2006
Das Ende von Anfang an vor Augen haben
Mai 2006


Das Ende von Anfang an vor Augen haben

Wenn ihr dem Herrn vertraut und ihm folgt, wird er euch helfen, das großartige Potenzial zu verwirklichen, das er in euch sieht.

Meine lieben Brüder, es ist wunderbar und stimmt mich demütig, heute Abend in dieser weltweiten Versammlung von Priestertumsträgern bei Ihnen und bei euch zu sein. Ich betrachte es als eine Ehre, zu Ihnen zu zählen. Ich grüße Sie, die Sie die Vollmacht haben, im Namen Gottes zu handeln und die heiligen Handlungen zu vollziehen, die ein lebenswichtiger Kraftquell für die Ewigkeit und das Wohl der ganzen Menschheit sind.

Heute spreche ich zu euch, den außergewöhnlichen jungen Männern des Aaronischen und Melchisedekischen Priestertums, die ihr euch bereitmacht, die Welt zum Besseren zu verändern. Ihr tragt das Priestertum Gottes – eine wunderbare Macht, mit der ihr Gutes bewirken könnt. Ihr lebt in einer Zeit großer Herausforderungen und Möglichkeiten. Als Geistsöhnen himmlischer Eltern steht es euch frei, euch richtig zu entscheiden. Dazu gehört harte Arbeit, Selbstdisziplin, aber auch ein optimistischer Blick in die Zukunft. Das wird euch Freude und Sicherheit in euer Leben bringen, sowohl jetzt als auch in der Zukunft.

Der Herr sagte zu Abraham: „Mein Name ist Jehova, und ich weiß das Ende von Anfang an; darum wird meine Hand über dir sein.“1 Wenn ihr ihm vertraut und ihm folgt, wird er euch helfen, das großartige Potenzial zu verwirklichen, das er in euch sieht.

Doch lasst mich zuerst ein Erlebnis aus meiner Kindheit erzählen. Als ich elf Jahre alt war, musste meine Familie über Nacht Ostdeutschland verlassen und sich im Westen eine neue Existenz aufbauen. Bis mein Vater in seinen angestammten Beruf als Zollbeamter zurückkehren konnte, betrieben meine Eltern eine kleine Wäscherei in Bergen-Enkheim, wo wir wohnten. Ich wurde der Laufbursche dieser Wäscherei. Um dieser Aufgabe gut nachzukommen, brauchte ich ein Fahrrad, mit dem ich die schwere Wäschekarre zog. Ich hatte mir schon immer ein schickes, schnittiges, funkelndes rotes Sportfahrrad gewünscht. Aber wir hatten nie genug Geld, um mir diesen Traum zu erfüllen. Stattdessen bekam ich nun ein schweres, hässliches, schwarzes, robustes Arbeitstier von einem Rad, mit dem ich die schwere Wäschekarre ziehen konnte. Mit diesem Fahrrad lieferte ich einige Jahre lang vor und nach der Schule Wäsche aus. Die meiste Zeit bereiteten mir das Rad, die Karre und meine Arbeit kein allzu großes Vergnügen. Manchmal kam mir die Karre so schwer und die Arbeit so ermüdend vor, dass ich anhalten und nach Luft schnappen musste, weil ich dachte, mir platzt gleich die Lunge. Ich erfüllte meine Aufgabe aber trotzdem, weil ich wusste, dass die Familie dringend ein Einkommen brauchte und ich so dazu beitragen konnte.

Wenn ich damals nur schon gewusst hätte, was ich erst viele Jahre später erfahren sollte – wenn ich das Ende von Anfang an vor Augen gehabt hätte – wäre ich für diese Erfahrungen dankbarer gewesen, und meine Arbeit wäre mir bestimmt viel leichter gefallen.

Viele Jahre später, als meine Einberufung zur Bundeswehr bevorstand, meldete ich mich freiwillig zur Luftwaffe, um Pilot zu werden. Der Fliegerei galt meine große Liebe, und so schien mir Pilot genau das Richtige zu sein.

