Botschaft Von Der Ersten Präsidentschaft
Eine Krone der Herrlichkeit erlangen
Das Leben stellt jeden von uns vor Herausforderungen, die an uns wie Dornen, Stacheln, Splitter oder ein Kranz aus Dornen nagen. Unser Erretter litt, als er eine Dornenkrone trug. Dennoch bietet uns das Leben auch viel Schönes und Angenehmes – und eine Krone der Herrlichkeit.
Ich wünschte, ich könnte besser verstehen, warum Gott uns so viele schmerzliche Prüfungen erleiden lässt. Lehi hat uns einen Grund dafür genannt: Wir sollen das Gute und Schöne auf der Welt schätzen und genießen lernen.1 Adam wurde gesagt, dass der Ackerboden um unsertwillen mit Dornen und Disteln verflucht sei.2 Gleichermaßen ist das Erdenleben mit den Dornen weltlicher Versuchung und den Splittern der Sünde „verflucht“, damit wir geprüft werden und uns bewähren können. Dies ist für unseren ewigen Fortschritt notwendig. Der Apostel Paulus hat gesagt: „Damit ich mich … nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen.“3
Wenn wir uns unsere Sünden, unsere Selbstsucht und unsere Schwächen nicht eingestehen, so ist das wie eine Dornenkrone, die uns davon abhält, in der Entwicklung unserer Persönlichkeit auch nur einen Schritt voranzukommen. Wenn wir leugnen, Sünder zu sein, wie können wir da Vergebung empfangen? Wie soll das Sühnopfer Jesu für uns wirksam werden, wenn wir nicht Umkehr üben? Wenn wir die Splitter der Sünde und die Dornen fleischlicher Versuchung nicht sofort entfernen, wie soll der Herr uns da seelisch heilen? Der Erretter fordert uns auf, von unseren Sünden umzukehren und uns zu bekehren, damit er uns heilen kann.4
Es fällt uns sehr schwer, für diejenigen zu beten, die uns hassen, misshandeln oder verfolgen. Wenn wir diesen entscheidenden Schritt aber nicht schaffen, können wir auch den schmerzenden Stachel nicht aus unserer Seele entfernen. Wenn wir unserer Frau oder unserem Mann, unseren Kindern und allen, mit denen wir Umgang pflegen, ihre vermeintlichen Schwächen vergeben und ihnen Liebe und Verständnis entgegenbringen, fällt es uns viel leichter zu sagen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“5
Wie vorsichtig wir uns auch durchs Leben bewegen mögen – wir werden nicht von Dornen, Stacheln und Disteln verschont bleiben. Wenn ich als kleiner Junge Sommerferien hatte und wir auf die Farm fuhren, wurden als Erstes die Schuhe ausgezogen. Die ersten ein, zwei Wochen, als unsere Fußsohlen noch weich waren, taten uns auch das glatteste Steinchen oder der kleinste Stock weh. Aber im Laufe der Zeit wurden unsere Sohlen so rau, dass es kaum etwas gab, was uns durch die Haut drang, abgesehen einmal von den Disteln, die überall zu lauern schienen. So ist das auch mit dem Leben: Wenn wir Fortschritt machen und reifer werden und dem Herrn nahe bleiben, dem man ja eine Dornenkrone aufs Haupt gesetzt hat, finden wir immer mehr innere Kraft und können schwierige Situationen bewältigen. Unsere Entschlossenheit wird fester und unsere Willenskraft und unsere Selbstdisziplin nehmen so zu, dass wir vor der Schlechtigkeit der Welt geschützt sind. Und diese Schlechtigkeit ist so allgegenwärtig, dass wir uns immer die Wege suchen müssen, wo es die wenigsten Disteln irdischer Versuchung gibt.
Als wir noch Kinder waren, hat es uns immer großen Spaß gemacht, Pusteblumen zu schütteln und zuzusehen, wie die Samen im Wind davonflogen. Erst später wurde uns bewusst, welche Folgen das für unseren Garten und die Nachbargärten hatte. Vielen von uns macht es Spaß, mit der Versuchung zu kokettieren, und erst später wird uns klar, dass wir selbst den Samen für unser Unglück gelegt haben und dass sich unser Verhalten auch auf unsere Mitmenschen ausgewirkt hat.
