2021
Wie man sich auf die Kraft positiver Kommunikationsmuster stützen kann
August 2021


Nur online: Junge Erwachsene

Wie man sich auf die Kraft positiver Kommunikationsmuster stützen kann

Es geht um mehr als nur zu lächeln oder etwas Nettes zu sagen – es geht darum, einander zu helfen, Gottes Liebe zu spüren

Zwei junge Frauen lachen miteinander

Flüchtige Bekannte halten mich oft für eine Frohnatur. Ich selbst jedoch habe mich noch nie als strahlenden Sonnenschein gesehen. Tatsächlich hängt an der Wohnzimmerwand meiner Eltern ein ziemlich deutlicher Beleg dafür, dass ich manchmal nicht unbedingt bester Laune bin.

Als ich noch klein war, kamen eines Sommers meine Großeltern zu Besuch. Wir wollten die Gelegenheit nutzen und auch ein paar Fotos fürs Familienalbum aufnehmen lassen. Mit meinem Kleid im rosa Karomuster und dem passendem Hut mit breiter Krempe war ich bestens vorbereitet. Doch als ich nicht – wie etliche andere – auf einem Hocker sitzen durfte, sank meine Stimmung auf den Gefrierpunkt.

Meinen Unmut darüber tat ich dadurch kund, dass ich die ganze Zeit über meinen finstersten Blick aufsetzte. Was ein schönes Erlebnis mit meiner Familie hätte werden sollen, führte dazu, dass jahrzehntelang über „das muffelige Karokleid“ gescherzt wurde.

Heute kann ich darüber lachen. Dennoch erinnert mich dieses Familienfoto ständig daran, welche Kraft einer positiven Einstellung innewohnt. Wer eine positive Einstellung hat, führt offenbar ein angenehmeres Leben. Wem macht es denn schon wirklich Spaß, immerzu sauer zu sein? Einer positiven Lebenseinstellung werden ja bereits seit langem auch verschiedene gesundheitliche Vorteile nachgesagt, wie zum Beispiel weniger Stress, geringeres Risiko für Herzkrankheiten und sogar ein längeres Leben.1

Eine positive Einstellung wirkt sich aber nicht nur auf einen selbst positiv aus. Unsere Denkweise (ob positiv oder negativ) kann jeden beeinflussen, mit dem wir zu tun haben. Wir sind aufgefordert, voller Freude „guten Mutes“ (Lehre und Bündnisse 61:36; 78:18) zu sein, und wenn wir das auch bei der Kommunikation beherzigen, können wir selbst – und unsere Mitmenschen – die Liebe unseres Vaters im Himmel und unseres Erretters in noch reicherem Maße spüren.

Nachfolgend ein paar Methoden, wie wir die Kraft nutzen können, die positiven Kommunikationsmustern innewohnt.

1. Dem Kommunikationsmuster des Erretters folgen

Es gibt kein besseres Beispiel für positive Kommunikation als den Erretter. Er zeigte seine Liebe dadurch, dass er den Menschen Freundlichkeit, Mitgefühl und Verständnis entgegenbrachte.

Elder L. Lionel Kendrick, ein emeritierter Generalautorität-Siebziger, hat gesagt: „Christliche Verständigung ist Ausdruck der Zuneigung und nicht des Zorns, der Wahrheit und nicht der Erdichtung, der Liebe und nicht des Streits, der Achtung und nicht des Spotts, des Rats und nicht der Kritik, der Zurechtweisung und nicht des Schuldspruchs. Sie äußert sich deutlich und nicht verschwommen. Sie mag zärtlich oder hart sein, aber sie muss immer gemäßigt sein.“2

Zweifellos kommt es auf die Art, wie wir etwas sagen, genauso an wie auf das, was wir sagen.3 Das habe ich schon in jüngeren Jahren als Klavierschülerin gelernt. Mein ganzes Leben lang hatte ich immer wieder Klavierunterricht. Daher habe ich viele Unterrichtsstile erlebt. Es könnte einen schon abschrecken, endlos viele Etüden so lange üben zu müssen, bis sie perfekt sitzen. Doch zum Glück hatte ich Lehrer, die außergewöhnlich gut darin waren, mich einfühlsam zu korrigieren und gleichzeitig auch zu motivieren. So lernte ich, welch ungeheure Macht einem freundlichen Wort innewohnt.

2. Das Leben positiv sehen

Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht: Unsere Einstellung kann sich nicht nur auf die Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen kommunizieren, sondern auch auf eine Vielzahl anderer Lebensbereiche auswirken. Präsident Thomas S. Monson (1927–2018) hat gesagt: „So viel hängt von unserer Einstellung ab. Entscheidend ist, wie wir etwas betrachten und wie wir auf andere reagieren. Wenn wir unser Bestes geben und dabei unsere Umstände, wie sie auch aussehen mögen, freudig annehmen, kann uns das Frieden und Zufriedenheit schenken.“4

Eine Möglichkeit, zu einer positiven Grundeinstellung zu gelangen, besteht darin, uns dem Heiligen Geist zu öffnen. Das können wir tun, indem wir Glauben ausüben, anstatt zu zweifeln oder uns zu fürchten (siehe Lehre und Bündnisse 6:36), die Gabe der Umkehr freudig annehmen, an unserem Zeugnis arbeiten und uns bemühen, in unserem Leben die Hand des Herrn zu erkennen. Zudem habe ich festgestellt, dass mein Tag positiver verläuft, wenn ich Zeit für das Schriftstudium einplane (und mich dann auch an den Plan halte). All dies hilft uns, den Heiligen Geist vermehrt zu spüren, was wiederum unsere Hoffnung nährt.

