Die Macht des Priestertums allen zugänglich
Die Vollmacht des Priestertums wird durch Ordinierung übertragen, aber die Macht des Priestertums ist allen zugänglich. Für jeden von uns ist Rechtschaffenheit das Kriterium dafür, dass die Macht des Priestertums in unserem Leben wirksam wird.
Es ist ein Segen, in dieser Zeit der Geschichte der Kirche zu leben, da Fragen über das Priestertum gestellt werden. Es gibt großes Interesse daran, mehr über die Vollmacht, die Macht und die Segnungen zu erfahren, die mit dem Priestertum Gottes einhergehen. Ich hoffe, dass die Lehre des Priestertums uns „auf [die] Seele fallen [wird] wie der Tau vom Himmel“ (LuB 121:45; Hervorhebung hinzugefügt). Ich bezeuge, dass der Herr sein Werk beschleunigt, und es ist dringend notwendig, dass wir verstehen, wie der Herr sein Werk vollbringt, damit wir die Kraft erlangen, die sich einstellt, wenn wir mit seinem Plan und seinen Absichten in Einklang stehen.
Der Herr hat sein Werk, nämlich „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“ (Mose 1:39), schon immer durch die Macht seines Priestertums vollbracht. Durch diese Macht wurden Himmel und Erde erschaffen. Mithilfe der heiligen Handlungen des Priestertums können die Folgen des Falls durch das Sühnopfer Jesu Christi überwunden werden. Da die Vollmacht des Priestertums dem Menschen zu dem Zweck anvertraut ist, die Kinder des himmlischen Vaters zu segnen, möchte er, dass wir die Macht des Priestertums zuhause zur Entfaltung bringen, damit unsere Familien und wir selbst gesegnet und gestärkt werden.
Bei der weltweiten Führerschaftsschulung 2013 betonte Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel nachdrücklich: „Die Männer sind nicht das Priestertum!“1 Ich habe dies als einen Weckruf an uns alle empfunden, uns eingehender mit dem Priestertum zu befassen, darüber nachzusinnen und es besser zu verstehen. Wenn Ihnen jemand – etwa ein Kind oder ein Freund, der einem anderen Glauben angehört – folgende Fragen stellen würde, könnten Sie sie beantworten?
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Was ist das Priestertum?
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Warum ist das Priestertum so wichtig?
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Was sind die Schlüssel des Priestertums?
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Wer hat die Schlüssel des Priestertums inne?
Was ist das Priestertum?
Das Priestertum ist die ewige Macht und Vollmacht Gottes, durch die er seine Kinder segnet, erlöst und erhöht. Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel hat es so formuliert: „Das Priestertum ist das Mittel, kraft dessen der Herr durch Menschen wirkt, um Seelen zu erretten. … Von einem Priestertumsträger wird erwartet, dass er seine heilige Vollmacht in Übereinstimmung mit der heiligen Absicht und dem Willen Gottes ausübt. Nichts am Priestertum ist ichbezogen. Das Priestertum wird immer dazu eingesetzt, anderen Menschen zu dienen, sie zu segnen und zu stärken.“2
Als ich mich eingehend mit dem Priestertum befasst und darüber nachgedacht habe, um es zu verstehen, fand ich es hilfreich, mir vorzustellen, wie die Welt wohl ohne das Priestertum wäre. Elder Robert D. Hales vom Kollegium der Zwölf Apostel ist diesem Gedanken nachgegangen: „Können Sie sich vorstellen, wie dunkel und leer das Leben ohne das Priestertum wäre? Wenn die Vollmacht des Priestertums nicht auf Erden wäre, könnte der Widersacher ungehindert herrschen und regieren. Es gäbe keine Gabe des Heiligen Geistes, der uns führt und erleuchtet, keine Propheten, die im Namen des Herrn sprechen, keine Tempel, wo wir heilige, ewige Bündnisse schließen können, keine Vollmacht, zu segnen und zu taufen, zu heilen und zu trösten. … Es gäbe kein Licht, keine Hoffnung – nur Finsternis.“3
Der Gedanke, es gäbe kein Priestertum, ist bedrückend. Ich jedenfalls verkünde voll Freude, dass durch einen Propheten Gottes in dieser letzten und herrlichen Evangeliumszeit der Fülle diese heilige Macht auf der Erde wiederhergestellt worden ist!