Um angenommen zu werden, musste ich eine Reihe Tests über mich ergehen lassen, und so wurde auch mein Gesundheitszustand eingehend untersucht. Die Ärzte waren ziemlich verwundert, als sie die Befunde bewerteten, und führten noch mehr Tests durch. Schließlich erklärten Sie mir: „Sie haben Narben an der Lunge, die auf eine Erkrankung im frühen Teenageralter hinweisen, aber offenbar sind Sie jetzt gesund.“ Die Ärzte fragten mich, welche Behandlung ich wohl bekommen hatte, dass die Lunge wieder heil war. Bis zum Tage der Untersuchung hatte ich keine Ahnung gehabt, dass ich überhaupt an der Lunge erkrankt gewesen war. Da wurde mir plötzlich klar, dass meine regelmäßige körperliche Betätigung an der frischen Luft als Wäschereijunge entscheidend zur Heilung der Krankheit beigetragen hatte. Hätte ich damals nicht tagein, tagaus mit dem schweren Fahrrad die Wäschekarre die Straßen in unserem Wohnort hinauf- und hinunterziehen müssen, wäre es mir vielleicht nie gelungen, einmal Kampfpilot und später Kapitän einer 747 zu werden.

Nicht immer wissen wir genau, was die Zukunft für uns bereithält. Wir wissen nicht, was vor uns liegt. Wir leben in ungewissen Zeiten. Von allen Seiten stellen sich uns Herausforderungen. Gelegentlich macht sich im Alltag sogar Entmutigung breit; Enttäuschung mag sich unserer Gedanken bemächtigen, Zweifel am Wert unserer Arbeit aufkommen. In solch finsteren Augenblicken flüstert uns der Satan ins Ohr, dass wir es niemals schaffen werden, dass der Lohn die Mühe nicht wert ist und dass das Wenige, was wir leisten können, niemals etwas ändern kann. Als der Vater aller Lügen wird er zu verhindern suchen, dass wir von Anfang an das Ende vor Augen haben.

Zum Glück werdet ihr jungen Priestertumsträger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage von Propheten, Sehern und Offenbarern unserer Zeit unterwiesen. Die Erste Präsidentschaft hat gesagt: „Wir setzen großes Vertrauen in euch. Ihr seid auserwählte Geistkinder … Ihr habt eure Reise durch das Erdenleben gerade erst angetreten. Euer Vater im Himmel möchte, dass euer Leben glücklich wird, und er möchte euch in seine Gegenwart zurückführen. Die Entscheidungen, die ihr jetzt trefft, haben große Auswirkungen auf den Verlauf eures Lebens hier und in der Ewigkeit.“2 „Es ist [eure] Aufgabe zu erkennen, was der himmlische Vater von [euch] erwartet, und seinen Willen dann so gut [ihr könnt] zu befolgen.“3

Solch ein prophetischer Blickwinkel führt euch das Ende von Anfang an vor Augen.

Der Herr liebt euch, deshalb hat er euch Gebote und die Worte der Propheten gegeben, die euch auf eurer Reise durch das Leben leiten sollen. Einige der wichtigsten Richtlinien für euer Leben findet ihr in der Broschüre Für eine starke Jugend. So, wie dieses kleine Büchlein aussieht, könnte man gut das Wort aus den heiligen Schriften darauf beziehen, dass aus „etwas Kleinem … das Große“ hervorgeht.4 Die Broschüre selbst hat nur einen geringen Materialwert, es sind vielleicht nur ein paar Cents. Sie ist aber von unschätzbarem Wert und ein Segen für euch, wenn ihr euch mit den Lehren und Grundsätzen beschäftigt, die darin stehen, und sie annehmt. Falls ihr 18 Jahre oder älter seid und keine Broschüre mehr habt, besorgt euch eine, behaltet sie und benutzt sie. Dieses kleine Büchlein ist ein Kleinod für jede Altersgruppe und hat die Maßstäbe zum Inhalt, die uns als heilige Symbole unserer Mitgliedschaft gelten.

Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die Broschüre Für eine starke Jugend, die dazugehörige Anleitung für Eltern und Jugendführer und der Tempelschein der Kirche allesamt als Symbol auf der Vorderseite ein Bild vom Salt-Lake-Tempel aufweisen. Der Tempel ist das Bindeglied zwischen den Generationen – in diesem Leben und in der Ewigkeit. Alle Tempel sind demselben Zweck geweiht worden, nämlich dazu beizutragen, dass das Werk und die Herrlichkeit Gottes, unseres ewigen Vaters, verwirklicht wird, „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“.5 Die Tempel sind heilige Gebäude, in denen Fragen von ewiger Bedeutung beantwortet, Wahrheiten gelehrt und heilige Handlungen vollzogen werden, damit wir in Kenntnis unseres göttlichen Erbes als Kinder Gottes und im Bewusstsein unseres Potenzials als ewige Wesen leben können. Die Tempel helfen euch, das Ende von Anfang an vor Augen zu haben.

So, wie euch der Tempel Gottes heilig ist, so ist es auch mit dem Körper. Der Apostel Paulus hat gesagt: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst, denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib.“6

Liebe Priestertumsträger jeden Alters und an allen Orten der Erde, lassen Sie uns unsere Gedanken, unsere Intelligenz, unser Herz und unseren Körper in einer würde- und achtungsvollen Weise nutzen, die eines heiligen Tempels, der uns von unserem himmlischen Vater gegeben wurde, würdig ist.

Die Propheten unserer Tage haben euch, meine jungen Freunde, versprochen, dass ihr in der Lage sein werdet, euer Lebenswerk mit größerer Weisheit und größeren Fähigkeiten zu vollenden und Prüfungen mit größerem Mut zu bestehen, wenn ihr euch an die Maßstäbe aus der Broschüre Für eine starke Jugend haltet und nach der Wahrheit aus den heiligen Schriften lebt. Der Heilige Geist wird euch helfen. Ihr werdet würdig sein, in den Tempel zu gehen und dort die heiligen Handlungen zu empfangen. Diese Segnungen und noch viele weitere können euch gehören.7

Wir wissen, dass Gott hält, was er verspricht. Wir müssen unseren Teil tun, um diese Segnungen erlangen zu können. Der Prophet Joseph Smith hat gesagt: „Wenn wir irgendeine Segnung von Gott erlangen, dann nur, indem wir das Gesetz befolgen, auf dem sie beruht.“8

Jedes Mitglied, das in den Tempel gehen möchte, muss sich ungeachtet seines Alters auf diesen heiligen Augenblick vorbereiten. Euer Bischof und euer Pfahlpräsident werden euch wichtige Fragen stellen wie die, ob ihr ehrlich und sittlich rein seid, ob ihr das Wort der Weisheit haltet, das Gesetz des Zehnten befolgt und die Autoritäten der Kirche anerkennt. Die Antworten auf diese Schlüsselfragen spiegeln eure Einstellung und eure Verhaltensweisen wider.

Euch jungen Brüdern ist vielleicht nicht bewusst, dass die Maßstäbe, die der Herr in den Fragen zum Tempelschein vorgegeben hat, sehr den Maßstäben ähneln, die in der Broschüre Für eine starke Jugend angesprochen werden. Diese Maßstäbe helfen euch, stets das Rechte zu wählen – in ruhigen und entspannten Zeiten, aber auch in Momenten der gefährlichsten Versuchung. Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes werdet ihr euch richtig entscheiden, was Ausbildung, Freunde, Kleidung und äußere Erscheinung, Unterhaltung und Medien, Ausdrucksweise, gute Verabredungen, sexuelle Reinheit, Ehrlichkeit, das Verhalten am Sonntag und den Dienst am Nächsten betrifft. Wie ihr diese Maßstäbe im Leben umsetzt, sagt viel darüber aus, wer ihr seid und wer ihr sein wollt.

