2002
Nur Noch Einmal
Mai 2002


Nur Noch Einmal

Die Geschichte beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit.

Die Antwort muss sich in diesem Raum befinden. Vielleicht habe ich eine geheime Stelle übersehen, dachte Jackson.

„Wie buchstabiert man Kiwi, Jackson?“

„Wie bitte, Frau Grouder?“

„Kiwi. Wie buchstabiert man das Wort? Wir sprechen seit zehn Minuten über das Diktat. Wo bist du mit deinen Gedanken?“

„Er ist damit beschäftigt, die Prinzessin von Mendoza zu retten“, flüsterte Chester, der hinter Jackson saß.

Jackson merkte, wie sein Gesicht rot wurde. Er hatte keine Ahnung, wie man Kiwi schreibt.

Frau Grouder seufzte, als sie Jackson das Diktat zurückgab. Er hatte fast alle Wörter falsch geschrieben.

Auf dem Heimweg zerknüllte Jackson das Blatt mit dem Diktat und stopfte es ganz unten in seinem Rucksack. Chester lief ihm nach. „Willst du mit zu mir kommen und Fußball spielen?“

„Nein“, antwortete Jackson. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wie ich die Prinzessin retten kann. Willst du mitkommen und zuschauen?“

„Dasitzen und zuschauen, wie du spielst?“, fragte Chester. „Nein, danke! Scheinbar denkst du in letzter Zeit nur noch an Computerspiele.“ Chester ging um die Ecke zu seinem Haus.

Zu Hause schaltete Jackson den Computer ein und begann mit dem Spiel. Ich spiele nur einmal, dachte er, und dann mache ich meine Hausaufgaben.

Zwei Stunden später rief seine Mutter: „Jackson, komm essen. Wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir den Anfang vom Film.“

„Ich komme, Mendoza – äh, Mama.“ Wenn ich doch nur an diesem Wächter vorbeikäme, dachte er. Seine Hand bewegte den Joystick schnell hin und her. Zu spät. Die Figur auf dem Bildschirm fiel um. Das ist nicht fair! Ich spiele es nur noch einmal. Ich weiß, dass ich es schaffen kann.

Plötzlich war es im Haus ganz still. Jackson griff nach seiner Jacke und rannte zur Haustür. Seine Familie war losgegangen. Auf dem Tisch lag ein Zettel: „Wir sind ins Kino gegangen. Schade, dass du nicht mitgekommen bist. Wir kommen um 20.00 Uhr zurück. Ruf Opa an, wenn du etwas brauchst.“

Daran ist nur der Wächter schuld!, dachte Jackson, als er wütend in sein Zimmer stapfte. Auf dem Bett lagen seine Hausaufgaben, die er noch nicht fertig hatte. Daneben lagen seine heiligen Schriften. Er hatte die ganze Woche nicht darin gelesen. Und dort lag der Leitfaden für den Familienabend. Nächsten Montag war er mit der Lektion an der Reihe. Aber er hatte keine Lust, heute Abend etwas davon zu erledigen.

Zum Glück ist heute Freitag, dachte Jackson, als er zum Computer zurückging. Das mache ich alles morgen.

Aber am nächsten Tag schaffte er es nicht – und am Tag darauf auch nicht. Es dauerte nicht lange, bis Klavierklänge Jackson von seinem erneuten Versuch, das Abenteuer zu bestehen, ablenkten. Seine Schwester spielte das Anfangslied für den Familienabend.

Familienabend! Er wollte die Lektion doch am Sonntag vorbereiten, aber da war er noch näher daran gewesen, das Abenteuer zu bestehen, als jemals zuvor. Jetzt war es zu spät, etwas vorzubereiten.

Jackson griff nach seinen heiligen Schriften und rannte zum Familienabend. Er würde es schon irgendwie schaffen. Schließlich lasen sie oft eine Schriftstelle und sprachen so lange darüber, dass sie gar nicht mehr zur Lektion kamen. Er wollte dafür sorgen, dass es heute Abend auch so war.

„Und hilf uns, das, was wir lernen, auch anzuwenden“, sagte sein kleiner Bruder am Ende des Anfangsgebets.

Jackson schlug seine heiligen Schriften an der Stelle auf, wo er zuletzt gelesen hatte. „Vati, könntest du bitte eine Schriftstelle vorlesen?“, fragte er. „Wie wär’s mit Ether 12:27?“

Sein Vater las: „Und wenn Menschen zu mir kommen, so zeige ich ihnen ihre Schwäche. Ich gebe den Menschen Schwäche, damit sie demütig seien; und meine Gnade ist ausreichend für alle Menschen, die sich vor mir demütigen; denn wenn sie sich vor mir demütigen und Glauben an mich haben, dann werde ich Schwaches für sie stark werden lassen.“

„Was denkt ihr, was das bedeutet?“ fragte Jackson.

„Naja“, meinte sein Vater nachdenklich, „ich glaube, es bedeutet, dass wir Schwächen haben, damit sie uns helfen, demütig zu sein. Wenn wir unsere Schwächen eingestehen und den Vater im Himmel um Hilfe bitten, sie zu überwinden, werden sie zu einer Stärke.“

Mutti meldete sich. „Meine Schwäche waren Seifenopern. An manchen Tagen tat ich nichts und sah nur diese Sendungen an. Der Fernseher zog mich an wie ein Magnet. Erst als ich mir eingestand, dass ich ein Problem hatte, konnte ich eine Lösung finden.“ Dann erzählte sie, wie sie gebetet und den Vater im Himmel gebeten hatte, ihr zu helfen, diese Sendungen nicht mehr anzusehen.

Jackson rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Das lief überhaupt nicht so, wie er es gerne wollte. Er begann, darüber nachzudenken, wie viel Zeit er mit Computerspielen verbrachte.

„Als ich im Süßigkeitenladen arbeitete“, erzählte seine ältere Schwester, „kaufte ich für mein Gehalt Süßigkeiten. Ich betete darüber und beschloss dann, für jeden Tag festzulegen, wie viele Süßigkeiten ich essen wollte. Wenn ich mich daran hielt, belohnte ich mich, indem ich das Geld, das ich sonst für Süßigkeiten ausgegeben hätte, für eine neue Jeans sparte. Manchmal schaffte ich es nicht, aber nach und nach aß ich weniger Süßigkeiten.“

Jackson dankte allen für ihre Beteiligung und gab sein Zeugnis, dass wir zwar alle Schwächen haben, sie jedoch mit der Hilfe des himmlischen Vaters überwinden können. Diese Schwächen können sogar zu unseren Stärken werden.

Nach dem Schlussgebet wollte Jackson den Computer einschalten. Vielleicht half ihm ein Computerspiel, die zunehmende Unruhe zu vergessen, die er in sich spürte.

Aber er konnte dieses Gefühl nicht ignorieren. Hatte er tatsächlich ein Problem mit Computerspielen? Er verbrachte nicht mehr viel Zeit mit Chester und seinen anderen Freunden. Zum ersten Mal hatte er eine schlechte Note im Diktat bekommen. Er hatte die ganze Woche nicht in den heiligen Schriften gelesen. Und er war nicht mit seiner Familie ins Kino gegangen. Er wusste, dass es an der Zeit war, die Lektion von diesem Abend auf sich zu beziehen.

Jackson wandte sich vom Computer ab und ging in sein Zimmer. Er ließ sich auf sein Bett fallen und schlug in seinen heiligen Schriften Ether auf. Die Prinzessin von Mendoza musste warten. Jetzt musste er lesen und nachdenken.