„Weide meine Schafe“
Durch unsere regelmäßigen monatlichen Besuche bei unseren Schwestern können wir ein Band der Liebe, der Freundschaft und des Vertrauens schaffen.
Die Gelegenheit, vor Ihnen zu stehen und über meine innersten Gefühle zu sprechen, stimmt mich sehr demütig. Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau, nach weltlichen Maßstäben unbedeutend, doch der Herr hat mich in seiner großen Barmherzigkeit schon immer mit einzigartigen Gelegenheiten und einer wertvollen Gabe gesegnet: Ich habe ein Zeugnis davon, dass dieses Evangelium wahr ist und dass Jesus Christus wirklich lebt und das Sühnopfer vollbracht hat. Von der Zeit an, als ich mit erst 14 Jahren das erste Mal den Missionaren zuhörte und das Buch Mormon las, habe ich gespürt, wie der Heilige Geist mich durch seinen Einfluss leitet. Mein Zeugnis brennt mir beständig im Herzen, und mein Glaube ist unerschütterlich. Ich bin durch diese Gabe des Glaubens und des Zeugnisses reich gesegnet worden.
Heute stehe ich inmitten der besten und hervorragendsten Frauen der Welt und verspüre in diesem Moment eine große Verantwortung auf meinen Schultern. Ich habe gebetet und die heiligen Schriften studiert und darüber nachgedacht, um Inspiration zu erlangen und das zu sagen, was der Herr mich Ihnen heute sagen lassen möchte.
Als FHV-Präsidentschaft haben wir die Geschichte der Frauenhilfsvereinigung studiert und über den Zweck dieser einzigartigen Organisation nachgedacht, die auf göttliche Weisung durch einen Propheten Gottes ins Leben gerufen wurde, um den Frauen der Kirche zu nützen und ihnen ein Segen zu sein. Ihre auf Inspiration beruhende Gründung war eine Antwort auf die stillen Herzenswünsche der Frauen jener Zeit. Sie wurde aus zwei Gründen ins Leben gerufen: um den Armen zu helfen und um Seelen zu retten.1
Schwester Beck erwähnte, dass die Frauen der Kirche eines wirklich gut können und tun sollten: Hilfe bieten.
Betrachten Sie den Grundsatz, der in Johannes 21:15-17 zum Ausdruck kommt. Der Herr fragte Petrus: „Liebst du mich?“ Petrus antwortete: „Du weißt, dass ich dich liebe.“ Und der Herr antwortete: „Weide meine Lämmer!“ Der Herr fragte ihn zum zweiten Mal: „Liebst du mich?“ Petrus antwortete wieder: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Der Herr sagte zu Petrus: „Weide meine Schafe!“ Der Herr fragte ein drittes Mal: „Liebst du mich?“ Petrus antwortete: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jesus sagte zu ihm: „Weide meine Schafe!“
Als Jünger Christi erklären auch wir, dass wir ihn lieben. Was tun wir also, um seine Schafe zu weiden?
Eine Möglichkeit, wie FHV-Schwestern seine Schafe weiden können, ist das Besuchslehren. Die Besuchslehrarbeit hat den Zweck, eine fürsorgliche Beziehung zu jeder Schwester zu schaffen und einander Unterstützung, Trost und Freundschaft zu bieten.2 Um dies zu erreichen, tut eine Besuchslehrerin Folgendes:
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Sie besucht regelmäßig jede ihr zugewiesene Schwester, und zwar möglichst jeden Monat in ihrem Zuhause.
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Sie bringt in Erfahrung, was die Schwester und ihre Familie in geistiger und zeitlicher Hinsicht benötigen.
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Sie bietet sinnvolle Hilfe an.
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Sie unterweist jeden Monat durch eine geistige Botschaft.3
Der Herr hat die Frauen mit göttlichen Eigenschaften wie Liebe, Mitgefühl, Güte und Nächstenliebe gesegnet. Durch unsere monatlichen Besuche als Besuchslehrerinnen können wir jeder Schwester Gutes tun, wenn wir ihr Liebe, Güte, Mitgefühl und Nächstenliebe entgegenbringen. Unabhängig von unserer persönlichen Situation haben wir alle die Möglichkeit, andere zu erbauen und sie geistig zu nähren.
