Zu Christus kommen, indem wir in den heiligen Schr
„Wenn wir nur gelegentlich einen Blick in die heiligen Schriften werfen, geht die Tür zu den Eingebungen des Geistes normalerweise nicht auf.”
Der Herr hat seinen Jüngern bei zahlreichen Gelegenheiten geboten, in den heiligen Schriften zu forschen, um die Lehren der Errettung zu lernen und danach leben zu können. Während seines irdischen Wirkens hat Christus gesagt: „Ihr erforscht die Schriften; … gerade sie legen Zeugnis über mich ab.” (Johannes 5:39.) Als Christus nach seiner Auferstehung in der westlichen Hemisphäre erschien, zitierte er aus den heiligen Schriften und sagte zu den Nephiten: „Ihr solltet hierin forschen; ja, ein Gebot gebe ich euch, hierin eifrig zu forschen.” (3 Nephi 23:1.) In unserer Zeit trägt der Herr seinen Anhängern auf: „Forscht in diesen Geboten, denn sie sind wahr und treu, und die Prophezeiungen und Verheißungen, die darin enthalten sind, werden sich alle erfüllen.” (LuB 1:37.)
Jesus Christus hat dem Propheten Joseph Smith offenbart, daß es möglich ist, durch die heiligen Schriften seine Stimme zu hören und seine Worte zu erkennen. Er hat gesagt: „Diese Worte sind nicht von den Menschen, auch nicht von einem Menschen, sondern von mir; … Denn es ist meine Stimme, die sie zu euch redet; denn sie werden euch von
meinem Geist gegeben, … und durch meine Macht könnt ihr sie einander vorlesen … darum könnt ihr bezeugen, daß ihr meine Stimme vernommen habt und meine Worte kennt.” (LuB 18:34-36.)
Um zu Christus zu kommen und in ihm vollkommen zu werden, muß man ein Zeugnis von den Worten des Herrn erlangen. Manche Menschen schaffen das nicht, und zwar deshalb, weil sie die Bücher nicht aufschlagen; andere schaffen es deshalb nicht, weil sie nur flüchtig darin lesen. Es ist natürlich etwas anderes, ob man eifrig in den heiligen Schriften forscht beziehungsweise gründlich darüber nachsinnt oder ob man flüchtig darin liest. Der Unterschied wird anhand der folgenden Begebenheit aus der Geschichte der Kirche deutlich.
Ein sechsjähriger Junge irrte während eines Sturms von seiner Handkarrenabteilung ab und ging verloren. Als der Sturm nachließ, merkten Robert und Ann Parker, daß ihr Sohn nicht mehr da war, und begannen ihn zu suchen. Zwei Tage lang wurde nach ihm gesucht, aber er wurde nicht gefunden. Dann wurde beschlossen, daß die Abteilung weiterzog, weil der Winter nahe war.
In einem Pioniertagebuch findet sich die folgende Eintragung: „Ann Parker steckte ihrem Mann einen leuchtendroten Schal an die mageren Schultern und schickte ihn allein den Weg zurück, damit er noch einmal nach ihrem Kind suchte. Wenn er ihn tot fand, sollte er ihn in den Schal wickeln; wenn das Kind noch lebte, sollte er den Schal als Flagge benutzen, um ihr ein Zeichen zu geben. Ann und die Kinder luden sich ihre Last wieder auf und zogen mit der Abteilung weiter, während Robert den Weg noch einmal zurückging …, wobei er nach seinem hilflosen kleinen Sohn rief und für ihn betete.”
Er blickte gewiß nicht bloß ab und zu hinter einen Baum und ging auch nicht gemächlich den Weg entlang, sondern er suchte ganz gewiß jedes Dickicht, jede Baumgruppe, jeden Graben gründlich ab.
„Endlich kam er … an einer Handelsstation an und erfuhr dort, sein Sohn sei von einem Holzfäller und dessen Frau gefunden worden, die sich seiner angenommen hätten. [Der Junge] war vor Kälte und Angst krank gewesen, [aber] Gott hatte die Gebete seines Volkes erhört.
