Klassiker Des Evangeliums
Klassiker des Evangeliums: Die Schlüssel des Reiches
Wilford Woodruff kam am 1. März 1807 als Sohn von Aphek und Beulah Woodruff in Connecticut zur Welt. Er wurde am 31. Dezember 1833 von Zera Pulsipher, einem der ersten Missionare der Kirche, in einem vereisten Bach in der Nähe von Richland im US-Bundesstaat New York getauft. Am 26. April 1839 wurde er von Brigham Young zum Apostel ordiniert und am 7. April 1889 wurde er Präsident der Kirche. Präsident Woodruff starb am 2. September 1898 in San Francisco. Es folgt ein Auszug aus einer Ansprache, die er am 2. Juni 1889 bei einer Konferenz der GFV gehalten hat.
Ehe diese Konferenz zu Ende geht, möchte ich noch von einem Zeugnis geben. … Ich bin … der einzige noch lebende Mensch, der dabei war …, als Joseph Smith, der Prophet Gottes, den Zwölf Aposteln ihre Aufgabe im Priestertum und die Schlüssel des Reiches Gottes übertrug. Und da ich selbst bald, wie andere auch, von dieser Welt gehen werde, möchte ich vor dieser Gruppe von Heiligen der Letzten Tage Zeugnis ablegen.
Die Nachricht vom Märtyrertod
Brigham Young und ich saßen gerade am Bahnhof in Boston, als die beiden Propheten [Joseph Smith und sein Bruder Hyrum] ermordet wurden. Damals gab es natürlich keine Telegraphen oder Depeschen, mit denen man ja heutzutage über große Entfernungen kommunizieren kann. Brigham Young wartete auf einen Zug nach Peterborough. Als wir da saßen, erfasste uns plötzlich ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, wie ich es sonst nie verspürt habe. … Weder Brigham noch ich konnten uns einen Reim darauf machen, bis wir vom Tod der Propheten erfuhren. Bruder Brigham ließ mich in Boston zurück und ich machte mich am nächsten Tag auf den Weg zu den Fox Islands, wo ich einige Jahre zuvor schon einmal gewesen war und viele Menschen getauft und einige Zweige gegründet hatte. Mein Schwiegervater, Ezra Carter, brachte mich in einem Wagen von Scarborough nach Portland, wo ich an Bord eines Dampfschiffes ging. Ich hatte mein Gepäck bereits an Bord gebracht und verabschiedete mich gerade von meinem Schwiegervater, als ein Mann mit einer Zeitung in der Hand aus einem Schuhmacherladen gelaufen kam. Er rief: „Vater Carter, Joseph und Hyrum Smith sind tot – sie wurden im Gefängnis von Carthage ermordet!“
Ich warf einen Blick auf die Zeitung und der Geist bestätigte mir, dass es stimmte. Mir blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn das Schiff gab das Signal zur Abfahrt. Ich sprang an Bord, um mein Gepäck wieder an Land zu holen. Ich konnte es gerade noch greifen, bevor die Planke eingezogen wurde. Ich bat meinen Schwiegervater, mich zurück nach Scarborough zu bringen. Von dort nahm ich den Zug nach Boston. …
Am nächsten Tag lief ich gegenüber dem Haus von Schwester Voce Brigham Young über den Weg, der gerade nach Boston zurückgekommen war. Wir begrüßten uns mit Handschlag, doch keiner brachte ein Wort heraus. Wir gingen in Schwester Voces Haus, wo wir uns hinsetzten und das Gesicht [in den Händen vergruben]. Wir waren von Trauer überwältigt und unsere Gesichter waren bald tränenüberströmt. … Nachdem wir uns ausgeweint hatten, begannen wir uns über den Tod der Propheten zu unterhalten. Im Laufe des Gesprächs schlug Brigham sich auf den Oberschenkel und sagte: „Danken wir Gott, dass die Schlüssel des Reiches hier sind!“ …
Die letzte Zusammenkunft
Alles, was Präsident Young oder ich oder sonst ein Mitglied des Kollegiums hätte tun müssen, war, an die Anweisungen zurückzudenken, die uns der Prophet Joseph Smith bei unserer letzten Zusammenkunft vor unserem Aufbruch auf Mission gegeben hatte. Ich habe oft von dieser Versammlung gesprochen.