Elder Oaks legt uns nahe, darauf zu achten, wie wir den Begriff Priestertum verwenden: „Wir bezeichnen die Priestertumsträger zwar manchmal als ‚das Priestertum‘, aber wir dürfen niemals vergessen, dass jemand, der das Priestertum trägt, es nicht besitzt oder verkörpert. Es wird dem Priestertumsträger anvertraut, damit er diese heilige Gabe gleichermaßen zum Nutzen von Männern, Frauen und Kindern gebraucht.“4
Warum ist das Priestertum so wichtig?
Wir wissen: „Durch den göttlichen Plan des Glücklichseins können die Familienbeziehungen über das Grab hinaus Bestand haben. Heilige Handlungen und Bündnisse, die in einem heiligen Tempel zugänglich sind, ermöglichen es dem Einzelnen, in die Gegenwart Gottes zurückzukehren, und der Familie, auf ewig vereint zu sein.“5 Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Die Vollmacht des Priestertums ist wiederhergestellt worden, damit die Familien für die Ewigkeit gesiegelt werden können.“6
„Die Vollmacht des Priestertums ist notwendig, um die heiligen Handlungen des Evangeliums zu vollziehen. … Jede heilige Handlung öffnet reichen geistigen Segnungen Tür und Tor.“7 Jesus übertrug Petrus die heiligen Schlüssel des Reiches mit dem Auftrag: „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Matthäus 16:19.)
Was sind die Schlüssel des Priestertums?
Eine einfache Erklärung, was unter den Schlüsseln des Priestertums zu verstehen ist, findet man in der Zeitschrift New Era vom Mai 2012:
„Mit Schlüsseln kann man vieles tun, was man sonst nicht tun könnte – ein Gebäude betreten, Auto fahren, eine Truhe öffnen und vieles mehr. Schlüssel bedeuten also im Grunde genommen, dass man zu etwas ermächtigt ist oder auf etwas Zugriff hat.
Das gilt auch für die Schlüssel des Priestertums. Sie regeln den Zugriff auf die Segnungen und die heiligen Handlungen des Priestertums. … Schlüssel des Priestertums sind das Recht, über die Kirche zu präsidieren und ihr Weisung zu geben. … Diese Schlüssel beziehen sich in der Regel auf ein geografisches Gebiet wie eine Gemeinde, einen Pfahl oder eine Mission. Sie umfassen gewöhnlich auch die Vollmacht über bestimmte heilige Handlungen und bestimmte Unternehmungen (beispielsweise die Taufe, das Abendmahl, Missionsarbeit und Tempelarbeit).“8
Wer hat die Schlüssel des Priestertums inne?
„Jesus Christus hat sämtliche Priestertumsschlüssel inne, die seine Kirche betreffen. Er hat jedem einzelnen Apostel sämtliche Schlüssel übertragen, die das Reich Gottes auf Erden betreffen. Der dienstälteste lebende Apostel, der Präsident der Kirche, ist der einzige Mensch auf der Erde, der bevollmächtigt ist, alle Schlüssel des Priestertums auszuüben (siehe LuB 107:91,92). [Er wiederum] überträgt anderen Priestertumsführern Schlüssel des Priestertums, durch die sie in ihrem Verantwortungsbereich präsidieren können. … Die Leiter der Hilfsorganisationen und deren Ratgeber erhalten keine Schlüssel. Damit sie ihre Berufungen wahrnehmen können, wird Vollmacht an sie delegiert.“9
Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen der Vollmacht des Priestertums und der Macht des Priestertums. Die Vollmacht des Priestertums wird durch Ordinierung übertragen, aber die Macht des Priestertums ist allen zugänglich. Wir alle wünschen uns, dass die Macht des Priestertums in unserer Familie und unserem Zuhause zugegen ist, aber was können wir dafür tun, dass diese Macht in unserem Leben wirksam wird? Die eigene Rechtschaffenheit ist unerlässlich, um auf die Macht des Priestertums zugreifen zu können.
Machen wir uns mit der Lehre des Priestertums vertraut
Erstens: Streben Sie danach, der Gabe des Heiligen Geistes würdig zu sein. Da die Lehre des Priestertums am besten durch Offenbarung verstanden wird, ist es notwendig, dass der Heilige Geist uns die Lehre offenbart, sodass sie uns wie der Tau vom Himmel auf die Seele fallen kann.