Jeden Abend hielten Ann und ihre Kinder Wache, und als am dritten Abend in den Strahlen der untergehenden Sonne der hellrote Schal [den sich ihr Mann um den Kopf geschlungen hatte] sichtbar wurde, sank die tapfere kleine Mutter in einen Sandhaufen. … Sie schlief nach sechs Tagen zum ersten Mal wieder.” (Camilla W. Judd, zitiert in Kate B. Carter, Hg., Treasures of Pioneer History, 6 Bde., Salt Lake City, 1952-57, 5:240f.)
Diese Begebenheit verdeutlicht, wie anders es ist, wenn man bloß hinschaut, als wenn man „eifrig forscht”. Wenn wir nur gelegentlich einen Blick in die heiligen Schriften werfen, dann geht die Tür zu den Eingebungen des Geistes normalerweise nicht auf, und wir bekommen auch keinen Einblick in das Leben und den Charakter des Erretters. Wir müssen mit der gleichen Energie in den Schriften forschen, wie Robert Parker nach seinem Sohn suchte und wie die Mutter den Horizont absuchte, wenn wir seine Stimme hören und seine Worte erkennen wollen. Präsident Howard W. Hunter vom Rat der Zwölf hat auf einer Generalkonferenz einmal folgendes gesagt:
„Wer sich in die heiligen Schriften vertieft, … macht die Erfahrung, daß man, um sie zu verstehen, mehr tun muß als sie nur flüchtig lesen - man muß sie konzentriert studieren. … Wer jeden Tag die heiligen Schriften studiert, erreicht viel mehr als jemand, der sich einen Tag sehr viel Zeit dafür nimmt und dann wieder Tage verstreichen läßt, bis er weiterliest.” (Generalkonferenz, Oktober 1979.)
Wie wichtig es ist, die Worte des Herrn zu besitzen und darin zu forschen, geht auch aus dem Buch Mormon hervor. Der Prophet Lehi und seine Familie waren von Jerusalem bis ans Rote Meer und dann noch drei Tagereisen weit in die Wildnis gezogen, da erinnerte der Herr Lehi daran, daß er sein geistiges Rüstzeug nicht bei sich hatte. Die Familie hatte Jerusalem in solcher Eile verlassen, daß sie die heiligen Schriften nicht mitgenommen hatten. Jetzt hatten sie die Worte des Herrn an die früheren Propheten nicht.
In einem Traum wurde Lehi geboten, seine Söhne nach Jerusalem zurückzuschicken, damit sie dort die Messingplatten holten, die die Aufzeichnungen der Propheten und die Stammtafel seiner Vorfahren enthielten. Nach beträchtlichen Mühen und einiger Zeit kehrten die Söhne mit den Platten zum Zelt des Vaters zurück. Im Buch Mormon steht, daß sie dem Herrn für die sichere Rückkehr dankten und dann die Platten durchsahen: „Wir hatten sie durchgesehen und gefunden, daß sie uns sehr zustatten kommen würden, ja, sie waren für uns von großem Wert, denn dadurch konnten wir die Gebote des Herrn für unsere Kinder bewahren.” (l Nephi 5:21.)
Die Messingplatten im Verein mit ihren eigenen Aufzeichnungen gestatteten es der Familie, das Wort des Herrn von einer Generation an die nächste weiterzugeben. Durch die heiligen Schriften und durch das Gebet entwickelte jede der darauffolgenden Generationen Glauben an Christus.
Mit dem Schriftstudium sind bestimmte Segnungen verbunden. Wenn man die Worte des Herrn studiert und sie befolgt, dann kommt man dem Herrn näher und ist mehr von dem Wunsch erfüllt, rechtschaffen zu leben. Die Kraft, der Versuchung zu widerstehen, nimmt zu, und geistige Schwächen werden überwunden. Geistige Wunden heilen.