Ich bin mir mittlerweile sicher, dass der Prophet Joseph eine deutliche Vorahnung hatte, dass dies unsere letzte Zusammenkunft in dieser Welt sein würde. Wir hatten das Endowment empfangen und alle Segnungen, die je ein Prophet oder Apostel auf der Erde bekommen hatte, waren auf unser Haupt gesiegelt worden. Bei dieser Zusammenkunft also erhob sich der Prophet und sagte zu uns: „Brüder, ich wünschte, ich könnte die Fertigstellung dieses Tempels erleben. Ich werde den fertigen Tempel nie sehen, aber ihr. Ich habe auf euer Haupt alle Schlüssel des Reiches Gottes gesiegelt. Ich habe auf euch alle Schlüssel, Mächte und Grundsätze gesiegelt, die der Gott des Himmels mir offenbart hat. Das Reich ruht nun auf euren Schultern, wo auch immer ich hingehe oder was auch immer ich tue.“
Wundern Sie sich nicht, weshalb wir, die Apostel, nicht erkannten, dass der Prophet Gottes bald aus unserer Mitte hinweggenommen werden sollte? Wir erkannten es einfach nicht. Die Apostel zur Zeit Jesu Christi wussten nicht, was der Erretter meinte, als er zu ihnen sagte: „[Ich gehe fort.] Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen.“ [Johannes 16:7.] Gleichermaßen wussten auch wir nicht, was Joseph meinte. „Doch nun“, fuhr der Prophet fort, „ihr Apostel des Lammes Gottes, meine Brüder, auf deren Schultern dieses Reich ruht: Ihr müsst die Schultern straffen und das Reich vorantragen.“ Und er fügte noch diesen seltsamen Nachsatz hinzu: „Wenn ihr dies nicht tut, werdet ihr verdammt.“
Ich bin der letzte Überlebende, der diese Worte noch gehört hat. Was er sagte, stimmt – stünde nicht jeder Mann, der die Schlüssel des Reiches und das Apostelamt dieser Kirche innehatte, unter Schuldspruch und wäre dem Zorn Gottes ausgeliefert, hätte er sich von diesen Grundsätzen abgewandt oder sie verleugnet und sich selbst verherrlicht, anstatt das Werk des Herrn zu tun, das ihm aufgetragen war?
Die Schlüssel sind hier
Als der Herr die Schlüssel des Reiches Gottes – die Schlüssel des Melchisedekischen Priestertums und des Apostelamts – übertrug und sie auf das Haupt von Joseph Smith siegelte, verhieß er, dass sie bis zum Kommen des Menschensohns auf der Erde verbleiben werden. Brigham Young sagte also mit Recht, dass die Schlüssel des Reiches Gottes hier sind. Er selbst hatte sie bis zu seinem Tod inne. Dann gingen sie auf einen anderen Mann über – nämlich Präsident John Taylor. Er besaß sie bis zur Stunde seines Todes. Dann fielen sie entsprechend der Reihenfolge, oder durch die Vorhersehung Gottes, Wilford Woodruff zu.
Ich sage den Heiligen der Letzten Tage, die Schlüssel des Reiches Gottes sind hier und werden bei uns verbleiben, bis der Menschensohn kommt. Das ganze Haus Israel muss sich dessen bewusst sein. Sie werden vielleicht nur eine kurze Zeit in meinem Besitz sein, ehe sie auf einen anderen Apostel übergehen, und nach ihm wieder auf einen anderen und immer so weiter, bis der Herr Jesus Christus in den Wolken des Himmels erscheint und „jedermann gemäß seinen Taten im Fleisch entlohnt“ [siehe History of the Church , 1:245]. …
Wir sind in der Hand des Herrn
Ich sage heute dem ganzen Haus Israel und der ganzen Welt, dass der Gott Israels, der diese Kirche und dieses Reich gegründet hat, nie einen Präsidenten oder eine Präsidentschaft einsetzt, die es in die Irre führen. Horche auf, o Haus Israel – kein Mensch, der je auf dieser Erde lebt, kann die Schlüssel des Reiches Gottes tragen und dann das Volk in die Irre führen. …
Nehmen wir uns fest vor, Gott zu dienen und zu ehren. Macht euch wegen des Reiches keine Sorgen; der Herr steht an seiner Spitze, und falls Bruder Woodruff oder sonst jemand von der Präsidentschaft der Kirche einen falschen Weg einschlagen, wird der Herr ihn von seinem Platz entfernen. Wir sind in der Hand des Herrn; und jene Schlüssel befinden sich in der Obhut des Gottes Israels – bis der Herr kommt, dessen Recht es ist, zu herrschen.