Zweitens: Besuchen Sie den heiligen Tempel. Wir wissen, dass Tempel „die allerheiligsten Stätten der Anbetung“10 sind und den idealen Rahmen dafür schaffen, durch den Geist der Offenbarung mehr Kenntnis über das Priestertum zu erhalten.
Drittens: Lesen Sie die heiligen Schriften. Wenn wir in den heiligen Schriften lesen und forschen und darüber nachsinnen, machen wir uns empfänglich dafür, dass uns der Heilige Geist wichtige Wahrheiten über das Priestertum offenbart. Ich empfehle Ihnen, diese Schriftstellen aufmerksam und gebeterfüllt zu lesen: Lehre und Bündnisse Abschnitt 13, 20, 84, 107 und 121 sowie Alma 13. Außerdem lege ich Ihnen ans Herz, den Eid und Bund des Priestertums auswendig zu lernen, der in Lehre und Bündnisse 84:33-44 steht. Wenn Sie das tun, wird der Heilige Geist gewiss Ihr Verständnis vom Priestertum erweitern und Sie auf wunderbare Weise inspirieren und aufrichten.
Ich lege Ihnen auch ans Herz, Lehre und Bündnisse 121:34-46 zu lesen und sich selbst einige Fragen zu stellen wie etwa:
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Habe ich mein Herz auf die Dinge dieser Welt gesetzt?
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Strebe ich nach den Ehren der Menschen?
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Versuche ich, meine Sünden zu verdecken?
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Bin ich stolz?
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Übe ich Gewalt oder Herrschaft oder Nötigung auf meine Kinder, meinen Ehepartner oder andere aus?
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Strebe ich aufrichtig danach, Grundsätze der Rechtschaffenheit anzuwenden, wie etwa überzeugende Rede, Sanftmut, Langmut, Freundlichkeit, Milde und ungeheuchelte Liebe (nämlich aufrichtige, tief empfundene Liebe)?
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Ziert Tugend immerfort meine Gedanken?
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Sehne ich mich danach, dass der Heilige Geist mein ständiger Begleiter ist?
Die Worte überzeugende Rede, Sanftmut, Langmut, Freundlichkeit, Milde und ungeheuchelte Liebe gewannen für mich eine ganz neue Bedeutung, als ich an einen Segen zurückdachte, um den ich meinen Vater vor vielen Jahren gebeten hatte.
Als junge Alleinstehende rang ich mit einer schwierigen Entscheidung. Wie ich es bereits einige Male getan hatte, bat ich meinen Vater um einen väterlichen Segen. Da ich davon ausging, dass er meinem Wunsch sofort entsprechen würde, war ich überrascht, als er erwiderte: „Ich brauche ein wenig Zeit, um mich darauf vorzubereiten, dir diesen Segen zu geben. Ist es in Ordnung, wenn du noch ein paar Tage warten musst?“
Interessant ist, dass ich heute, vierzig Jahre später, nicht mehr weiß, was mein Vater in diesem väterlichen Segen gesagt hat, aber ich werde nie vergessen, welch tiefe Ehrfurcht mein Vater vor dem heiligen Priestertum hatte und dass er sich erst geistig darauf vorbereiten wollte, mir einen väterlichen Segen zu geben. Er verstand die Grundsätze aus Lehre und Bündnisse 121 und war entschlossen, danach zu leben, damit er sich dafür bereitmachen konnte, die Macht des Priestertums zum Segen seiner Familie zu nutzen.
Worte der lebenden Propheten
Es ist mir eine Ehre, fast täglich mit inspirierten Propheten, Sehern und Offenbarern zusammenzuarbeiten. Wenn wir die Lehre des Priestertums wirklich verstehen wollen, können wir uns an eine zuverlässige, von Gott gegebene Quelle wenden: Propheten, Seher und Offenbarer. Ich bezeuge, dass sie Männer Gottes sind, die aufgrund ihrer Rechtschaffenheit Macht im Priestertum besitzen.
