Ägypten führte ein Leben voll von Asche. Er wurde von seinen Brüdern gehasst, verraten, in die Sklaverei verkauft, er landete zu Unrecht im Gefängnis und wurde von jemandem vergessen, der versprochen hatte, ihm zu helfen. Aber er vertraute auf den Herrn. „Der Herr war mit Josef“19 und weihte ihm seine Prüfungen zu seinem Segen und Wachstum – und zur Rettung seiner Familie und ganz Ägyptens.

Als Josef als Herrscher in Ägypten seinen Brüdern begegnete, zeigten sich seine Vergebung und geläuterte Sichtweise in seinen gnädigen Worten:

„Jetzt aber schmerze es euch nicht und es brenne nicht in euren Augen, weil ihr mich hierher verkauft habt. Denn um Leben zu erhalten, hat mich Gott vor euch hergeschickt. …

Also nicht ihr habt mich hierhergeschickt, sondern Gott.“20

Durch den Erretter trat in Josefs Leben „Schmuck anstelle von Asche“21.

Kevin J Worthen, Präsident der BYU, hat gesagt: Gott „kann nicht nur aus unseren Erfolgen Gutes bewirken, sondern auch aus unserem Scheitern und dem Scheitern anderer, das uns Schmerz bereitet. So gut und so mächtig ist Gott.“22

Ich bezeuge, dass das größte Beispiel an Liebe und Vergebung das unseres Erretters, Jesus Christus, ist, der in bitterer Pein ausrief: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“23

Gewiss wünscht sich unser Vater im Himmel, dass jedes seiner Kinder Güte und Hoffnung erfährt. In Jeremia lesen wir: „Denn ich, ich kenne die Gedanken, die ich für euch denke – Spruch des Herrn –, Gedanken des Heils.“24

Jesus Christus ist Ihr persönlicher Messias, Ihr liebevoller Erlöser und Erretter, der das Flehen Ihres Herzens kennt. Er wünscht sich, dass Sie Heilung erfahren und glücklich sind. Er liebt Sie. Er weint mit Ihnen in Ihrem Kummer und er hat Freude daran, Sie zu heilen. Mögen wir uns ein Herz fassen und seine liebende Hand ergreifen, die uns stets entgegengestreckt ist,25 während wir den heilenden Weg der Vergebung beschreiten. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.