2012
Widmen wir uns eifrig einer guten Sache
November


Widmen wir uns eifrig einer guten Sache

Elder M. Russell Ballard

Großes kommt zustande und so manche Last wird leichter, wenn viele Hände „sich voll Eifer einer guten Sache widmen“.

Elder Perry, ich glaube, Sie sind der jüngste 90-Jährige in der ganzen Kirche. Haben Sie gesehen, wie er aus seinem Sessel gesprungen ist?

Meine lieben Brüder und Schwestern, jedes Mal, wenn ich eine frische Strauchtomate genieße oder einen saftigen, eben gepflückten Pfirsich esse, denke ich 60 Jahre zurück an die Zeit, da meinem Vater eine kleine Pfirsichplantage in Holladay in Utah gehörte. Er unterhielt dort Bienenstöcke, damit die Pfirsichblüten bestäubt wurden, aus denen schließlich ansehnliche, köstliche Früchte hervorgehen sollten.

Vater mochte seine zarten Honigbienen und bewunderte die Art und Weise, wie Tausende von ihnen gemeinsam den Nektar, den sie von seinen Pfirsichblüten zusammentrugen, in süßen, goldenen Honig verwandelten – in eines der nahrhaftesten Lebensmittel, die die Natur kennt. Ernährungswissenschaftlern zufolge gehört es sogar zu den Nahrungsmitteln, die alle lebensnotwendigen Stoffe enthalten, nämlich Enzyme, Vitamine, Mineralstoffe und Wasser.

Mein Vater versuchte immer, mich in die Arbeit mit seinen Bienenstöcken einzubeziehen, aber die Versorgung der Bienen überließ ich gern ihm. Seither habe ich jedoch viel dazugelernt, wie gut durchorganisiert ein Bienenstock ist – in jeder Kolonie gibt es über 60.000 Bienen.

Honigbienen haben den natürlichen Drang, Blüten zu bestäuben, Nektar zu sammeln und den Nektar zu Honig zu verdicken. Darin besteht ihr ganzes Streben, und diesen wunderbaren Instinkt haben sie in ihrem Erbgut von unserem Schöpfer mitbekommen. Um gerade einmal 450 Gramm Honig hervorzubringen, müssen die durchschnittlich 20.000 bis 60.000 Bienen aus dem Bienenstock Schätzungen zufolge Millionen Blumen ansteuern und eine Strecke zurücklegen, die zwei Weltumrundungen entspricht. Während ihres kurzen Lebens von nur wenigen Wochen bis zu vier Monaten steuert eine einzelne Honigbiene zum Honig ihrer Kolonie lediglich einen zwölftel Teelöffel voll bei.

Dies scheint gemessen an der Gesamtmenge bedeutungslos zu sein, doch das von jeder Biene beigetragene Zwölftel eines Teelöffels ist entscheidend für das Überleben der Kolonie. Die Bienen sind voneinander abhängig. Die Arbeit, die einige wenige Bienen schlicht überfordern würde, wird leichter, weil alle Bienen gewissenhaft ihren Teil tun.

Der Bienenstock ist in der Geschichte unserer Kirche seit jeher ein wichtiges Symbol. Im Buch Mormon lesen wir, dass die Jarediten Honigbienen mit sich führten (siehe Ether 2:3), als sie vor tausenden von Jahren nach Amerika übersiedelten. Brigham Young wählte den Bienenstock als Symbol, als er die Pioniere zu jener dynamischen Zusammenarbeit aufrief und inspirierte, die erforderlich war, um die karge Einöde um den großen Salzsee herum in die fruchtbaren Täler zu verwandeln, die wir heute kennen. Wir sind die Nutznießer davon, dass sie ihren Weitblick und ihren Fleiß vereint haben.

Den Bienenstock finden wir als Symbol auch bei vielen unserer Tempel, innen wie außen. Das Rednerpult, an dem ich stehe, ist aus dem Holz eines Walnussbaums gefertigt, der im Garten von Präsident Gordon B. Hinckley gewachsen war. Es ist mit geschnitzten Bienenstöcken verziert.

Diese ganze Symbolik gibt einer Tatsache Ausdruck: Großes kommt zustande und so manche Last wird leichter, wenn viele Hände „sich voll Eifer einer guten Sache widmen“ (LuB 58:27). Überlegen Sie einmal, was die Millionen von Heiligen der Letzten Tage in der Welt erreichen könnten, wenn wir, was unsere unbeirrbare Ausrichtung auf die Lehren des Herrn Jesus Christus angeht, wie ein Bienenstock funktionierten.

Der Heiland hat gesagt, das erste und wichtigste Gebot laute:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. …

Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“ (Matthäus 22:37,39,40.)

