Generalkonferenz
O Jugend mit dem edlen Erstgeburtsrecht
Herbst-Generalkonferenz 2024


12:33

O Jugend mit dem edlen Erstgeburtsrecht

Gott vertraut euch, den Kindern des Bundes, an, bei seinem Werk mitzuhelfen, alle seine Kinder sicher zu ihm nach Hause zu bringen

Elder Stevenson, dies ist eine unvergessliche Konferenz.

Ein Buch, das in unserer Familie immer gerne gelesen wurde, hieß Children’s Letters to God (Briefe von Kindern an Gott). Hier ein paar Auszüge:

„Lieber Gott, statt die Leute sterben zu lassen und immer wieder neue zu machen, kannst du nicht einfach die behalten, die du schon hast?“

„Wie kann es sein, dass es bei dir nur zehn Regeln gibt, aber in unserer Schule Millionen?“

„Warum haben wir Mandeln im Hals, wenn sie dann doch gleich wieder raus müssen?“

Heute reicht leider die Zeit nicht, um all diese Fragen zu beantworten, aber ich höre von jungen Leuten oft eine andere Frage, auf die ich gerne eingehen möchte. Von Ulan-Bator in der Mongolei bis nach Thomas in Idaho lautet sie immer gleich: „Warum? Warum müssen Heilige der Letzten Tage ganz anders leben als andere Menschen?“

Ich weiß, dass es schwierig ist, anders zu sein – besonders, wenn man jung ist und so gerne von anderen gemocht werden will. Jeder will dazugehören, und dieser Wunsch nimmt in der heutigen digitalen Welt mit all den sozialen Medien und dem Cybermobbing ungesunde Ausmaße an.

Unter diesem Druck stellt sich die Frage: Warum leben Heilige der Letzten Tage wirklich ganz anders? Darauf gibt es viele gute Antworten: Weil ihr Kinder Gottes seid. Weil ihr für die letzten Tage aufbewahrt wurdet. Weil ihr Nachfolger Jesu Christi seid.

Aber durch diese Antworten hebt ihr euch nicht immer ab. Jeder ist ein Kind Gottes. Jeder, der gerade auf der Erde ist, wurde in den letzten Tagen hierher gesandt. Und doch lebt nicht jeder nach dem Wort der Weisheit oder dem Gesetz der Keuschheit, so wie ihr es gerne möchtet. Es gibt viele wackere Nachfolger Christi, die kein Mitglied dieser Kirche sind. Sie gehen aber nicht auf Mission und vollziehen auch im Haus des Herrn keine heiligen Handlungen für ihre Vorfahren, so wie ihr. Es muss mehr dahinterstecken – und so ist es auch.

Heute möchte ich vor allem über einen weiteren Grund sprechen, der mir in meinem Leben viel bedeutet hat. 1988 hielt ein junger Apostel namens Russell M. Nelson eine Rede an der Brigham-Young-Universität mit dem Titel: „Thanks for the Covenant“ (Danke für das Bündnis). Darin erklärte Elder Nelson: „Wenn wir unsere sittliche Entscheidungsfreiheit ausüben, um Bündnisse mit Gott zu schließen und zu halten, werden wir zu Erben des immerwährenden Bundes, den Gott mit unseren Vorfahren in jeder Evangeliumszeit gemacht hat. Anders ausgedrückt: Wir werden zu ‚Kindern des Bundes‘“. Dadurch heben wir uns ab. Dadurch haben wir Zugang zu denselben Segnungen, die unsere Vorväter und Vormütter empfangen haben, einschließlich eines Erstgeburtsrechts.

Erstgeburtsrecht! Ihr habt das Wort vielleicht schon einmal gehört. Es kommt sogar in einem Kirchenlied vor: „O Jugend mit dem edlen Erstgeburtsrecht, geh voran, geh voran!“ Es ist ein faszinierendes Wort. Aber was bedeutet es?

