Stimmen aus vergangenen Zeiten
Den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen
Bonstetten (MA): Im Winter vor 30 Jahren durften Bruder Michael Staack aus Hamburg und ich gemeinsam im wunderschönen Wales dienen. Das hübsche Städtchen, in dem wir bei unserer älteren Landlady Ms. Jones wohnten, heisst Newcastle Emlyn.
Mister Cooper lernten wir unter ungewöhnlichen Umständen kennen. Wir waren mit unseren schwerfälligen Fahrrädern unterwegs. Der Abend war schon recht fortgeschritten, und wir waren müde. Ausserdem war es gemäss der Missionsregeln an der Zeit, nach Hause zu fahren. Wir hatten jedoch das sehr starke Gefühl, dass der Tag noch nicht seine Bestimmung erhalten hatte, und schleppten uns auf einen Hügel. Dort brannte in einem Haus ein schwaches Licht. Im kleinen Vorgarten schaufelte erstaunlicherweise ein Mann in der Dunkelheit. Wir kamen mit ihm in ein Gespräch. Er erzählte uns, dass er gerade die Asche seiner kürzlich verstorbenen Frau in der Erde vergrabe. Er trauerte sichtlich. Wir sprachen draussen in der Kälte über verschiedene Dinge des Lebens und durften ihm ein Buch Mormon überreichen. Er versicherte uns, es zu lesen, war aber in meiner Erinnerung eher kritisch gesinnt. Wir sollten nach drei Tagen wieder vorbeikommen.
Dies taten wir natürlich und waren mehr als erstaunt, dass er nicht nur ein paar unserer markierten Lieblingsstellen, sondern das ganze Buch gelesen hatte. Dergleichen war mir bis anhin noch nie widerfahren und schien mir eine dieser Missionsgeschichten zu sein, die den Zweck hatten, uns zu motivieren. Dieser Mann, ein über 80-jähriger Kriegsveteran, teilte uns rund 72 Stunden später mit, dass dies das Wort Gottes sei! Zudem seien beim Lesen seine schier unerträglichen Schmerzen viel schwächer geworden. Wir gingen mit ihm die damals üblichen sechs Lektionen durch. Er besuchte unsere Kirche und war begeistert. Man spürte sichtlich, wie er im Herzen weicher wurde. Wenige Wochen später, frühmorgens um 7 Uhr am Karsonntag, dem 11. April 1993, wurde dieser liebenswerte, von den Erlebnissen des Zweiten Weltkrieges, einem harten Leben und der Trauer gezeichnete Mann, auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin, bei eisiger Kälte im Fluss Cenarth getauft. Danach begaben sich sämtliche Mitglieder der örtlichen Gemeinde zu den gemieteten Räumlichkeiten unterhalb des Büros der Bürgermeisterin. Während der Abendmahlsversammlung wurde ihm die Gabe des Heiligen Geistes gespendet.
Dieser Tag war der freudigste auf meiner zweijährigen Mission. Ich habe dabei gelernt, dass ich immer auf die Eingebungen des Heiligen Geistes hören und ihnen folgen soll. Bis heute versuche ich, dies zu tun, auch wenn das Gefühlte manchmal unlogisch und nicht der Norm zu entsprechen scheint, sei dies mit meinen vier lieben Kindern oder in sonstigen Situationen im Leben. Ich bin überzeugt, dass dieses denkwürdige Treffen an jenem Winterabend die einzige Gelegenheit war, das Herz dieses Bruders zu berühren. Er starb ein Jahr später. Glücklicherweise hatte er vorher mit dem Leben und seinem himmlischen Vater Frieden gefunden und alle Bitterkeit verloren.
An jedem Osterfest denke ich an die damaligen Geschehnisse zurück, wobei mein Herz sich jeweils erwärmt und die Erinnerung an diesen Bruder wach wird.