Ich habe in vielen Ländern Mittel- und Südamerikas gelebt, auch in der Karibik und in Spanien. Ich habe erlebt, wie das Besuchslehren gewissenhaft durchgeführt wurde, indem Schwestern einen kurzen oder langen Weg zu Fuß gingen oder mit dem Bus, der U-Bahn oder dem Zug fuhren. Meine Freundin Ana war eine junge Mutter in Costa Rica, die jeden Monat treu ihrer Besuchslehrarbeit nachging und dabei oft durch starken Regen zu gehen hatte. Dreißig Jahre später ist sie, mittlerweile eine Großmutter, noch immer eine treue Besuchslehrerin. Sie hat so vielen Gutes getan.
Durch unsere regelmäßigen monatlichen Besuche bei unseren Schwestern können wir ein Band der Liebe, der Freundschaft und des Vertrauens aufbauen. Wenn wir auf die Eingebungen des Geistes hören, wird unser Bewusstsein für die Bedürfnisse unserer Mitmenschen geschärft. Wenn wir diesen göttlichen Eingebungen Folge leisten, können wir denjenigen Gutes tun, die Hilfe benötigen. Aber wir müssen bereit sein, anderen etwas zu geben – von unseren Mitteln und von unserer Zeit. Der wahre Maßstab für unser Leben ist nicht, wie viel wir erhalten, sondern wie viel wir geben. Das Besuchslehren schafft Gelegenheiten zu geben, indem wir einander physisch, geistig und seelisch beistehen.
Als ich in der Dominikanischen Republik lebte, besuchte ich eine Schwester, die erst kurz zuvor aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen war, nachdem sie ihr drittes Kind geboren hatte. Ich war überrascht, welch guten und ruhigen Eindruck sie machte. Ihre anderen beiden Kinder waren noch so klein! Nachdem wir uns bereits einige Minuten unterhalten hatten, sprach sie von dem Frieden, den sie verspürte, weil sich die Schwestern der Frauenhilfsvereinigung verpflichtet hatten, ihr eine Zeit lang jeden Tag zu helfen. Sie fühlte sich geliebt.
Meine Besuchslehrerinnen waren immer die Ersten, die mich besuchten und mir jedes Mal Essen brachten, wenn ich in San José in Costa Rica mit einem meiner Neugeborenen nach Hause kam.
Präsident Boyd K. Packer sagte, dass der Dienst in der Frauenhilfsvereinigung jede Schwester besser machen und sie heiligen würde; er legte uns ans Herz, dem Dienen in der FHV vor allen anderen ähnlichen sozialen Einrichtungen den Vorrang zu geben.4
Das Besuchslehren ist auch ein sehr wirksames Mittel in unseren Bemühungen, Schwestern aktiv zu erhalten und zu reaktivieren. Eine junge alleinstehende Schwester erzählte:
„Als ich im Liahona die Botschaft der Ersten Präsidentschaft las, wurde ich an meine Aufgabe als Besuchslehrerin erinnert. Meine Besuchslehrpartnerin war eine gute Freundin von mir, aber wir schienen nie einen gemeinsamen Termin finden zu können. An jenem Morgen entschloss ich mich, einfach unsere Schwestern anzurufen, einen Termin auszumachen und zu hoffen, dass er meiner Partnerin zusagen würde. Leider klappte es bei meiner Besuchslehrpartnerin nicht. Ich fragte einige meiner Mitbewohnerinnen, ob sie mich bei diesen Besuchen begleiten könnten, aber sie waren alle verhindert. Ich dachte daran, abzusagen, da ich wusste, dass es nicht ideal war, allein besuchslehren zu gehen; doch dann beschloss ich, dass es besser sei, allein zu gehen, als einen weiteren Monat verstreichen zu lassen, ohne unsere Schwestern besucht zu haben.
