2007
Wissen, dass man es weiß
November 2007


Wissen, dass man es weiß

Das Zeugnis anderer mag den Wunsch, zu glauben und ein Zeugnis zu haben, auslösen und nähren; doch schließlich muss jeder für sich selbst diese Erfahrung machen.

Vor Jahren wurde ein Mann eines schweren Verbrechens angeklagt. Die Anklage präsentierte drei Zeugen, von denen jeder gesehen hatte, wie der Mann das Verbrechen begangen hatte. Die Verteidigung präsentierte dann drei Zeugen, von denen keiner gesehen hatte, wie es geschehen war. Die arglosen Geschworenen waren verwirrt. Aufgrund der Anzahl der Zeugen schienen den Geschworenen die Beweise gleichmäßig verteilt zu sein. Der Mann wurde freigesprochen. Natürlich tat es nichts zur Sache, dass Millionen Menschen nie gesehen hatten, wie das Verbrechen geschah. Es hätte ein einziger Zeuge gereicht.

Im genialen Plan des Evangeliums reicht letztlich ein einziger Zeuge aus, doch dieser Zeuge müssen Sie sein. Das Zeugnis anderer mag den Wunsch, zu glauben und ein Zeugnis zu haben, auslösen und nähren; doch schließlich muss jeder für sich selbst diese Erfahrung machen: Niemand kann auf Dauer mit geborgtem Licht ausharren.

Das wiederhergestellte Evangelium ist heute nicht wahrer als zu der Zeit, als ein einsamer Junge 1820 den heiligen Hain verließ. Die Wahrheit hing noch nie davon ab, wie viele Menschen sie angenommen haben. Als Joseph den Hain hinter sich ließ, gab es nur einen Menschen auf der Erde, der die Wahrheit über Gottvater und seinen Sohn, Jesus Christus, kannte. Und doch ist es notwendig, dass jeder dies für sich selbst herausfindet und dieses brennende Zeugnis bis ins nächste Leben trägt.

Als Heber J. Grant mit dreiundzwanzig Jahren als Präsident des Pfahls Tooele eingesetzt wurde, sagte er den Heiligen, er glaube, dass das Evangelium wahr sei. Präsident Joseph F. Smith, Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, fragte daraufhin nach: „Heber, du sagtest, du würdest mit ganzem Herzen an das Evangelium glauben, … aber du hast nicht davon Zeugnis gegeben, dass du weißt, dass es wahr ist. Weißt du denn nicht mit völliger Sicherheit, dass dieses Evangelium wahr ist?“

Heber antwortete: „Nein.“ Joseph F. Smith wandte sich daraufhin John Taylor, dem Präsidenten der Kirche, zu und sagte: „Ich bin dafür, dass wir heute Nachmittag wieder rückgängig machen, was wir heute Vormittag getan haben. Ich glaube, dass niemand über einen Pfahl präsidieren sollte, der kein vollkommenes und dauerhaftes Wissen davon hat, dass dieses Werk ein göttliches ist.

Präsident Taylor erwiderte: „Joseph, Joseph, Joseph, [Heber] weiß es doch genauso wie du. Das Einzige, was er nicht weiß, ist, dass er es weiß.“

Innerhalb weniger Wochen wurde dieses Zeugnis Wirklichkeit, und der junge Heber J. Grant vergoss vor Dankbarkeit Tränen, weil sich ein vollkommenes, dauerhaftes und absolutes Zeugnis bei ihm einstellte.1

Es ist großartig, zu wissen – und zu wissen, dass man es weiß, und dass das Licht nicht von jemand anders geborgt wurde.

Vor Jahren präsidierte ich über eine Mission im mittleren Westen der USA. Eines Tages sprach ich im Beisein einer Handvoll unserer Missionare mit einem geschätzten Vertreter einer anderen christlichen Glaubensgemeinschaft. Dieser liebenswürdige Mann erzählte von der Geschichte und Lehre seiner Religion und schloss mit den bekannten Worten: „Aus Gnade seid ihr gerettet. Jedermann muss Glauben an Christus ausüben, um errettet werden zu können.“

Unter den Anwesenden war auch ein neu angekommener Missionar. Er kannte sich mit anderen Religionen überhaupt nicht aus. Es drängte ihn zu fragen: „Aber was geschieht mit einem kleinen Kind, das stirbt, bevor es alt genug ist, zu verstehen und Glauben an Christus auszuüben?“ Der gelehrte Mann senkte den Kopf, blickte zu Boden und sagte: „Es müsste eine Ausnahme geben. Es müsste ein Schlupfloch geben. Es müsste einen Weg geben; und doch gibt es keinen.“

Der Missionar blickte mich an und sagte mit Tränen in den Augen: „Meine Güte, Präsident, wir haben die Wahrheit, nicht wahr?“

Der Augenblick, in dem man erkennt, dass man ein Zeugnis hat – wenn man weiß, dass man es weiß –, ist süß und erhaben. Sofern es genährt wird, ruht dieses Zeugnis auf einem wie ein Mantel. Wenn wir Licht sehen, werden wir darin eingehüllt. Das Licht des Verstehens erhellt unser Innerstes.

