2016
Das Sühnopfer unseres Erlösers
März 2016


Das Sühnopfer unseres Erlösers

Nach einer Ansprache bei der Frühjahrs-Generalkonferenz 2004

Wenn wir das Sühnopfer des Herrn Jesus Christus wirklich verstehen könnten, würden wir erkennen, wie wertvoll jedes einzelne Kind Gottes ist.

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Christ in Gethsemane

Ausschnitt aus dem Gemälde Getsemani von Simon Dewey

Im Januar 2004 hat unsere Familie einen tragischen Verlust erlitten, als unser Enkel Nathan bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Nathan hat eine Mission in der russischsprachigen Baltikum-Mission erfüllt. Er hat die Menschen dort geliebt und gewusst, dass es ein Vorzug ist, dem Herrn zu dienen. Drei Monate nachdem ich die Eheschließung für die Ewigkeit im Tempel mit seiner Liebsten, Jennifer, vollzogen hatte, nahm ihm dieser Unfall das Leben. Nathan, der durch den Tod so plötzlich aus unserer Mitte gerissen wurde, hat das Herz und die Gedanken eines jeden von uns dem Sühnopfer des Herrn Jesus Christus zugewandt. Obwohl es mir unmöglich ist, die ganze Bedeutung des Sühnopfers Christi in Worte zu fassen, bete ich darum, dass ich erklären kann, was sein Sühnopfer mir und meiner Familie bedeutet und was es ebenso euch und eurer Familie bedeuten kann.

Die kostbare Geburt des Erretters, sein Leben, sein Sühnopfer im Garten Getsemani, das Leiden am Kreuz, seine Beisetzung in Josefs Grab und seine herrliche Auferstehung – dies alles wurde für uns noch wirklicher. Die Auferstehung des Erretters gibt uns allen die Gewissheit, dass auch wir ihm eines Tages folgen und unsere eigene Auferstehung erleben werden. Wie viel Frieden, wie viel Trost schenkt uns doch diese Gabe, die wir der liebevollen Gnade Jesu Christi, des Erretters und Erlösers der ganzen Menschheit, verdanken. Durch ihn wissen wir, dass wir wieder mit Nathan zusammen sein können.

Es gibt keinen größeren Ausdruck der Liebe als das heldenhafte Sühnopfer, das durch den Sohn Gottes vollbracht worden ist. Ohne den Plan des himmlischen Vaters, der ja vor der Grundlegung der Welt festgelegt wurde, hätte die ganze Menschheit – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – im wahrsten Sinne des Wortes keine Hoffnung auf ewigen Fortschritt. Infolge der Übertretung Adams waren die Menschen von Gott getrennt (siehe Römer 6:23) und sollten es für immer bleiben, wenn sich die Bande des Todes nicht irgendwie brechen ließen. Es sollte kein leichter Weg sein, denn er verlangte ein stellvertretendes Opfer von einem, der ohne Sünde war und der deshalb die Sünden der ganzen Menschheit auf sich nehmen konnte.

Dankenswerterweise hat Jesus Christus dieses Opfer im alten Jerusalem mutig gebracht. Dort, in der stillen Abgeschiedenheit des Gartens Getsemani, kniete er zwischen den knorrigen Olivenbäumen und nahm auf eine unfassbare Weise, die niemand von uns völlig begreifen kann, die Sünden der Welt auf sich. Obwohl sein Leben rein und frei von Sünde war, zahlte er die endgültige Strafe für Sünde – eure, meine und die eines jeden Menschen, der jemals gelebt hat. Seine psychische, seelische und geistige Qual war so groß, dass sie ihn aus jeder Pore bluten ließ (siehe Lukas 22:44; LuB 19:18). Und doch litt Jesus bereitwillig, damit wir alle rein gewaschen werden können – durch unseren Glauben an ihn, die Umkehr von unseren Sünden, die Taufe durch rechtmäßige Priestertumsvollmacht, durch die reinigende Gabe des Heiligen Geistes, die es bei der Konfirmierung gibt, und dadurch, dass wir alle anderen notwendigen Verordnungen annehmen. Ohne das Sühnopfer des Herrn stünde uns keine dieser Segnungen offen. Wir könnten nicht würdig und bereit sein, zu Gott zurückzukehren und in seiner Gegenwart zu leben.

Ich glaube, wenn wir das Sühnopfer des Herrn Jesus Christus wirklich verstehen könnten, würden wir erkennen, wie wertvoll jedes einzelne Kind Gottes ist. Ich glaube, dass die immerwährende Absicht des himmlischen Vaters für seine Kinder im Großen und Ganzen durch die kleinen und einfachen Dinge erreicht wird, die wir füreinander tun. In der Mitte des englischen Wortes Atonement [Sühnopfer] steckt das Wort one [eins]. Würden alle Menschen dies verstehen, dann gäbe es niemals auch nur einen, mit dem wir nichts zu tun haben wollten, ungeachtet seines Alters, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Religion oder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung. Wir würden danach streben, den Erretter nachzuahmen, und wären anderen gegenüber niemals unfreundlich, gleichgültig, unhöflich oder taktlos.