Ich kam zu Alejandras Wohnung und näherte mich nervös der Tür. Ich wusste nicht, ob ich sie wiedererkennen würde. Am Telefon war sie sehr freundlich gewesen, und so dachte ich, sie sei eine Schwester, die ich in der Kirche gesehen hätte. Alejandra begrüßte mich mit einer herzlichen Umarmung und einem breiten Lächeln. Ihr Gesicht war mir unbekannt! Im Gespräch erzählte Alejandra, dass sie den Wunsch hätte, wieder in die Kirche zu gehen, und sie sagte, dass sie in den vergangenen Monaten darauf gehofft hätte, dass jemand sie besuchte. Sie erklärte, dass dies für sie der erste Besuch einer Besuchslehrerin war. Wir sprachen über einige Evangeliumsgrundsätze und über die Gedanken, die die Besuchslehrbotschaft dieses Monats in uns weckte. Sie versprach, in dieser Woche in die Kirche zu gehen. Und das tat sie auch – und brachte sogar ihren Freund mit!
Seit damals sind Alejandra und ich gute Freundinnen geworden. Ich bin nicht mehr ihre Besuchslehrerin, aber wir besuchen uns viel öfter als nur einmal im Monat. Alejandra geht nun zur Kirche, besucht den Familienabend regelmäßig und nimmt am Institutsprogramm teil.
Ich habe nun ein stärkeres Zeugnis vom Besuchslehren als jemals zuvor. Ich bin dankbar für die Führung des Heiligen Geistes und seine leise Eingebung, die mich zu solch einer lieben Freundin wie Alejandra geführt hat. Wir wurden beide durch dieses Erlebnis gestärkt, und wir beide benötigten es für unseren geistigen Fortschritt.“5
Wenn sich ein Hirt um seine Herde kümmert, können viele von denen, die sich entfernt haben, wieder zurückgeführt werden. Sie nehmen möglicherweise die Einladung an, in die Herde zurückzukehren.
In Moroni 6:4 werden wir ermahnt, an diejenigen zu denken, die sich durch die Taufe der Kirche Christi angeschlossen haben, und sie zu nähren.
Die monatliche Evangeliumsbotschaft, über die wir bei diesen Besuchen sprechen, stärkt unseren Glauben und unser Zeugnis. Die Gebende und die Empfangende werden beide erbaut, wenn sie über Evangeliumsgrundsätze, die heiligen Schriften und die Lehren unserer Propheten sprechen und einander an Erkenntnissen und persönlichen Erfahrungen teilhaben lassen.
Ein weiterer Segen ist die enge Freundschaft und die Erbauung, die zwischen den zwei Schwestern, die diese Aufgabe gemeinschaftlich erfüllen, entsteht. Wenn wir gemeinsam dienen, lernen wir voneinander und lieben einander.
Wir können und sollten fähig sein, sinnvolle Hilfe zu leisten. Das Evangelium gibt uns eine besondere Sichtweise. Wir haben göttliche Eingebungen, die uns auffordern, Gutes zu tun. Wir wollen uns verpflichten, beim Besuchslehren effizient zu sein. Wir können einander zeitlich wie geistig nähren. Wir können und sollten auch Verständnis aufbringen und fähig sein, die Lehre zu vermitteln. Wir können geistigen Hunger stillen und die Schafe weiden. Schafe zu weiden kann bedeuten, neue Mitglieder der Kirche, weniger aktive oder auch aktive Mitglieder zu stärken und zu nähren.
Unser Dienst sollte selbstlos, still und bereitwillig geleistet werden, das Herz von der Liebe zu Gott und zu seinen Kindern erfüllt. Es muss uns ein echtes Anliegen sein, die Herde zu umsorgen und sie auch dazu einzuladen, zu Christus zu kommen.
Es ist mein Gebet, dass wir uns noch mehr verpflichten, Liebe und Mitgefühl auszustrahlen, um einander Gutes zu tun, zu helfen und zu stärken, während wir bereitwillig und frohen Herzens unserer Besuchslehrarbeit nachgehen. Im Namen Jesu Christi. Amen.