2007
Ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist
November 2007


Ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist

Wer ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist hat, ist willens, alles zu tun, was Gott von ihm verlangt.

Wie gern ich Elder Joseph B. Wirthlin doch habe! Der Dichter Rudyard Kipling schrieb 1897 folgende Worte, eine Warnung vor dem Stolz, mit Bezug auf das britische Weltreich:

Wenn einst der Kampf zu End wird sein

und wir allesamt vor dir stehn,

zu warten auf das Urteil dein,

willst du ein Herz voll Demut sehn.

(„God of Our Fathers, Known of Old“, Hymns, Nr. 80.)

Als Kipling in diesem Zusammenhang einen zerknirschten Geist als Opfer wie vor alters bezeichnete, hatte er vielleicht König Davids Worte im 51. Psalm im Sinn: „Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz.“ (Vers 19.) Davids Worte zeigen, dass das Volk des Herrn selbst zu Zeiten des Alten Testaments verstand, dass es Gott sein Herz geben musste, dass Brandopfer allein nicht ausreichten.

Die Opfer, die während der Evangeliumszeit des Mose gefordert waren, wiesen alle symbolisch auf das Sühnopfer des Messias hin, der als Einziger den sündigen Menschen mit Gott versöhnen konnte. Wie Amulek sagte: „Siehe, dies ist die ganze Bedeutung des Gesetzes – jedes kleinste Teil deutet auf das große und letzte Opfer hin[, den] Sohn Gottes.“ (Alma 34:14.)

Nach seiner Auferstehung verkündete Jesus Christus dem Volk in der Neuen Welt:

„Eure Opfer und eure Brandopfer sollen abgeschafft sein, denn ich werde keines [davon] … annehmen.

Und ihr sollt mir als Opfer ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist darbringen. Und wer mit reuigem Herzen … zu mir kommt, den werde ich mit Feuer und mit dem Heiligen Geist taufen.“ (3 Nephi 9:19,20.)

Was ist ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist? Und weshalb wird es als Opfer betrachtet?

Wie in allem gibt uns das Leben des Erlösers das vollkommene Beispiel: Obwohl Jesus aus Nazaret völlig sündenfrei war, ging er mit reuigem Herzen und zerknirschtem Geist durch das Leben. Dies zeigte sich darin, dass er sich dem Willen des Vaters unterordnete. „Denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ (Johannes 6:38.) Zu seinen Jüngern sagte er: „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig.“ (Matthäus 11:29.) Und als es an der Zeit war, mit dem Sühnopfer das größte Opfer überhaupt zu bringen, schreckte er nicht davor zurück, den bitteren Kelch zu trinken, sondern unterwarf sich ganz dem Willen seines Vaters.

Dass der Erretter sich dem ewigen Vater vollkommen unterordnete, zeigt, worauf es bei einem reuigen Herzen und einem zerknirschten Geist am meisten ankommt. Das Beispiel Christi lehrt uns, dass ein gebrochenes Herz ein ewiges Merkmal des Göttlichen ist. Wenn unser Herz gebrochen ist, sind wir voll und ganz offen für den Geist Gottes und erkennen, dass wir mit allem, was wir haben, und allem, was wir sind, von ihm abhängen. Was wir dafür als Opfer darbringen müssen, ist der Stolz in all seinen Formen. Wie geschmeidiger Ton von der Hand eines geschickten Töpfers kann derjenige, der ein reuiges Herz hat, von der Hand des Meisters geformt und gestaltet werden.

Ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist sind auch Vorbedingungen für die Umkehr. Lehi hat gesagt:

„Darum kommt die Erlösung im heiligen Messias und durch ihn …

Siehe, er bringt sich selbst als Opfer für Sünde dar, um den Zwecken des Gesetzes Genüge zu leisten für alle, die ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist haben; und für niemanden sonst kann den Zwecken des Gesetzes Genüge geleistet werden.“ (2 Nephi 2:6,7.)

Wenn wir sündigen und uns Vergebung wünschen, bedeutet ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist, „gottgewollte Traurigkeit“ zu verspüren, die eine „Sinnesänderung zum Heil“ hervorruft (siehe 2 Korinther 7:10). Dies geschieht, wenn unser Wunsch, von Sünde rein zu werden, so verzehrend ist, dass unser Herz vor Kummer schmerzt und wir uns danach sehnen, mit unserem Vater im Himmel im Reinen zu sein. Wer ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist hat, ist willens, alles zu tun, was Gott von ihm verlangt, und zwar ohne sich zu widersetzen oder Groll zu hegen. Wir hören auf, etwas auf unsere Weise zu tun, und lernen stattdessen, es auf die Weise Gottes zu tun. Wenn man sich derart unterordnet, kann das Sühnopfer wirksam werden und wahre Umkehr erfolgen. Der Umkehrwillige erlebt dann die heiligende Macht des Heiligen Geistes, der ihn mit einem ruhigen Gewissen und der Freude erfüllt, mit Gott versöhnt zu sein. Auf wundersame Weise verschmelzen göttliche Eigenschaften zu einer Einheit, wenn derselbe Gott, der uns gebietet, stets ein reuiges Herz zu haben, uns auffordert, uns zu freuen und guten Mutes zu sein.

Nachdem wir Sündenvergebung empfangen haben, dient ein reuiges Herz als göttlicher Schutzschild vor Versuchung. Nephi betete: „Mögen die Pforten der Hölle auf immer vor mir verschlossen bleiben, weil ja mein Herz reuig ist und mein Geist zerknirscht ist!“ (2 Nephi 4:32.) König Benjamin lehrte seine Untertanen: Sofern sie in den Tiefen der Demut verblieben, würden sie sich immer freuen und „von Gottesliebe erfüllt sein und [sich] immer Vergebung für ihre Sünden bewahren“ (siehe Mosia 4:12). Wenn wir unser Herz dem Herrn überlassen, verlieren die Attraktionen der Welt einfach ihren Glanz.

Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt eines reuigen Herzens, nämlich unsere tiefe Dankbarkeit dafür, dass Christus unseretwegen gelitten hat. In Getsemani ist der Erlöser „unter alles hinabgefahren“ (LuB 88:6), als er die Sündenlast für jeden Menschen trug. Auf Golgota „[gab] er sein Leben dem Tod [preis]“ (Jesaja 53:12), und sein großmütiges Herz brach im buchstäblichen Sinne, erfüllt mit einer allumfassenden Liebe für die Kinder Gottes. Wenn wir an den Erlöser und sein Leiden denken, bricht auch unser Herz vor Dankbarkeit für den Gesalbten.

Wenn wir dem Herrn alles, was wir haben, und alles, was wir sind, als Opfer darbringen, wird er unser Herz mit Frieden erfüllen. Er wird alle heilen, „deren Herz zerbrochen ist“ (siehe Jesaja 61:1) und unser Leben mit der Liebe Gottes zieren, die „süßer [ist] als alles Süße … und reiner als alles Reine“ (siehe Alma 32:42). Das bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.