Flugbegeisterung trifft Geschichte
Hannover (MS): Am Samstag, dem 22. Juni 2019, fuhr ich mit meinem Sohn nach Faßberg in die Lüneburger Heide, wo auf dem Fliegerhorst der Bundeswehr eine Veranstaltung anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Luftbrücke Berlin stattfand. Damals versorgten amerikanische Flugzeuge des Typs DC-3 die Stadt, die aus politischen Gründen vom Landweg abgeschnitten war, mit allen lebensnotwendigen Gütern.
Mein Sohn erkannte einen von Menschen umringten alten Mann als denjenigen, der damals beim Landeanflug auf Berlin an kleinen, aus Taschentüchern hergestellten Fallschirmen Süßigkeiten für Kinder abgeworfen hatte. Die Transportmaschinen wurden dann infolgedessen als „Rosinenbomber“ bezeichnet.
Ich ging auf diesen Mann zu und sagte ihm, dass die DC-3 mich begeistert, weil ich mit ihr über den Flugsimulator am Computer ein wenig vertraut sei. Nachdem wir uns auf sehr nette Weise unterhalten hatten, überraschte er mich zum Abschied mit den Worten „God bless you“.
Sofort entgegnete ich, dass ich überzeugt sei, dass Jesus Christus mein Erlöser ist. Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu „I am a Mormon“ und erschrak gleich darüber, weil ich mir vorgenommen hatte, der Aufforderung von Präsident Nelson zu folgen und mich künftig nur noch als Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vorzustellen. Mich überraschte seine unmittelbare Antwort „me too“. Ich konnte nicht mehr an mich halten und umarmte diesen lieben alten Mann, der diese Geste herzlich erwiderte.
Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Gail Halvorsen ein Mitglied unserer Kirche ist. Er ist 98 Jahre alt und hat mit seiner Idee, Süßigkeiten für die Kinder des eingeschlossenen Berlin an kleinen selbstgebastelten Fallschirmen abzuwerfen, die aus Taschentüchern bestanden, nicht nur viele Pilotenkollegen zur freiwilligen Mitarbeit motiviert, sondern unzähligen Kindern die so dringend benötigte Freude ins Nachkriegsberlin gebracht. Noch heute spürt man die Liebe und Freundlichkeit, die dieser Mann ausstrahlt.
Vor zehn Jahren – im Rahmen der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Endes der Luftbrücke – flog Halvorsen im Mai 2009, diesmal als Passagier, erneut in einem „Rosinenbomber“ über das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof und warf rund 1000 Schokoladenpäckchen über dem Rollfeld ab.