Diese Worte des Herrn sind einfach – ihre Bedeutung jedoch reicht tief und ist von großer Tragweite. Wir müssen Gott lieben und außerdem unseren Nächsten so lieben und umsorgen wie uns selbst. Stellen Sie sich nur vor, was wir Gutes in der Welt zuwege bringen können, wenn wir uns als Nachfolger Christi einig zusammenschließen und uns voller Eifer und rege der Bedürfnisse anderer annehmen und für unsere Mitmenschen da sind – Angehörige, Freunde, Nachbarn, Mitbürger.

Wie wir dem Jakobusbrief entnehmen können, besteht der Wesenskern wahrer Religion im Dienen (siehe Jakobus 1:27).

Wir lesen von dem Dienst, den Mitglieder der Kirche überall auf der Welt leisten, vor allem von der humanitären Hilfe nach einer Katastrophe – sei es eine Feuersbrunst, eine Überschwemmung, ein Sturm oder ein Wirbelsturm. Derartige Nothilfe wird dringend gebraucht und dankbar angenommen. Gewiss muss es sie weiterhin geben; es ist eine Art und Weise, wie einer des anderen Last trägt. Doch wie sieht es im täglichen Leben aus? Was wäre die gemeinsame Wirkung von Millionen kleiner, von Mitgefühl getragener Taten, die wir täglich vollbringen, weil wir andere von Herzen christlich lieben? Mit der Zeit würden sie bei allen Kindern des himmlischen Vaters eine Wandlung bewirken, weil sich seine Liebe durch uns auf sie erstreckt. Unsere geplagte Welt braucht diese Liebe Christi heute mehr denn je, und sie wird sie in kommenden Jahren sogar noch dringender brauchen.

Diese einfachen, täglichen guten Taten mögen an sich nicht groß erscheinen, aber wenn man sie zusammen betrachtet, ähneln sie dem einen Zwölftel eines Teelöffels voll Honig, das die einzelne Biene zum Bienenstock beisteuert. Von unserer Liebe zu Gott und zu seinen Kindern geht Kraft aus, und wenn sich diese Liebe spürbar in Millionen christlicher Wohltaten kundtut, versüßt und ernährt sie die Welt mit dem lebenserhaltenden Nektar des Glaubens, der Hoffnung und der Nächstenliebe.

Was müssen wir tun, damit wir so werden wie die eifrigen Honigbienen und damit dieser Eifer ein Teil unseres Wesens wird? Viele von uns sind pflichtbewusst, was den Versammlungsbesuch betrifft. Wir geben uns große Mühe in unseren Berufungen, vor allem sonntags. Das ist gewiss lobenswert. Doch widmen wir uns in unseren Gedanken und im Herzen auch an den übrigen Wochentagen genauso eifrig guten Dingen? Bewegen wir uns lediglich im Trott oder sind wir wahrhaft bekehrt zum Evangelium Jesu Christi? Wie pflanzen wir den Samen des Glaubens, der in unserem Verstand genährt wurde, tief in den fruchtbaren Boden unserer Seele? Wie bewerkstelligen wir die mächtige Wandlung im Herzen, die laut Alma für unser ewiges Glück und unseren ewigen Frieden entscheidend ist (siehe Alma 5:12-21)?

Wissen Sie noch? Honig enthält alle Stoffe, die zum Erhalt des irdischen Lebens notwendig sind. Ebenso sind die Lehre und das Evangelium Christi der einzige Weg, ewiges Leben zu erlangen. Nur wenn unser Zeugnis über das, was wir mit dem Verstand erfassen, hinausgeht und sich uns tief ins Herz eingräbt, wird unser Beweggrund, warum wir lieben und dienen, dem des Erretters gleich werden. Dann – und nur dann – werden wir zu tiefgreifend bekehrten Jüngern Christi, die vom Geist befähigt sind, das Herz ihrer Mitmenschen zu erreichen.

Wenn wir das Herz nicht mehr auf die Dinge der Welt setzen, werden wir nicht mehr nach den Ehren der Menschen streben und nicht mehr danach trachten, unseren Stolz zu befriedigen (siehe LuB 121:35–37). Stattdessen nehmen wir die christlichen Eigenschaften an, von denen Jesus sprach:

  • Wir sind milde, sanftmütig und langmütig (siehe LuB 121:41).

  • Wir sind wohlwollend, ohne Heuchelei und ohne Falschheit (siehe LuB 121:42).

  • Wir empfinden Nächstenliebe für alle Menschen (siehe LuB 121:45).

  • Unsere Gedanken sind immer tugendhaft (siehe LuB 121:45).

  • Wir haben keinen Wunsch mehr, Böses zu tun (siehe Mosia 5:2).