Bei einer der letzten Generalkonferenzen hat Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel erklärt: „In dem großen, durch das Priestertum gestifteten Plan des himmlischen Vaters hat der Mann die einzigartige Aufgabe, im Priestertum zu amtieren, er verkörpert es jedoch nicht. Mann und Frau haben unterschiedliche, aber gleichwertige Rollen. Wie die Frau ohne den Mann kein Kind empfangen kann, so kann der Mann die Macht des Priestertums zur Gründung einer ewigen Familie nicht ohne die Frau ausüben. Anders ausgedrückt: Aus der Perspektive der Ewigkeit teilen sich Mann und Frau sowohl die Fortpflanzungskraft als auch die Macht im Priestertum.“11
Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass der sittliche Einfluss der Frauen eine ergänzende Gabe zur Macht des Priestertums ist. Präsident Howard W. Hunter (1907–1995) sprach zu den Frauen in der Kirche und forderte sie eindringlich auf: „[Wir] bitten Sie, Ihren mächtigen guten Einfluss dazu zu nutzen, unsere Familien, unsere Kinder und unsere Gemeinwesen stark zu machen.“12 Bei einer der letzten Generalkonferenzen sagte Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel zu den Frauen: „Ob Sie alleinstehend oder verheiratet sind, ob Sie Kinder zur Welt gebracht haben, ob Sie alt, jung oder mittleren Alters sind: Ihre moralische Autorität ist entscheidend.“13
Elder Ballard hat es ähnlich ausgedrückt: „Auf dieser Welt ist nichts so persönlich, so förderlich oder so lebensverändernd wie der Einfluss einer rechtschaffenen Frau.“14
Wir haben nun ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem heiligen Priestertum Gottes angesprochen, aber es gibt zweifellos noch weitere.
Gehorsam geht der Erkenntnis voraus
Ich schließe mit einer Erfahrung, die mir geholfen hat, mit unbeantworteten Fragen umzugehen. Vor ein paar Jahren wurden mein Mann und ich zu einer Versammlung eingeladen, an der viele erfahrene Führer der Kirche teilnahmen. Kurze Zeit zuvor war ein neuer präsidierender Beamter berufen worden, und am Ende der Versammlung wurde eine sehr schwierige und strittige Frage gestellt. Da uns die Schwierigkeit der Frage bewusst war, beteten mein Mann und ich sogleich im Stillen aufrichtig zum Vater im Himmel für den neuberufenen Führungsbeamten. Als er ans Rednerpult trat, um die Frage zu beantworten, stellte ich fest, dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Er stand aufrecht und würdevoll da und sprach mit der Macht des Herrn.
Seine Antwort lautete sinngemäß: „Lieber Bruder, ich kenne die Antwort auf Ihre Frage nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, was ich weiß. Ich weiß, dass Gott unser ewiger Vater ist. Ich weiß, dass Jesus Christus der Erretter und Erlöser der Welt ist. Ich weiß, dass Joseph Smith Gottvater und seinen geliebten Sohn Jesus Christus sah, und dass er das Werkzeug war, durch das die Macht des Priestertums auf der Erde wiederhergestellt wurde. Ich weiß, dass das Buch Mormon wahr ist und die Fülle des Evangeliums Jesu Christi enthält. Ich weiß, dass wir heute einen lebenden Propheten haben, der im Namen des Herrn spricht, damit wir Gottes Segen bei uns haben. Nein, ich kenne die Antwort auf Ihre Frage nicht, aber ich weiß, was ich eben bezeugt habe. Das Übrige nehme ich im Glauben an. Ich bemühe mich, mich an einen einfachen, glaubensvollen Leitsatz zu halten, den ich vor Jahren von Marjorie Hinckley, Ehefrau von Präsident Gordon B. Hinckley, gehört habe. Sie sagte: ‚Zuerst gehorche ich, dann verstehe ich.‘“
Das Priestertum Gottes ist eine heilige Gabe, die dem Menschen anvertraut wurde, damit Männer, Frauen und Kinder dadurch gesegnet werden und wir als Familie in Ewigkeit zusammen in der Gegenwart Gottes leben können. Für jeden von uns ist Rechtschaffenheit das Kriterium dafür, dass die Macht des Priestertums in unserem Leben wirksam wird. Möge uns diese Lehre wie Tau vom Himmel auf die Seele fallen und uns Gott näherbringen. Kirche, Priestertumsmacht und -vollmacht – all dies ist sein.