Ich sprach einmal mit einem guten jungen Mann, der nicht unserem Glauben angehörte, obwohl er die meisten unserer Gottesdienste über ein Jahr lang besucht hatte. Ich fragte ihn, warum er sich nicht der Kirche angeschlossen habe. Er gab zur Antwort: „Weil ich nicht weiß, ob sie wahr ist. Ich glaube schon, dass sie wahr sein könnte, aber ich kann mich nicht hinstellen und so wie Sie bezeugen: ‚Ich weiß tatsächlich, dass dies wahr ist.‘“

Ich fragte ihn: „Haben Sie das Buch Mormon gelesen?“ Er antwortete, er habe darin gelesen.

Ich fragte ihn, ob er über das Buch gebetet habe. Er antwortete: „Ich habe es in meinen Gebeten erwähnt.“

Ich sagte meinem Freund, solange er nur beiläufig lesen und beten würde, würde er es selbst in aller Ewigkeit nicht herausfinden. Würde er sich jedoch vornehmen, eine Zeit lang zu fasten und inständig zu beten, würde die Wahrheit in sein Herz gebrannt werden und er würde wissen, dass er es weiß. Daraufhin entgegnete er mir nichts mehr, sagte jedoch seiner Frau am nächsten Morgen, dass er fasten wolle. Am darauffolgenden Samstag wurde er getauft.

Wenn Sie wissen wollen, ob Sie wissen, dass Sie es wissen, müssen Sie den Preis dafür zahlen. Und Sie allein müssen diesen Preis bezahlen. Es gibt zwar Stellvertreter für heilige Handlungen, jedoch keine dafür, dass man ein Zeugnis erlangt.

Alma beschrieb seine Bekehrung mit diesen wunderbaren Worten: „Ich habe viele Tage gefastet und gebetet, um dies für mich selbst wissen zu können. Und nun weiß ich für mich selbst, dass es wahr ist; denn der Herr, Gott, hat es mir … kundgetan.“ (Alma 5:46.)

Wenn jemand erkannt hat, dass er ein Zeugnis besitzt, verspürt er den brennenden Wunsch, dieses Zeugnis an andere weiterzugeben. Als Brigham Young aus den Wassern der Taufe stieg, sagte er: „Der Geist des Herrn ruhte auf mir, und ich hatte ein Gefühl, als ob mir die Knochen im Leib vergehen würden, wenn ich nicht zu den Leuten sprach … Die erste Rede, die ich je gehalten habe, dauerte über eine Stunde. Ich machte den Mund auf, und der Herr füllte ihn mir.“2 So wie ein Feuer nicht brennen kann, bevor sich die Flamme nicht zeigt, kann ein Zeugnis nicht bestehen, wenn man es nicht zum Ausdruck bringt.

Brigham Young sagte später über Orson Pratt: „Selbst wenn man Bruder Orson in kleine Stücke zerhackte, würde jedes Stück ausrufen: ‚Die Religion der Mormonen ist wahr‘.“3 Vater Lehi pries seinen edlen Sohn Nephi mit den Worten: „Aber siehe, es war nicht er, sondern es war der Geist des Herrn, der in ihm war, der ihm den Mund zum Reden geöffnet hat, sodass er ihn nicht schließen konnte.“ (2 Nephi 1:27.)

Die Gelegenheit und die Pflicht, Zeugnis zu geben, ergibt sich zuallererst im Kreise der Familie. Unsere Kinder sollen sich an das Leuchten in unseren Augen, den Klang unseres Zeugnisses in ihren Ohren und das Gefühl in ihrem Herzen erinnern können, wenn wir unserer kostbarsten Zuhörerschaft davon Zeugnis geben, dass Jesus tatsächlich Gottes Sohn und Joseph Smith sein Prophet war. Unsere Nachkommen müssen wissen, dass wir es wissen, weil wir es ihnen oft sagen.

Die frühen Führer der Kirche haben einen hohen Preis dafür gezahlt, diese Evangeliumszeit aufzurichten. Vielleicht werden wir ihnen im nächsten Leben begegnen und ihrem Zeugnis lauschen. Was werden wir sagen, wenn es an uns ist, Zeugnis zu geben? Im nächsten Leben wird es sowohl geistige Säuglinge als auch geistige Riesen geben. Ohne Licht dauert die Ewigkeit lange, besonders wenn unsere Ehepartner und Nachkommen ebenfalls in Finsternis leben, weil es in uns und in anderen kein Licht gab und sie daher ihre Lampen nicht anzünden konnten.

Wir müssen jeden Morgen und jeden Abend auf unsere Knie gehen und den Herrn anflehen, dass wir nie unseren Glauben, unser Zeugnis und unsere Tugendhaftigkeit verlieren. Ein einziger Zeuge reicht aus, doch dieser Zeuge müssen Sie sein.

Ich habe ein Zeugnis. Es verlangt danach, ausgesprochen zu werden. Ich gebe Zeugnis davon, dass die Macht des lebendigen Gottes in dieser Kirche ist. Ich weiß, was ich weiß, und mein Zeugnis ist wahr. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Heber J. Grant, Gospel Standards, Hg. G. Homer Durham, 1941, Seite 191ff.

  2. Deseret News, 3. August 1870, Seite 306

  3. President Brigham Young’s Office Journal, 1. Oktober 1860, Bürounterlagen von Brigham Young, Archiv der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage