2018
Achten wir stets auf unsere Gefühle
Juli 2018


Achten wir stets auf unsere Gefühle

Es gibt eine Kraft, die mächtiger ist als Erdbeben, tosender Wind oder verzehrendes Feuer. Doch sie ist sanft und leise, und wir müssen aufmerksam sein, wenn wir möchten, dass sie uns führt.

stormy day vs sunny day

Illustrationen von Irena Freitas

Am 27. Februar 2010 wurde morgens um 3:34 Uhr ein Großteil Chiles von einem Erdbeben der Stufe 8,8 auf der Momenten-Magnituden-Skala heftig erschüttert. Millionen Menschen wurden in Panik, Angst und Sorge versetzt.

Ein paar Tage später bekam ich den Auftrag, über eine Pfahlkonferenz zu präsidieren, die in der Nähe des Epizentrums dieses großen Bebens stattfand. Ich fragte mich, ob sich das Erdbeben und die anhaltenden Nachbeben auf die Anwesenheit bei der Konferenz auswirken würden. Überraschenderweise war die Anwesenheit bei jeder der Versammlungen höher als es bei vorigen Konferenzen der Fall gewesen war.

Offenbar erinnerte das Erdbeben die Mitglieder des Pfahles zumindest vorübergehend daran, wie wichtig es ist, Gott nahe zu sein, den Sabbat zu heiligen und die Versammlungen zu besuchen. Einige Wochen später telefonierte ich mit dem Pfahlpräsidenten. Ich fragte ihn, ob die Anwesenheit bei den Versammlungen der Kirche immer noch hoch sei. Er erwiderte, dass mit der abnehmenden Anzahl und Stärke der Nachbeben auch die Anwesenheit nachgelassen hatte.

Ein ähnliches Verhalten folgte auch auf die traurigen Ereignisse, bei denen im September 2001 das World Trade Center in New York zerstört wurde. Tausende Menschen wandten sich auf der Suche nach Frieden und Trost, den sie so dringend brauchten, ihrer Kirche zu. Doch mit der Zeit verlief sich diese Suche, und alles wurde wieder wie vorher. Erdbeben, Stürme oder Unglücksfälle und Tragödien, ob durch die Natur oder von Menschen verursacht, führen nicht dazu, dass man Glauben und ein Zeugnis entwickelt und eine dauerhafte Bekehrung erfährt.

Elija und die sanfte leise Stimme

In den Tagen des Propheten Elija war Ahab der König von Israel. Ahab heiratete Isebel, eine phönizische Prinzessin. Sie führte bei den Israeliten die Lebensweise der Phönizier ein, und damit auch den Götzendienst. Nachdem Elija die vielen Baalspriester am Hofe König Ahabs herausgefordert und bezwungen hatte, bedrohte Isebel das Leben des Propheten, der daraufhin in die Wüste floh (siehe 1 Könige 18:4,13,19,21-40; 19:1-4).

Nachdem er in der Wüste von einem Engel gespeist worden war, wanderte er 40 Tage und 40 Nächte zum Berg Horeb (siehe 1 Könige 19:5-8). In der Wüste erging das Wort des Herrn an Elija. Er sollte aus der Höhle herauskommen, in der er die Nacht verbracht hatte. Als er auf dem Berg vor dem Herrn stand, kam „ein starker, heftiger Sturm“ auf, der so mächtig war, dass er die Felsen und die Berge aufbrach, „doch der Herr war nicht im Sturm“. Dann kam ein Erdbeben, „doch der Herr war nicht im Erdbeben“. Dann kam ein Feuer, „doch der Herr war nicht im Feuer“ (1 Könige 19:11,12). Auch wenn der Wind, das Erdbeben und das Feuer sehr heftig waren, so waren sie doch keine Kundgebungen der Stimme des Herrn an den Propheten.

Nach dieser beeindruckenden Demonstration der Naturgewalten kam „ein sanftes, leises Säuseln“, und Elija hörte es (siehe 1 Könige 19:12,13). Die besänftigende Stimme des Herrn sagte ihm, wen er zum nächsten König über Aram salben sollte, wen er zum nächsten König von Israel salben sollte und dass er Elischa als seinen Nachfolger als Propheten salben sollte.

Der Stimme Gehör schenken

Die gleiche Stimme, die an Elija erging und die ihm sagte, was er in einer schwierigen Phase in seinem Leben und in seinem geistlichen Wirken tun sollte, ist immer noch für jedes Kind Gottes da, das aufrichtig den Willen des Vaters tun möchte. Doch wo können wir inmitten der vielen lauten, weltlichen Stimmen, die uns dazu verlocken, auf dunklen und verworrenen Pfaden zu wandern, die sanfte, leise Stimme finden, die uns sagt, was wir tun und sagen sollen und was wir nach dem Willen Gottes werden sollen?

Nephi rät uns: „Weidet euch an den Worten von Christus; denn siehe, die Worte von Christus werden euch alles sagen, was ihr tun sollt.“ (2 Nephi 32:3.)

Und wo finden wir die Worte von Christus, an denen wir uns dann weiden können? Wir können in den heiligen Schriften suchen, besonders im Buch Mormon, das für uns, die Bewohner dieser Generation, geschrieben und in seiner Reinheit bewahrt wurde. Wir hören auch auf die Worte der neuzeitlichen Propheten, die uns den Willen unseres ewigen Vaters und unseres Erretters Jesus Christus in dieser Zeit kundtun.

