2014
Elternsein – ohne digitale Ablenkung
Juni 2014


Eltern sein – ohne digitale Ablenkung

Der Heiland sagte schlicht: „Seht eure Kleinen.“ Die Nephiten wandten den Blick ihren Kindern zu. Was darauf folgte, gehört wohl zu den heiligsten Ereignissen in allen heiligen Schriften (siehe 3 Nephi 17:23,24).

Was dieses „Sehen“ bedeutet, erlebte ich zum ersten Mal, als unsere erste Tochter auf die Welt kam. Ihr zartes, beharrliches Weinen hatte mich um Mitternacht geweckt, und ich machte mich bereit, ihr die Flasche zu geben, als es geschah. Sie öffnete die Augen ganz weit und sah mir einige kostbare Augenblicke lang direkt in die Augen. Als sie und ich einander zum ersten Mal wirklich „sahen“, spürte ich etwas von dem immerwährenden Band zwischen uns.

Neurobiologische Studien bestätigen, wie wichtig es ist, dass Eltern und Kinder einander anschauen. Laut Neurobiologe Dr. Allan N. Schore ist diese Art der nonverbalen Kommunikation – sich gegenseitig anzuschauen – für die Entwicklung des Gehirns des Neugeborenen von enormer Bedeutung.1 Und auch in späteren Jahren ist diese Verbindung entscheidend für die mentale, emotionale und geistige Entwicklung unserer heranwachsenden Kinder.

Einander anzuschauen bedeutet mehr, als einander einen flüchtigen, beiläufigen Blick zu gönnen. Man wendet sich mit Herz und Verstand einander zu. Man schenkt seine ganze Aufmerksamkeit und vermittelt damit: „Ich sehe dich. Du bist mir wichtig.“

Dies erfordert von den Eltern heute oft auch die Disziplin, sich bewusst vom Bildschirm oder Display abzuwenden und mobile Endgeräte auszuschalten. Es kann bedeuten, dass man der Versuchung widerstehen muss, nachzusehen, ob man eine SMS oder Nachricht erhalten hat oder was es Neues in sozialen Netzwerken gibt. Möglicherweise ist es auch notwendig, für sich selbst und die Familie gut durchdachte Regeln zum Umgang mit Medien aufzustellen, damit Grenzen gesetzt werden, um die kostbare Zeit, die man einander in der Familie täglich widmet, zu schützen.

Wenn wir danach streben, unsere Kleinen achtsamer und häufiger anzusehen, stärken wir ihr Selbstvertrauen, vertiefen unsere Beziehung zueinander und genießen häufiger jene heiligen Momente, die uns ins Herz unserer Kinder blicken lassen.

Anmerkung

  1. Siehe „Relational trauma and the developing right brain: The neurobiology of broken attachment bonds“, zitiert in: Tessa Baradon, Hg., Relational Trauma in Infancy, 2010, Seite 19–47

Foto von David Stoker