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Christ with sheep

Ausschnitt aus dem Gemälde Getsemani von Simon Dewey

Würden wir das Sühnopfer und den ewigen Wert einer jeden Seele wirklich verstehen, würden wir den verlorenen Jungen oder das verlorene Mädchen oder sonst jedes verlorene Kind Gottes suchen. Wir würden ihnen helfen, von der Liebe, die Christus für sie empfindet, zu wissen. Wir würden alles tun, was wir können, und ihnen helfen, sich auf die errettenden heiligen Handlungen des Evangeliums vorzubereiten.

Wenn ich an meinen Enkel Nathan denke und daran, wie wertvoll er für uns ist, kann ich viel besser nachempfinden, was der himmlische Vater für alle seine Kinder empfinden muss. Wir wollen nicht, dass Gott weint, weil wir nicht alles getan haben, was wir hätten tun können, um seinen Kindern die offenbarten Wahrheiten des Evangeliums mitzuteilen. Ich bete darum, dass ihr danach trachtet, die Segnungen des Sühnopfers zu erfahren, und dass ihr euch darum bemüht, würdig zu sein, dem Herrn auf Mission zu dienen. Jesus hat gesagt: „Und wenn … ihr alle eure Tage arbeitet, um dieses Volk zur Umkehr zu rufen, und auch nur eine einzige Seele zu mir führt, wie groß wird eure Freude mit ihr im Reich meines Vaters sein!“ (LuB 18:15; Hervorhebung hinzugefügt.) Aber nicht nur das, auch die Freude des Herrn wird groß sein über die Seele dessen, der umkehrt. Denn ihm ist der eine kostbar.

Der himmlische Vater hat uns durch das Sühnopfer des Erretters die Hand entgegengestreckt. Er lädt alle ein, „zu Christus [zu kommen], der der Heilige Israels ist, und an seiner Errettung und an der Macht seiner Erlösung [teilzuhaben]“ (Omni 1:26). Er hat uns gelehrt, dass wir durch glaubenstreues Befolgen der Grundsätze des Evangeliums, dadurch, dass wir die errettenden Verordnungen empfangen, die wiederhergestellt worden sind, durch beständiges Dienen und dadurch, dass wir bis ans Ende ausharren, in seine heilige Gegenwart zurückkehren können. Ist irgendetwas auf der ganzen Welt auch nur annähernd so wichtig, wie diese Tatsache zu begreifen?

Traurigerweise wird die Bedeutung eines Menschen in der heutigen Welt oft an der Größe des Publikums gemessen, vor dem er auftritt. Danach werden Medien- und Sportprogramme bewertet, die gesellschaftliche Bedeutung gemessen und oft auch Ämter besetzt. Das mag der Grund dafür sein, dass Rollen wie Vater, Mutter und Missionar selten stürmischen Beifall erhalten. Väter, Mütter und Missionare „spielen“ vor einem kleinen Publikum. Dennoch mag es in den Augen des Herrn nur eine Zuschauerzahl geben, die von bleibender Bedeutung ist – und das ist nur einer, jeder Einzelne, ihr und ich, und jedes einzelne Kind Gottes. Das Kuriose am Sühnopfer ist, dass es zwar unbegrenzt und ewig ist, doch individuell zum Tragen kommt, bei einem nach dem anderen.

Unterschätzt auf gar keinen Fall, wie kostbar der Einzelne ist. Denkt immer an die einfache Ermahnung des Herrn: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Johannes 14:15.) Bemüht euch immer darum, so zu leben, dass ihr aller heiliger Segnungen des Sühnopfers des Herrn Jesus Christus würdig seid. In unserem Kummer über die Trennung von unserem lieben Nathan haben wir den Frieden erlangt, den nur unser Erretter und Erlöser gewähren kann. Unsere Familie hat sich ihm zugewandt, einer nach dem anderen, und jetzt singen wir mit größerer Dankbarkeit und Einsicht:

Oh, es ist wunderbar, für mich ertrug er dies,

gab selbst sein Leben hin.

Oh, es ist wunderbar, wunderbar für mich.

(„Erstaunt und bewundernd“, Gesangbuch, Nr. 118.)

Mögt ihr jede Segnung, die das Sühnopfer des Herrn Jesus Christus bietet, anderen weitergeben und selbst empfangen.

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