Der Herr möchte, dass ihr, meine jungen Freunde, von ganzem Herzen bestrebt seid, nach diesen Maßstäben und nach der Wahrheit in den heiligen Schriften zu leben. Wenn ihr dies tut, werdet ihr über den Augenblick hinausschauen, und ihr werdet eine strahlend schöne Zukunft vor euch sehen, die große Chancen und Aufgaben für euch bereithält. Ihr werdet erkennen, dass euer Lebenspfad euch zunächst ins Haus des Herrn führt und dann zu einer Vollzeitmission, auf der ihr den Erretter vertretet, wo immer er euch hinschickt. Nach eurer Mission werdet ihr euer Leben und eure Zukunft weiterhin nach diesen Maßstäben ausrichten und planen. Dann werdet ihr vor eurem geistigen Auge sehen, wie ihr in den Tempel geht, um eine ewige Ehe und Familie zu gründen. Eure Prioritäten im Leben werden sich in die Prioritäten wandeln, die der Erretter uns gesetzt hat. Gott wird euch segnen und die Augen eures Verständnisses öffnen, und ihr werdet das Ende von Anfang an vor Augen haben.

Wenn ihr nach den Maßstäben aus der Broschüre Für eine starke Jugend lebt, werdet ihr an Gottvertrauen und Selbstvertrauen zunehmen. Prägt euch diese Maßstäbe in Herz und Sinn ein und lebt danach. Vergegenwärtigt euch bei jedem einzelnen Maßstab, wo ihr heute steht. Achtet auf den Heiligen Geist, der euch sagt, was ihr tun müsst, um mehr so zu werden wie Jesus. Wenn ihr merkt, dass ihr etwas ändern müsst, dann ändert es und zögert nicht. Bedient euch wahrer Umkehr und der Gabe und Macht des Sühnopfers Jesu Christi, um das zu bereinigen, was euch hindert, euer wahres Potenzial auszuschöpfen. Wenn euch dieses Verfahren manchmal schwer erscheint – bleibt dran, beißt euch durch! Es lohnt sich! Der Herr verheißt euch das, was er auch dem Propheten Joseph Smith verheißen hat: „Wisse, mein Sohn, dass dies alles dir Erfahrung bringen und dir zum Guten dienen wird.“9

Wir Großväter, Väter, Onkel, Brüder und Freunde unserer jungen Leute können in diesem Entwicklungsprozess eine entscheidende Stütze sein. König Benjamin erklärte, wie wir, durch unsere eigene Bekehrung, unserer Jugend helfen können, „auf den Wegen der Wahrheit und Ernsthaftigkeit zu wandeln; [und] ihr werdet sie lehren, einander zu lieben und einander zu dienen.“10 Jemand hat einmal gesagt: „Durch Beispiel lehren ist eine Art zu lehren.“ Ich würde sagen: „Durch Beispiel lehren ist die beste Art zu lehren.“

Bitte lehren Sie unsere jungen Leute durch Ihr Beispiel als ein tempelwürdiger Priestertumsträger. Ihr gutes Leben, Ihre Liebe, Ihr praktiziertes Zeugnis vom wiederhergestellten Evangelium Jesu Christi werden eine überzeugende Wirkung auf die Jugend der Kirche haben und ihr helfen, das Ende von Anfang an vor Augen zu haben.

Meine jungen Freunde, bitte vervollkommnet euch in diesen Maßstäben, die der Herr durch die Propheten unserer Zeit gegeben hat. Indem ihr euch bemüht, dies Schritt für Schritt und Tag für Tag zu tun, ehrt ihr das Priestertum Gottes und macht euch bereit, die Welt zum Besseren zu verändern. Damit liegt ihr auch auf dem richtigen Kurs, um ehrenhaft zu unserem himmlischen Vater zurückzukehren.

Liebe Mitknechte im Priestertum, ich verspreche euch heute, wenn ihr diesen Weg geht, wird Gott mehr aus eurem Leben machen, als ihr es selbst je könntet, und der Herr wird euch helfen, immer das Ende von Anfang an vor Augen zu haben!

Das bezeuge ich als ein Apostel des Herrn und im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Abraham 2:8

  2. Für eine starke Jugend, Seite 2

  3. Aaronisches Priestertum – unsere Pflicht vor Gott erfüllen, Seite 4

  4. LuB 64:33

  5. Mose 1:39

  6. 1 Korinther 6:19,20

  7. Vgl. Für eine starke Jugend, Seite 3

  8. LuB 130:21

  9. LuB 122:7

  10. Mosia 4:15