Die Worte der lebenden Propheten führen uns, wenn wir vor neuen, vielschichtigen Herausforderungen stehen. Als beispielsweise in den letzten Jahren die in der Welt vorherrschende Verwirrung und weltliche Philosophien darauf abzielten, die Auffassung von Ehe und Familie dauerhaft zu verändern, wiesen die Propheten mit ihren Worten nachdrücklich, mutig und liebevoll darauf hin, wie heilig die Familie ist. Sie verkündeten, „dass die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott verordnet ist und dass im Plan des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die Familie im Mittelpunkt steht“1.

Die heutigen Propheten und Apostel haben auch betont, wie wichtig es ist, den Sonntag zu Hause und in der Kirche heiligzuhalten und die Errettung unserer Vorfahren durch Familienforschung und Tempelarbeit zu bewerkstelligen. Bei jeder Generalkonferenz geben sie der Kirche zusätzliche geistige Führung.

Der Heilige Geist wird Sie führen

man sitting in a boat with telescope

Nephi sagt weiter: „Wenn ihr auf dem Weg eintretet und den Heiligen Geist empfangt, wird er euch alles zeigen, was ihr tun sollt.“ (2 Nephi 32:5.) Nachdem er also bekräftigt hat, wie wichtig es ist, in den Worten von Christus zu forschen, gibt uns Nephi nun Anweisungen, inwiefern wir direkt und persönlich mit dem Heiligen Geist, dem dritten Mitglied der Gottheit, kommunizieren müssen.

Nephi wusste ganz genau, wovon er sprach. Etwa 30 oder 40 Jahre zuvor, als seine Familie noch in der Wildnis war und er ein Schiff baute, das sie in das verheißene Land bringen sollte, wies Nephi seine älteren Brüder zurecht, weil sie Unrecht taten, selbst nachdem sie die Stimme eines Engels gehört hatten.

Nephi sprach zu ihnen: „Ihr seid schnell, Übles zu tun, aber langsam, euch des Herrn, eures Gottes, zu erinnern. Ihr habt einen Engel gesehen, und er hat zu euch gesprochen; ja, ihr habt seine Stimme von Zeit zu Zeit gehört; und er hat mit einer leisen, sanften Stimme zu euch gesprochen, aber ihr hattet kein Gefühl mehr dafür, und so konntet ihr seine Worte nicht fühlen; darum hat er wie mit einer Donnerstimme zu euch gesprochen, sodass davon die Erde bebte, als würde sie zerbersten.“ (1 Nephi 17:45.)

Wir dürfen nicht unser Gefühl verlieren

Wenn Gott zu seinen Kindern spricht, geschieht das normalerweise durch den Heiligen Geist, der wiederum meistens mit einer Stimme zu uns spricht, die uns in Herz und Sinn dringt: „Die leise, sanfte Stimme, die durch alles flüstert und alles durchdringt.“ (LuB 85:6.) Hören wir auf diese sanfte Stimme, und warten wir nicht, bis jemand mit Donnerstimme zu uns sprechen muss! Denken wir daran: Elija erkannte, dass die Stimme des Herrn weder im Sturm noch im Erdbeben noch im Feuer war. Der Herr sprach zu ihm durch den Heiligen Geist – mit einer sanften, leisen Stimme.

„Die Stimme des Geistes [stellt] sich eher als Gefühl denn als Klang [dar]“, erklärte Präsident Boyd K. Packer (1924–2015), Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel. „Ihr werdet lernen zu ‚horchen‘, wie ich es gelernt habe, denn diese Stimme fühlt man eher, als dass man sie hört. …

Sie ist eine geistige Stimme, die uns als Gedanke in den Sinn kommt oder als Gefühl ins Herz gelegt wird.“2

Anders als die Worte, die wir mit unseren Ohren hören, fühlen wir die Worte des Heiligen Geistes in Herz und Sinn. Achten wir stets auf diese Eingebungen! Mögen wir unseren Sinn und unser Herz öffnen, um die Worte der Propheten zu empfangen. Mögen wir dem Heiligen Geist ermöglichen, uns weiterhin durch die leise, sanfte Stimme zu belehren. Als der Erretter seine Jünger über den Heiligen Geist aufklärte, den sie nach seinem Weggang erhalten sollten, sagte er ihnen: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern.“ (Johannes 14:26.)

Jedes treue Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat das Anrecht und den Segen, durch den Heiligen Geist persönliche Führung, Inspiration und persönliche Offenbarung vom Himmel zu erhalten.

Präsident Thomas S. Monson (1927–2018) hat gesagt: „Lasst euch von der sanften, leisen Stimme leiten. Denkt daran, dass jemand, der Vollmacht hatte, euch bei der Konfirmierung die Hände aufgelegt und zu euch gesagt hat: ‚Empfange den Heiligen Geist.‘ Öffnet dem Klang dieser besonderen Stimme, die von der Wahrheit Zeugnis ablegt, euer Herz, ja, euer tiefstes Inneres. Der Prophet Jesaja hat verheißen: ‚Deine Ohren werden es hören, wenn er dir nachruft: Hier ist der Weg, auf ihm müsst ihr gehen‘ [Jesaja 30:21].“3

Anmerkungen

  1. „Die Familie: Eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Mai 2017, Umschlaginnenseite hinten

  2. Boyd K. Packer, „Ratschläge für die Jugend“, Liahona, November 2011, Seite 17

  3. Thomas S. Monson, „Glauben, gehorchen und ausharren“, Liahona, Mai 2012, Seite 129