Lehi hatte seinen großen visionären Traum bald, nachdem er in den Messingplatten geforscht hatte (siehe l Nephi 8). In diesem Traum sah Lehi einen Baum, dessen Frucht überaus weiß und sehr süß im Geschmack und begehrenswerter war als jede andere Frucht. Er sah einen Weg, der zu dem Baum führte, und an dem Weg entlang eine eiserne Stange. Er sah auf dem Weg finstere Nebelschwaden, die manche vom Weg abbrachten, so daß sie sich verirrten. Andere kamen bis zu dem Baum, indem sie sich immer an der eisernen Stange festhielten, schämten sich dann aber, ließen die eiserne Stange los und verirrten sich auch. Aus der Vision ging hervor, daß man den Baum nur dann erreichen und die Frucht auf Dauer kosten konnte, wenn man sich beständig an der eisernen Stange festhielt (siehe l Nephi 8:30).
Was war denn die eiserne Stange? Nephi bezeichnet sie als das „Wort Gottes” - die Worte der lebenden Propheten und die heiligen Schriften, die die Menschen zu Christus hinführen. Außerdem hat er gesagt, daß diejenigen, die hinhören und am Wort Gottes festhalten, „niemals zugrunde gehen” (siehe l Nephi 15:24).
Der Baum in dem Traum ist der Baum des Lebens, der die Liebe Gottes zu uns verkörpert, die in der Herablassung Gottes des Vaters und des Sohnes zum Ausdruck kommt (siehe l Nephi 11). Dadurch, daß man sich an der eisernen Stange festhält, wächst man im Glauben an Christus und an sein Werk.
Der Prophet Alma, der fünfhundert Jahre nach Lehi gelebt hat, war von Lehis Vision vom Baum des Lebens zutiefst beeindruckt. Alma fügt den Bildern allerdings noch eine interessante Dimension hinzu. Er vergleicht das Wort Gottes mit einem Samenkorn, das dem Menschen ins Herz gepflanzt und dann genährt wird. Er sagt, daß der Same sprießt und wächst, wenn man bloß den Wunsch hat, an Christus zu glauben, und daß einem dann das Herz weit wird, wenn der Same gedeiht. Aus dem Wunsch zu glauben wird, im Verein mit dem Gehorsam, der Glaube an Jesus Christus.
Alma sagt, das beständige Nähren führe dazu, daß das Samenkorn zum Baum des Lebens heranwachse, dessen Frucht überaus weiß, süß und rein sei - zum Baum, „der zu immerwährendem Leben emporsproßt” (siehe Alma 32:26-42). In Almas Beispiel wächst der Baum des Lebens in einem Menschen heran und verändert sein Herz. Das ist das gleiche wie das Festhalten an der eisernen Stange in Lehis Traum.
Almas Erklärung von dem Baum, der in einem Menschen heranwächst und sein Herz verändert, wirft Licht auf verschiedene Fragen, die er den Mitgliedern der Kirche zuvor einmal gestellt hatte, nämlich: „Seid ihr geistig aus Gott geboren? Habt ihr sein Abbild in euren Gesichtsausdruck aufgenommen? Habt ihr diese mächtige Wandlung im Herzen erlebt?” (Alma 5:14.) Im Herzen findet dann eine Veränderung statt, wenn man das Samenkorn pflanzt und nährt. Schriftstudium, Beten, Gehorsam und Dienen sind wichtige Elemente, wenn es darum geht, den Glauben an Christus zu festigen.
Präsident Benson hat auf der Generalkonferenz im April 1986 folgendes gesagt: „So eifrig wir in anderen Bereichen auch sein mögen, bestimmte Segnungen sind nur in den heiligen Schriften zu finden, nur darin, daß man zum Wort des Herrn kommt und daran festhält, während man durch die finsteren Nebel zum Baum des Lebens unterwegs ist.” Brüder und Schwestern, ich bezeuge, daß Präsident Benson der Prophet des Herrn ist und daß Jesus der Messias ist, und ich bete, daß wir alle seine Stimme hören mögen, indem wir in den heiligen Schriften forschen. Im Namen Jesu Christi. Amen.