  • Der Heilige Geist ist beständig bei uns, und die Lehren des Priestertums fallen uns auf die Seele wie der Tau vom Himmel (siehe LuB 121:45,46).

Brüder und Schwestern, ich spreche mich hier nicht für religiösen Eifer oder für Fanatismus aus. Ganz im Gegenteil! Ich empfehle lediglich, dass wir den nächsten logischen Schritt in unserer vollständigen Bekehrung zum Evangelium Christi gehen, indem wir dessen Lehren in tiefster Seele verankern und so handeln, dass wir beständig – und völlig redlich – das leben, wozu wir uns bekennen.

Diese völlige Redlichkeit vereinfacht uns das Leben und macht uns empfänglicher für den Heiligen Geist und die Bedürfnisse anderer. Sie bringt uns Freude ins Leben und Seelenfrieden – die Art Freude und Frieden, die sich einstellt, wenn wir von unseren Sünden umkehren und dem Heiland folgen, indem wir seine Gebote halten.

Wie bringen wir diese Wandlung zuwege? Wie verwurzeln wir diese Liebe Christi im Herzen? Es gibt eine einfache tägliche Gewohnheit, die sich entscheidend für alle Mitglieder der Kirche auswirken kann, darunter die Jungen und Mädchen, die Jungen Männer und die Jungen Damen, die Alleinstehenden und die Eltern.

Diese einfache Gewohnheit sieht so aus: Bitten Sie den Vater im Himmel an jedem neuen Tag beim Morgengebet, Sie so zu führen, dass Sie eine Gelegenheit erkennen, etwas für eines seiner kostbaren Kinder zu tun. Halten Sie dann den ganzen Tag über mit gläubigem und von Liebe erfülltem Herzen nach jemandem Ausschau, dem Sie helfen können. Verlieren Sie das nicht aus den Augen, so wie die Honigbienen die Blumen nicht aus den Augen verlieren, von denen sie Nektar und Blütenstaub sammeln. Wenn Sie es so halten, wird Ihr geistiges Feingefühl geschärft und Sie werden Gelegenheiten zu dienen entdecken, die Sie nie zuvor für möglich gehalten hätten.

Präsident Thomas S. Monson hat darüber gesprochen, dass der Vater im Himmel in vielen Fällen die Gebete eines anderen Menschen durch uns erhört – durch Sie und mich – durch unsere aufmunternden Worte und Taten, durch unsere einfachen Wohltaten und unsere Zuneigung.

Und Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt: „Gott sieht uns, und er wacht über uns. Was wir brauchen, gibt er uns aber normalerweise durch andere Menschen. Es ist also sehr wichtig, dass wir einander … dienen.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Spencer W. Kimball, 2006, Seite 96.)

Ich weiß, wenn Sie dies beherzigen – zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit und in der Kirche –, wird der Geist Sie leiten und Sie werden imstande sein, zu erkennen, wer gerade das braucht, was vielleicht nur Sie geben können. Sie werden vom Geist gedrängt und auf wunderbare Weise motiviert werden, dazu beizutragen, dass die Welt mit der reinen Liebe Christi und seinem Evangelium bestäubt wird.

Und vergessen Sie nicht: Wenn wir, so wie die kleine Honigbiene einen zwölftel Teelöffel Honig zu ihrem Bienenstock beisteuert, unsere Bemühungen, die Liebe Gottes zu seinen Kindern durch christliches Dienen weiterzugeben, um die von Gebeten begleiteten Bemühungen Abertausender, selbst Millionen anderer mehren, kommt dadurch irgendwann so viel Gutes zustande, dass in dieser Welt, die ja immer düsterer wird, das Licht Christi erstrahlt. Mit vereinten Kräften werden wir unserer eigenen Familie sowie den Einsamen, den Armen, den Gebrochenen und denjenigen Kindern des himmlischen Vaters, die nach Wahrheit und Frieden suchen, Liebe und Mitgefühl bringen.

Ich bete demütig darum, Brüder und Schwestern, dass wir in unseren täglichen Gebeten um die Inspiration bitten, jemanden zu finden, der wirklich unsere Hilfe braucht, auch in der Form, dass wir ihm die Wahrheit des Evangeliums bringen und Zeugnis geben. Mögen wir, wenn der Tag zur Neige geht, stets diese Fragen bejahen können: „Hab ich Gutes am heutigen Tag getan? Half ich jemand in Kummer und Plag?“ (Gesangbuch, Nr. 150.)

Dies ist Gottes Werk. Mögen wir uns ihm genauso eifrig widmen, wie sich die fleißigen kleinen Honigbienen dem ihren widmen. Darum bete ich demütig im Namen Jesu Christi. Amen.