Das Gewissen als Schutzmechanismus
Es gibt einen Schutzmechanismus, der uns zwischen Gut und Böse unterscheiden hilft, nämlich unser Gewissen. Damit reagiert der Geist ganz natürlich auf den Schmerz, den die Sünde auslöst, so wie der Körper mit Schmerzen auf eine Wunde reagiert, selbst wenn sie nur ein kleiner Splitter verursacht hat. Je mehr wir auf unser Gewissen hören, desto empfindlicher wird es. Paulus schrieb an die Hebräer: „Feste Speise aber ist für Erwachsene, deren Sinne durch Gewöhnung geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden.“6 Ein empfindliches Gewissen ist ein Zeichen für einen gesunden Geist.
Wie lassen sich die Dornen und Splitter entfernen, die das Leben uns beibringt? Die Kraft, diese Dornen bei uns und bei anderen zu entfernen, muss von uns ausgehen. Moroni schreibt, dass die Gnade Christi ausreichend für uns ist, wenn wir auf alles verzichten, was ungöttlich ist.7
Zu oft suchen wir nach dem Verband, der unsere Schuld verdeckt, anstatt den Dorn zu entfernen, der die Schmerzen verursacht. Wir scheuen uns vor dem kurzen Schmerz beim Entfernen eines Splitters, auch wenn wir damit den länger anhaltenden Schmerz einer schwärenden Wunde vermeiden könnten. Jeder weiß, dass ein Dorn oder ein Stachel oder ein Splitter, der nicht entfernt wird, eine schwärende Wunde verursacht, die unmöglich heilen kann.
Einer meiner Angehörigen hatte vor einigen Jahren einen bemerkenswerten Hund namens Ben. An einem schönen Herbsttag machten wir einen Spaziergang durch die Felder. Ben lief vor uns her, schnüffelte am Boden, wedelte mit dem Schwanz und hatte offensichtlich großen Spaß. Nach einer Weile kam er auf sein Herrchen zugehumpelt und hielt mit gequältem Blick eine Vorderpfote hoch. Zwischen zwei Zehen steckte ein Dorn. Der Dorn wurde vorsichtig herausgezogen und Ben machte sich wieder davon, ohne zu humpeln oder Schmerzen zu leiden. Ich war erstaunt, dass Ben instinktiv zu wissen schien, dass der Dorn herausmusste, damit der Schmerz aufhörte, und wer den Dorn entfernen konnte. So wie Ben scheinen auch wir instinktiv den Wunsch zu haben, uns von den Dornen der Sünde, die uns zu schaffen machen, zu befreien. Aber anders als Ben suchen wir nicht immer sofort Hilfe bei unserem Herrn; ja viele wissen noch nicht einmal, wer ihr Herr ist.
Das Geschenk unseres Erretters
Als Jesus gegeißelt wurde, geschah das auch mit Dornen:
„Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters, und versammelten die ganze Kohorte um ihn.
Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um.
Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil dir, König der Juden!
Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit auf den Kopf.“8
Dieses grausame Verhalten war vielleicht eine Persiflage auf die Krönung eines Kaisers mit dem Lorbeerkranz. Jesus nahm den Schmerz, den der Kranz aus Dornen verursachte, hin, weil dies zu dem großen Geschenk, das er versprochen hatte, gehörte. Dies ist umso bewegender, wenn man bedenkt, dass die Dornen das Zeichen dafür waren, dass Gott den Erdboden um Adams Willen verfluchte. Doch indem er den Kranz trug, machte Jesus die Dornen zu einem Symbol seiner Herrlichkeit. Emily Dickinson hat ein Gedicht darüber geschrieben:
Ein Kranz, den niemand will –
nur der Höchste von allen
begehrte ihn allein
und machte ihn zur Königskrone.9
Der Erretter weiß „gemäß dem Fleische“ ganz genau, was wir leiden müssen. Es gibt keine Schwäche, mit der er nicht vertraut ist. Als er litt, wurde er mit allen Dornen, Splittern und Disteln gepeinigt, die uns bedrängen können:
„Und er wird hingehen und Schmerzen und Bedrängnisse und Versuchungen jeder Art leiden; und dies, damit sich das Wort erfülle, das da sagt, er werde die Schmerzen und die Krankheiten seines Volkes auf sich nehmen.
Und er wird den Tod auf sich nehmen, auf dass er die Bande des Todes löse, die sein Volk binden; und er wird ihre Schwächen auf sich nehmen, auf dass sein Inneres von Barmherzigkeit erfüllt sei gemäß dem Fleische, damit er gemäß dem Fleische wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwächen.“10
Alle Splitter im Fleisch und in der Seele müssen entfernt werden, noch ehe sich Eiter bilden kann. Doch auch wenn sie bereits Eiter und starke Schmerzen verursacht haben, können sie noch entfernt werden und die Heilung kann einsetzen. Es ist nicht leicht, die Dornen des Stolzes, die Disteln der Selbstsucht, die Splitter des Egoismus und die Stacheln der fleischlichen Begierden zu entfernen. Doch wenn die Entzündung abgeklungen ist, lässt auch der Schmerz nach. Diesen Vorgang bezeichnet man als Umkehr. Umkehr und Vergebung gehören zu den kostbarsten Ergebnissen des Sühnopfers.
Im brasilianischen Roselandia, unweit der Metropole São Paulo, gibt es viele Felder mit wunderschönen Rosen. Wenn man auf einem kleinen Hügel steht, von dem man auf die Rosenfelder hinabschauen kann, kann man sich an dem Duft und der Schönheit der Blumen erfreuen. Die Rosensträucher haben Dornen, doch das beeinträchtigt weder ihren Anblick noch ihren Duft. Ich möchte Sie auffordern: Betrachten Sie alle Dornen, Splitter und Disteln, die Ihnen zu schaffen machen, aus dem richtigen Blickwinkel. Wir müssen mit ihnen zurechtkommen, uns dann aber wieder auf die Blüten konzentrieren. Wir dürfen uns nicht an den Dornen aufhalten; freuen wir uns am Duft und an der Schönheit der Rose oder der Kaktusblüte. Um aber in den Genuss des süßen Blütendufts zu kommen, müssen wir ein rechtschaffenes und diszipliniertes Leben führen, in den heiligen Schriften forschen, beten, die richtigen Prioritäten setzen und uns die richtige Einstellung aneignen. Die Mitglieder der Kirche können ihren Blick im Tempel schärfen. Wir alle werden sicher hin und wieder mit Dornen zu kämpfen haben, aber diese Dornen fallen neben dem Duft und der herrlichen Schönheit der Blüten nicht weiter ins Gewicht. Hat der Erretter nicht gesagt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen?“11
Ihm nachfolgen
Der britische Schriftsteller Thomas Carlyle hat einmal gesagt: „Jeder edle Kranz, der je auf der Erde verliehen wird, ist ein Kranz aus Dornen.“12 Das lateinische Sprichwort Sic transit gloria mundi bedeutet: „So vergeht der Ruhm der Welt.“ Irdischer Lohn kann eine große Versuchung sein. Denjenigen aber, die treu sind und sich dem Dienen verschrieben haben, ist verheißen, dass sie „mit Ehre und Herrlichkeit und Unsterblichkeit und ewigem Leben gekrönt werden“.13 Demnach können gesellschaftliche Ehrungen oder Prüfungen dem nichts anhaben, der treu ist. Paulus hat von einem „unvergänglichen Siegeskranz“14 gesprochen und Jakobus hat gesagt, die Glaubenstreuen würden den „Kranz des Lebens“15 erhalten.
Meiner Meinung nach handelt es sich bei irdischen Kronen wie Macht, Liebe zum Geld, Konzentration auf Materielles und gesellschaftliche Ehrungen eigentlich um Dornenkränze, weil es hier nämlich um das Empfangen und nicht um das Geben geht. Die Selbstsucht kann aus dem, was wir für eine edle Krone halten, einen Kranz aus Dornen machen, den wir unmöglich ertragen können.
Jesus Christus hat uns alle aufgefordert: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“16 Ist es nicht an der Zeit, dass wir den Rat des Erretters befolgen und uns verleugnen, uns unterwerfen und uns beherrschen, anstatt immer das zu tun, was unsere egoistischen Wünsche befriedigt? Es kommt nicht so sehr darauf an, was wir tun können, sondern darauf, was Gott durch uns tun kann. Paulus hat gesagt: „Wer sich nun … rein hält, gleicht einem Gefäß für Reines; er ist geheiligt, für den Herrn brauchbar, zu jedem guten Werk tauglich.“17
Unser Kreuz auf uns zu nehmen und dem Erretter nachzufolgen, geht immer mit der Verpflichtung zum Dienen einher. Als ich noch studiert habe, war ich sehr arm. Ich arbeitete viele Stunden in einer Konservenfabrik, wo ich für 25 Cent die Stunde glühend heiße Dosen auffing. Ich begriff, dass Selbstsucht mehr mit unserer Einstellung zu unserem Besitz zu tun hat als damit, wie groß er ist. Ein armer Mann kann selbstsüchtig sein und ein reicher Mann großzügig, aber wer einzig darauf aus ist, Besitz anzuhäufen, wird nur schwerlich zu Gott finden. Ich habe gelernt, dass jedes Recht mit einer Pflicht einhergeht – meistens mit der Verpflichtung zu dienen, zu geben und Gutes zu tun. Gott kann uns jedes Recht nehmen, wenn wir es nicht so ausüben, wie es seinem allmächtigen Willen entspricht. Nur wenn wir das beherzigen und glaubenstreu und engagiert dienen, geben und Gutes tun, können wir die Krone der Herrlichkeit erlangen, von der die ersten Apostel gesprochen haben. Und nur dann bekommt unser Leben wirklich einen Sinn, und wir können sowohl Ehre als auch Spott gelassen hinnehmen.
Ich schließe mit den Worten Ezechiels: „Du aber, Menschensohn, … [hab keine Angst] …, wenn dich auch Dornen umgeben und du auf Skorpionen sitzt.“18 Mögen wir in unserer sich ständig wandelnden Welt immer an dem festhalten, was sich nicht ändert: am Gebet, am Glauben, an den errettenden Bündnissen, an der Liebe im Kreis der Familie und an der Verbundenheit mit dem Nächsten. Wenn wir die Splitter der Sünde und die Dornen weltlicher Versuchung aus unserem Fleisch entfernen, uns selbst verleugnen, unser Kreuz auf uns nehmen und dem Erretter nachfolgen, können wir unseren Kranz aus Dornen in eine Krone der Herrlichkeit verwandeln. Als demütiger Diener des Herrn, der dazu berufen ist, sein besonderer Zeuge zu sein, bezeuge ich, dass er lebt. Aus tiefstem Herzen bezeuge ich, dass wir in seinem heiligen Werk arbeiten und dass wir, wenn wir treu sind, mit Ehre, Herrlichkeit und ewigem Leben gekrönt werden können.
Für Die Heimlehrer
Bereiten Sie sich gebeterfüllt vor und tragen Sie diese Botschaft anhand einer Unterrichtsmethode vor, bei der Ihre Zuhörer einbezogen werden. Dazu ein paar Beispiele:
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Lesen Sie die Geschichte über den Hund Ben vor. Bitten Sie die Familie, im Stillen darüber nachzudenken, ob sie den Herrn darum bitten müssen, Dornen zu entfernen, die sie sich zugezogen haben.
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Lesen Sie den vierten Absatz vor. Fordern Sie die Familie auf, sich Gedanken zu machen, ob es jemanden gibt, dem sie vergeben müssen, ehe sie um Barmherzigkeit bitten können.
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Lesen Sie den vorletzten Absatz vor. Lassen Sie die Familie Beispiele nennen, wie sie sich schon verpflichtet haben, im Reich Gottes zu dienen. Wie erfüllen sie diese Aufgaben?
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Lesen Sie den letzten Absatz vor. Fragen Sie, wie man einen Kranz aus Dornen in eine Krone der Herrlichkeit verwandeln kann. Wie hat der Erretter dies getan?