Positiv zu denken bedeutet natürlich nicht, alle negativen Gefühle auszublenden. Gelegentlich habe ich fälschlicherweise gedacht, dass es mir an Glauben mangelt, wenn ich Bedenken äußere oder auch mal zeige, dass ich betrübt bin. Sharon Eubank, Erste Ratgeberin in der Präsidentschaft der Frauenhilfsvereinigung der Kirche, hat dazu gesagt: „Eine positive Einstellung bedeutet nicht, dass man ein künstliches Lächeln aufsetzt, ganz gleich, was sich ereignet. Aber es bedeutet, die Gesetze Gottes zu halten und unsere Mitmenschen aufzubauen und ihnen Mut zu machen. Wenn wir andere aufbauen, wenn wir ihnen die Last leichter machen, werden wir in einer Weise gesegnet, die uns auch unsere Prüfungen nicht nehmen können.“5 Keiner ist vor negativen Gefühlen gefeit. Doch glücklicher werden wir, wenn wir uns nicht mit den eigenen Sorgen aufhalten, sondern bemüht sind, unsere Mitmenschen aufzurichten.

3. Die 5:1-Regel im Auge behalten

Optimismus ist vielleicht nicht messbar, aber gewisse Indikatoren erlauben uns zu bewerten, inwieweit wir im Umgang mit anderen eine positive Einstellung an den Tag legen. Der Psychologe Dr. John Gottman hat jahrzehntelang untersucht, was eine gesunde Beziehung auszeichnet. Er beobachtete Tausende Paare und entwickelte dann eine Formel, die mit über 90-prozentiger Genauigkeit eine Vorhersage darüber erlaubt, ob ein Paar in den kommenden Jahren zusammenbleibt oder nicht.6

Was fand er heraus? Wenn glückliche Paare in eine Konfliktsituation geraten, stehen bei ihnen normalerweise jeder negativen Interaktion mindestens fünf positive gegenüber. Eine positive Interaktion bedeutet zum Beispiel, einander ein Kompliment zu machen, Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen und den Blickwinkel seines Gegenübers anzuerkennen. Negativ interagiert, wer etwa die Augen verdreht, abwehrend oder abweisend reagiert oder Kritik übt.7

Gottman hat zwar Liebespaare in den Mittelpunkt seiner Studie gerückt, seine Schlussfolgerungen lassen sich aber verallgemeinern und belegen, wie schädlich sich eine negative Haltung auf jede Art von Beziehung auswirkt.

In der Bibel heißt es: „Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, auferbaut und denen, die es hören, Nutzen bringt!“ (Epheser 4:29.) Wir sind vielleicht nicht immer ein- und derselben Meinung, aber wir können selbst dann freundlich bleiben, wenn wir mit unserem Gegenüber nicht übereinstimmen. Wenn wir bestrebt sind, einander selbst angesichts von Meinungsverschiedenheiten aufzubauen, können wir dem anderen die Last leichter machen und Platz für mehr Freude schaffen.

4. Den Gläubigen ein Vorbild

Inzwischen lächle ich auf jedem Familienfoto – selbst wenn ich stehen muss. Außerdem begreife ich nun langsam, welchen Einfluss meine Einstellung auf meine Mitmenschen haben kann – zum Guten ebenso wie zum Schlechten.

Zwar bin ich alles andere als vollkommen, aber bei Gesprächen bin ich ganz besonders darauf bedacht, etwa meine Wertschätzung für meinen Mann oder andere Angehörige zum Ausdruck zu bringen und letztlich „den Gläubigen ein Vorbild in [meinen] Worten, in [meinem] Lebenswandel, in der Liebe“ (1 Timotheus 4:12) zu sein.

Es sind oft nur Kleinigkeiten, doch es ist die Kombination all dessen – ein offenes Ohr, aufmunternde Zustimmung, eine aufrichtige Entschuldigung –, die oft die größte Wirkung entfaltet. Durch solche Kleinigkeiten können wir dem Erretter nacheifern und unsere Mitmenschen an der Liebe Gottes teilhaben lassen.

Wenn wir seine Liebe weitergeben, spüren wir sie ebenfalls.

Anmerkungen

  1. Siehe „Positive thinking: Stop negative self-talk to reduce stress“, Mayo-Klinik, 21. Januar 2020, mayoclinic.org/healthy-lifestyle/stress-management/in-depth/positive-thinking/art-20043950; siehe auch Jane E. Brody, „A Positive Outlook May Be Good for Your Health“, New York Times, 27. März 2017, nytimes.com

  2. L. Lionel Kendrick, „Christliche Verständigungsbereitschaft“, Der Stern, Januar 1989, Seite 21

  3. Siehe L. Lionel Kendrick, „Christliche Verständigungsbereitschaft“, Seite 20

  4. Thomas S. Monson, „Das Leben in Fülle“, Liahona, Januar 2012, Seite 4

  5. Sharon L. Eubank, „Schalten Sie Ihr Licht an“, Liahona, November 2017, Seite 8

  6. Siehe Emily Esfahani Smith, „Masters of Love“, The Atlantic, 12. Juni 2014, theatlantic.com/health/archive/2014/06/happily-ever-after/372573

  7. Siehe Kyle Benson, „The Magic Relationship Ratio, According to Science“, The Gottman Institute, 4. Oktober 2017, gottman.com/blog/the-magic-relationship-ratio-according-science

  8. Siehe Zur Stärkung der Familie – Leitfaden für den Lehrer, Seite 28–32

  9. Dieter F. Uchtdorf, „Glücklichsein – Ihr Erbe“, Liahona, November 2008, Seite 120

  10. Siehe Zur Stärkung der Ehe – Leitfaden für den Lehrer, Seite 17