Wenn zur Zeit des Alten Testaments ein Vater verstarb, fiel dem Sohn, der das Erstgeburtsrecht innehatte, die Aufgabe zu, für seine Mutter und seine Schwestern zu sorgen. Seine Brüder erhielten ihren Erbteil und zogen los, in der Welt ihr Glück zu suchen, doch der Sohn mit dem Erstgeburtsrecht ging nirgendwo hin. Er heiratete und gründete seine eigene Familie, aber blieb bis ans Ende seiner Tage dabei, die Nachlassangelegenheiten seines Vaters zu regeln. Weil er eine größere Verantwortung trug, erhielt er auch einen größeren Erbteil. War es zu viel verlangt, dass er andere führen und sich um sie kümmern musste? Nicht, wenn man bedenkt, dass er einen größeren Erbteil erhielt.

Heute reden wir aber nicht über die Reihenfolge der Geburt in der irdischen Familie oder die Geschlechterrollen im Alten Testament. Wir reden über den Erbteil, den ihr als Miterben Christi empfangt, weil ihr euch dafür entschieden habt, mit ihm und dem Vater im Himmel eine Bündnisbeziehung einzugehen. Verlangt Gott zu viel von euch, wenn ihr anders lebt als seine übrigen Kinder, damit ihr sie besser führen und ihnen dienen könnt? Nicht, wenn man bedenkt, was für Segnungen ihr erhalten habt – zeitliche wie auch geistige.

Bedeutet euer Erstgeburtsrecht, dass ihr besser seid als andere? Nein, aber es bedeutet, dass man von euch erwartet, anderen zu helfen, besser zu sein. Bedeutet euer Erstgeburtsrecht, dass ihr auserwählt seid? Ja, aber nicht dazu auserwählt, über andere zu herrschen; ihr seid auserwählt, ihnen zu dienen. Ist euer Erstgeburtsrecht ein Beweis für Gottes Liebe? Ja, aber viel wichtiger ist: Es ist ein Beweis für sein Vertrauen.

Es ist eine Sache, geliebt zu werden, und eine völlig andere, vollstes Vertrauen zu genießen. In dem Wegweiser Für eine starke Jugend heißt es: „Der Vater im Himmel vertraut dir. Er hat dir große Segnungen geschenkt, darunter die Fülle des Evangeliums und heilige Handlungen und Bündnisse, die dich an ihn binden und seine Macht in dein Leben bringen. Mit diesen Segnungen geht zusätzliche Verantwortung einher. Er weiß, dass du in der Welt Gutes bewirken kannst, und das erfordert in vielen Fällen, dass du dich von der Welt unterscheidest.“

Unsere Erfahrung auf der Erde kann man mit einem Kreuzfahrtschiff vergleichen, auf das Gott alle seine Kinder bei ihrer Reise von einem Ufer zum anderen geschickt hat. Die Reise bietet jede Menge Gelegenheiten, zu lernen, zu wachsen, glücklich zu sein und Fortschritt zu machen. Sie ist aber auch voller Gefahren. Gott liebt alle seine Kinder und macht sich Sorgen um ihr Wohlergehen. Er will keines von ihnen verlieren und lädt darum alle, die willens sind, ein, Teil der Besatzung zu werden. Das seid ihr! Weil ihr euch entschieden habt, Bündnisse einzugehen und zu halten, bietet er euch sein Vertrauen an. Er vertraut darauf, dass ihr anders seid, außergewöhnlich, und euch abhebt, weil er euch eine wichtige Arbeit anvertraut.

Stellt euch das mal vor! Unter all den Menschen auf der Erde vertraut Gott euch, den Kindern des Bundes – seinen Besatzungsmitgliedern – an, bei seinem Werk mitzuhelfen, alle seine Kinder sicher zu ihm nach Hause zu bringen. Kein Wunder, dass Präsident Brigham Young einmal gesagt hat: „Alle Engel im Himmel schauen auf diese kleine Handvoll Menschen.“

