Die Wiederherstellung von allem
Wir glauben, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Wiederherstellung der ursprünglichen Kirche ist, die von Jesus Christus aufgerichtet wurde.
Als Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage liegt uns etwas an allen Kindern Gottes, die jetzt leben oder jemals auf der Erde gelebt haben. Die Erste Präsidentschaft hat im Jahre 1978 erklärt: „Unsere Botschaft zeugt von der besonderen Liebe und der Sorge um das ewige Wohlergehen aller Männer und Frauen, ungeachtet ihrer Religion, Rassenzugehörigkeit oder Nationalität, weil wir wissen, dass wir als Söhne und Töchter desselben ewigen Vaters wahrlich Brüder und Schwestern sind.“1 Elder Dallin H. Oaks hat vor einigen Jahren erklärt:
„Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage teilt mit anderen christlichen Kirchen viele Glaubensvorstellungen. Aber es gibt auch Unterschiede, und diese Unterschiede sind die Erklärung dafür, warum wir anderen Christen Missionare schicken, warum wir außer Kirchen auch Tempel bauen und warum unsere Glaubensvorstellungen uns so glücklich machen und uns die Kraft verleihen, uns den Herausforderungen des Lebens und des Sterbens zu stellen.“2
Ich möchte heute von der Fülle des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi Zeugnis ablegen, die die Glaubensvorstellungen anderer Konfessionen, sowohl der christlichen als auch der nichtchristlichen, ergänzt. Diese Fülle wurde ursprünglich vom Erretter kundgetan, als er auf der Erde war. Dann gab es jedoch einen Abfall vom Glauben.
Einige der frühen Apostel wussten, dass sich vor dem Zweiten Kommen des Herrn Jesus Christus ein Abfall ereignen würde. An die Thessalonicher schrieb Paulus bezüglich dieses Ereignisses: „Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen! Denn zuerst muss der Abfall von Gott kommen.“3
Durch diesen Abfall gingen die Schlüssel des Priestertums verloren, und einige kostbare Lehren der durch den Erretter aufgerichteten Kirche wurden verändert, darunter die Taufe durch Untertauchen4; das Empfangen des Heiligen Geistes durch Händeauflegen5; das Wesen der Gottheit – sie besteht aus drei eigenständigen Personen6; dass alle Menschen, die „Gerechten und Ungerechten“7, durch das Sühnopfer Jesu Christi auferstehen werden; fortdauernde Offenbarung – dass die Himmel nicht verschlossen sind8 – sowie die Tempelarbeit für die Lebenden und die Toten9.
Die Zeit danach wurde später als das finstere Mittelalter bekannt. Dieser Abfall vom Glauben wurde vom Apostel Petrus vorhergesehen, der erklärt hat, dass „[Jesus Christus] freilich der Himmel aufnehmen [muss] bis zu den Zeiten der Wiederherstellung von allem, die Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten verkündet hat“.10 Eine Wiederherstellung ist aber nur dann vonnöten, wenn kostbare Dinge wie diese verloren gegangen sind.
In den darauf folgenden Jahrhunderten erkannten gläubige Männer, dass es in der von Jesus Christus aufgerichteten Kirche einen allmählichen Abfall vom Glauben gegeben hatte. Einige von ihnen mussten für ihre Ansichten, die im 16. Jahrhundert im Rahmen der Reformation das Christentum in der westlichen Welt reformieren sollten, sehr leiden. Dies führte zur Abspaltung der protestantischen Kirchen von der christlichen Hauptkirche.
Unter diesen Reformatoren befand sich auch John Lathrop, Vikar der Kirche von Egerton im englischen Kent. Übrigens war der Prophet Joseph Smith ein Nachkomme John Lathrops. Im Jahr 1623 legte Vikar Lathrop sein Amt nieder, da er die Vollmacht der Anglikanischen Kirche, im Namen Gottes zu handeln, in Frage stellte. Bei seinem Bibelstudium stellte er fest, dass die apostolischen Schlüssel nicht auf der Erde waren. 1632 wurde er Geistlicher in einer illegalen unabhängigen Kirche und wurde ins Gefängnis geworfen. Seine Frau starb, während er sich im Gefängnis befand, und seine nun zu Waisen gewordenen Kinder flehten den Bischof an, ihn freizulassen. Unter der Bedingung, dass John Lathrop das Land verließ, willigte der Bischof ein. So geschah es auch, und John Lathrop wanderte mit 32 Mitgliedern seiner Gemeinde nach Amerika aus.11
Roger Williams, ein Pfarrer aus dem 17. Jahrhundert, der Rhode Island besiedelt hatte, weigerte sich, weiterhin als Pfarrer in Providence zu amtieren. Als Grund gab er an, es gebe „weder eine rechtmäßig gegründete Kirche Christi auf Erden noch irgendjemanden, der befugt sei, ihre heiligen Handlungen zu vollziehen, und das könne es auch erst dann wieder geben, wenn das große Oberhaupt der Kirche, auf dessen Kommen er wartete, neue Apostel sende“.12
Dies sind nur zwei Theologen, die einen Abfall von der Kirche, die Jesus Christus aufgerichtet hatte, und die Notwendigkeit für eine Wiederherstellung der verlorenen Schlüssel des Priestertums erkannt hatten. Der Apostel Johannes sah in einer Vision die Zeit, in der „ein anderer Engel … hoch am Himmel [flog]. Er hatte den Bewohnern der Erde ein ewiges Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern“.13 Diese Prophezeiung hat sich erfüllt. Da wir daran glauben, dass die Fülle des Evangeliums Jesu Christi durch den Propheten Joseph Smith in unserer Zeit wiederhergestellt worden ist, möchten wir allen Menschen ermöglichen, diese Botschaft kennen zu lernen und sie anzunehmen.
In der wiederhergestellten Kirche gibt es heute Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer und Evangelisten, so wie es Paulus den Ephesern erläutert hat.14 Diese Ämter im Priestertum wurden vom Erretter eingeführt, als er seine Kirche in der Mitte der Zeiten aufrichtete. Wir erkennen die zwei Ordnungen des Priestertums und die Ämter, die es darin gibt, an: Das geringere Priestertum ist das nach Aaron benannte Aaronische Priestertum, und das höhere Priestertum ist das Melchisedekische Priestertum, das nach Melchisedek benannt wurde, dem Abraham Zehnten zahlte. Joseph Smith und Oliver Cowdery empfingen das Aaronische Priestertum aus den Händen Johannes des Täufers am 15. Mai 1829 und das Melchisedekische Priestertum daraufhin innerhalb eines Monats unter den Händen der Urapostel Petrus, Jakobus und Johannes. Diejenigen, die dieses Priestertum besitzen, beanspruchen daher heute die Macht, im Namen Gottes durch das Priestertum zu handeln, wobei diese Macht sowohl auf der Erde als auch im Himmel Achtung verdient.15
Am 3. April 1836 erschien im Tempel von Kirtland Mose und übergab dem Propheten Joseph Smith und Oliver Cowdery die Schlüssel zur Sammlung Israels. Danach „erschien Elias und übertrug die Evangeliumszeit Abrahams, [wonach] in uns und unseren Nachkommen … alle Generationen nach uns gesegnet sein [würden]“.16 Dann erschien der Prophet Elija und übergab ihnen die Schlüssel dieser Evangeliumszeit, welche die Siegelungsmacht einschließt, nämlich im Himmel das zu binden, was auf Erden im Tempel gebunden wird.17 Propheten früherer Evangeliumszeiten haben also ihre Schlüssel dem Propheten Joseph Smith in dieser letzten Evangeliumszeit – der „Fülle der Zeiten“ – überreicht, so wie Paulus es den Ephesern gegenüber angekündigt hatte.18
Ich bin dankbar, dass der Herr es für angebracht hielt, das Gesetz des Zehnten und des Opferns für dieses Volk wieder einzuführen. Wenn wir das Gesetz des Zehnten halten, öffnen sich für uns die Schleusen des Himmels. Groß ist der Segen, der auf diejenigen herabgeschüttet wird, deren Glaube groß genug ist, dass sie das Gesetz des Zehnten halten.
In der langen Geschichte der Welt ist ein wesentlicher Teil der Gottesverehrung der Heiligen schon immer der Gottesdienst im Tempel gewesen, durch den sie ihren Wunsch unter Beweis stellen, ihrem Schöpfer näher zu kommen. Als der Erretter auf der Erde war, war der Tempel für ihn ein Ort des Lernens – ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Die Segnungen des Tempels sind in unserer Zeit wieder vorhanden. Ein einzigartiges Merkmal der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist ihre Lehre bezüglich des Tempels und der ewigen Tragweite von allem, was darin geschieht. Unsere erhabenen und schönen Tempel sind heute überall auf der Erde zu finden. In ihnen wird die heiligste aller Arbeiten verrichtet. Präsident Gordon B. Hinckley hat über diese Tempel Folgendes gesagt: „Es gibt nur wenige Orte auf der Erde, an denen die Menschheit auf Fragen über das Leben Antworten erhalten kann, die in der Ewigkeit von Belang sind.“19 Die heiligen Geheimnisse im Zusammenhang damit, woher wir kommen, warum wir hier sind und wohin wir gehen, werden im Tempel ausführlicher gelüftet. Wir sind aus der Gegenwart Gottes hier auf die Erde gekommen, um uns vorzubereiten, in seine Gegenwart zurückzukehren.
Es ist von Bedeutung jenseits alles Irdischen, dass innerhalb der heiligen Mauern des Tempels Ehepaare Bündnisse für die Ewigkeit schließen. Diese Bündnisse werden mit der Priestertumsvollmacht gesiegelt. Kinder, die aus so einer Verbindung hervorgehen, können sich, sofern sie würdig sind, einer ewigen Beziehung als Teil einer Familie und als Kinder Gottes erfreuen. Wie der Apostel Johannes schrieb: „Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen? … [Sie] stehen vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel.“20
Der Herr hat gesagt, es sei sein Werk, „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen.“21 Daraus folgt, dass alle Menschen, ob lebend oder verstorben, die Möglichkeit haben müssen, das Evangelium entweder in diesem Leben oder in der Geisterwelt kennen zu lernen. Wie Paulus den Korinthern gesagt hat: „Wie kämen sonst einige dazu, sich für die Toten taufen zu lassen? Wenn Tote gar nicht auferweckt werden, warum lässt man sich dann taufen für sie?“22 Dies ist der Grund, warum wir im Tempel heilige Handlungen für unsere verstorbenen Vorfahren vollziehen. Niemand wird um die Möglichkeit, zu wählen, oder um seinen freien Willen gebracht. Diejenigen, für die diese Arbeit getan wird, haben die Wahl, sie anzunehmen oder nicht.
Der Apostel Johannes hat in einer Vision die Zeit gesehen, in der ein Engel als Teil der Wiederherstellung des Evangeliums zur Erde kommen sollte. Dieser Engel war Moroni, der dem Propheten Joseph Smith erschienen ist. Er führte Joseph zu dem Ort, wo die goldenen Platten lagen, die heilige Schrift aus einem vergangenen Zeitalter enthielten. Joseph Smith hat dann diese Platten durch die Gabe und die Macht Gottes übersetzt, und das Buch Mormon wurde veröffentlicht. Es ist dies ein Bericht von zwei Volksgruppen, die vor Jahrhunderten auf dem amerikanischen Kontinent gelebt haben. Ehe das Buch Mormon hervorkam, war nur wenig über sie bekannt. Wichtiger ist jedoch, dass das Buch Mormon ein weiterer Zeuge für Jesus Christus ist. Es hat kostbare Wahrheiten in Bezug auf den Fall, das Sühnopfer, die Auferstehung und das Leben nach dem Tod wiederhergestellt.
Vor der Wiederherstellung war der Himmel jahrhundertelang verschlossen gewesen. Aber als es auf der Erde erneut Propheten und Apostel gab, tat sich der Himmel wieder auf, und Visionen und Offenbarungen wurden kundgetan. Viele der Offenbarungen, die der Prophet Joseph Smith empfangen hat, wurden in einem Buch, das Lehre und Bündnisse genannt wird, niedergeschrieben. Dieses vermittelt tiefere Erkenntnisse über die Grundsätze und Verordnungen und ist eine wertvolle Quelle, was die Organisation des Priestertums betrifft. Darüber hinaus haben wir eine weitere kanonisierte heilige Schrift, nämlich die Köstliche Perle. Sie enthält das Buch Mose, das dem Propheten Joseph Smith offenbart worden ist, und das Buch Abraham, das er von einer käuflich erworbenen ägyptischen Schriftrolle übersetzt hat. Aus diesen Büchern erfahren wir nicht nur einiges mehr über Mose, Abraham, Henoch und andere Propheten, sondern auch viele weitere Einzelheiten über die Schöpfung. Wir erfahren, dass von Anbeginn an alle Propheten im Evangelium Jesu Christi unterwiesen wurden – schon seit den Tagen Adams.23
Wir glauben, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Wiederherstellung der ursprünglichen Kirche ist, die von Jesus Christus aufgerichtet wurde und „auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut [ist]; der Schlussstein [ist] Christus Jesus selbst“.24 Sie ist keine Abspaltung von einer anderen Kirche.
Wir glauben, dass die Fülle des Evangeliums Christi wiederhergestellt worden ist, dies aber kein Grund dafür ist, sich in irgendeiner Weise anderen Kindern Gottes überlegen zu fühlen. Vielmehr erwächst daraus eine größere Verpflichtung, die Kernpunkte des Evangeliums Jesu Christi in unserem Leben zur Entfaltung zu bringen – zu lieben, zu dienen und für andere da zu sein. Tatsächlich glauben wir daran, wie die Erste Präsidentschaft 1978 erklärt hat, dass „die großen Religionsführer der Welt wie Mohammed, Konfuzius und die Reformatoren und auch Philosophen wie Sokrates, Plato und andere einen Anteil am Licht Gottes empfangen haben. Ihnen wurden von Gott sittliche Wahrheiten kundgetan, um ganze Völker zu erleuchten und jeden Einzelnen mit größerer Erkenntnis zu erfüllen“.25 Daher haben wir Achtung vor den aufrichtigen religiösen Überzeugungen anderer und sind dankbar, wenn uns dieselbe Höflichkeit und Achtung für die Lehren entgegengebracht wird, die uns so kostbar sind.
Ich habe ein persönliches Zeugnis von der Echtheit der Bündnisse, der Lehren und der Vollmacht, die durch den Propheten Joseph Smith wiederhergestellt worden sind. Diese Gewissheit hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich bin dankbar, dass die Wiederherstellung der Fülle des Evangeliums in unserer Zeit erfolgt ist. Sie schließt den Pfad ein, der zum ewigen Leben führt. Mögen die Kraft, der Frieden und die Fürsorge Gottvaters sowie die beständige Liebe und Gnade des Herrn Jesus Christus mit uns allen sein. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.