Wenn ihr euch auf diesem Kreuzfahrtschiff namens Erde umschaut, erblickt ihr vielleicht andere Leute, die in einem Klubsessel sitzen und trinken, im Casino ihr Geld verspielen, allzu freizügige Kleidung tragen, endlos auf ihrem Handy herumscrollen und viel zu viel Zeit mit Computerspielen vergeuden. Statt euch aber zu fragen: „Warum kann ich das nicht?“, könnt ihr daran denken, dass ihr keine gewöhnlichen Passagiere seid. Ihr seid Teil der Besatzung. Ihr habt Aufgaben, die Passagiere nicht haben. Schwester Ardeth Kapp hat einmal gesagt: „Man kann kein Rettungsschwimmer sein, wenn man genauso aussieht wie alle anderen am Strand.“

Und bevor ihr wegen all der Zusatzpflichten den Kopf hängen lasst, denkt bitte daran, dass Besatzungsmitglieder etwas bekommen, was den übrigen Passagieren nicht zusteht: eine Vergütung. Elder Neil L. Andersen hat gesagt: „Die Rechtschaffenen [werden] zum Ausgleich vermehrt mit geistiger Macht ausgestattet“, darunter auch „mehr Zuversicht, mehr Gewissheit und mehr Vertrauen.“ Wie schon Abraham in alter Zeit empfangt auch ihr mehr Glück und Frieden, mehr Rechtschaffenheit und mehr Erkenntnis. Eure Vergütung ist nicht bloß eine Wohnung im Himmel und goldgepflasterte Straßen. Es wäre dem himmlischen Vater ein Leichtes, euch einfach alles zu geben, was er hat. Er möchte euch aber helfen, alles zu werden, was er ist. Gewiss wird euch durch eure Verpflichtungen mehr abverlangt, denn so macht Gott eben mehr aus euch.

Es ist „viel verlangt, aber ihr seid ja nicht irgendwer“! Ihr gehört zur Jugend mit dem edlen Erstgeburtsrecht. Eure Bündnisbeziehung zu Gott und Jesus Christus ist eine, die auf Liebe und Vertrauen beruht und in der ihr in größerem Maße Zugang zu ihrer göttlichen Gnade habt – zu ihrer Unterstützung, zur Kraft, mit der sie uns ausstatten, und zu ihrer helfenden Macht. Diese Macht ist nicht einfach nur Wunschdenken, ein Glücksbringer oder eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie ist echt.

Wenn ihr die Pflichten aus eurem Erstgeburtsrecht erfüllt, seid ihr niemals allein. Der Herr des Weingartens arbeitet mit euch. Ihr arbeitet Hand in Hand mit Jesus Christus. Mit jedem neuen Bündnis – und je mehr sich eure Beziehung zu ihm vertieft – fasst ihr euch immer enger bei der Hand, bis eure Hände fest verschränkt sind. In diesem heiligen Symbol seiner Gnade findet ihr sowohl den Wunsch als auch die Kraft, genau so zu leben, wie der Erretter gelebt hat – anders als die Welt. Das ist euch möglich, weil Jesus Christus euch zur Hand geht!

In 2 Nephi 2:6 steht: „Darum kommt die Erlösung im heiligen Messias und durch ihn; denn er ist voller Gnade und Wahrheit.“ Weil er voller Gnade und Wahrheit ist, sieht er euch, wie ihr wirklich seid – mit allen Fehlern, Schwächen und Selbstvorwürfen. Weil er voller Gnade und Wahrheit ist, sieht er euch, wie ihr wirklich sein könnt. Er fängt euch da auf, wo ihr gerade steht, und hilft euch, umzukehren, besser zu werden, Widerstände zu überwinden und euch zu entfalten.

„O Jugend mit dem edlen Erstgeburtsrecht, geh voran, geh voran!“ Ich bezeuge euch, dass ihr geliebt werdet und dass man euch vertraut – heute, in 20 Jahren und für immer. Gebt euer Erstgeburtsrecht nicht für ein Linsengericht her. Tauscht nicht alles gegen nichts ein. Lasst nicht zu, dass die Welt euch verändert, wenn ihr doch dazu geboren seid, die Welt zu verändern. Im Namen Jesu Christi. Amen.