Eine ewige Vision
Erweiter euer Blickfeld und erkennt, daß ihr eine Beziehung zu Gott habt. Blickt auf und lebt, daß ihr des Priestertums würdig seid, das ihr tragt.
Diener und Dienen sind wohlbekannte Worte in der wiederhergestellten Kirche. Jemand hat gesagt: „Wer nicht lebt, um zu dienen, dient nicht, um zu leben.” Diese weisen Worte gelten für jeden Priestertumsträger. Ein anderes Wort, welches Priestertum umschreibt, lautet Dienen. Buchstäblich jeder Mann, der das Priestertum empfängt, wird zum Dienen berufen. Der Apostel Petrus sagte über euch: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, … sein besonderes Eigentum.” (l Petrus 2:9.) Ich werde dies anhand einer Geschichte veranschaulichen.
Maria Coj war ein siebzehnjähriges Mitglied der Kirche, das älteste von acht Kindern. Sie war an Zystizerose erkrankt, einer Infektion, die durch den Genuß verdorbener Lebensmittel entsteht. Mit der Zeit dehnte sie sich auf das Gehirn aus und verursachte schreckliche Kopfschmerzen und führte schließlich dazu; daß sie erblindete. Damit sie Linderung ihrer Schmerzen finden konnte, mußte sie von Sololä, wo sie lebte, nach Guatemala City gebracht werden. Aufgrund von Anfällen, die von ihrer fortgeschrittenen Krankheit verursacht wurden, verschlechterte sich ihr Zustand, und sie konnte nur künstlich am Leben erhalten werden. Es war klar, daß sie nicht lange überleben würde.
Zur gleichen Zeit fuhr Erika Alonzo, ein zwölfjähriges Mitglied der Kirche zweiundzwanzig Stunden mit dem Bus von Honduras nach Guatemala City für eine Augenoperation. Zwei Wochen lang wartete sie auf eine passende Hornhaut aus den USA für ihre Augen, aber keine war verfügbar.
Zur gleichen Zeit starb Maria. Da ihre Blindheit durch Druck auf das Gehirn verursacht war, war ihre Hornhaut in Ordnung. Marias Vater und Mutter stimmten der Hornhautübertragung zu. Die Operation verlief erfolgreich.
Am 12. Juli 1993 reiste Erika nach Sololä, um die Familie Coj zum ersten Mal zu besuchen. Die überraschte Familie fragte sie: „Kannst du sehen?” Sie antwortete: „Ich sehe alles deutlich.” Das Treffen war vom Geist getragen. Schwester Coj, die kaum Spanisch verstand (ihre Muttersprache ist Cackchiquel), verspürte die Liebe und den Geist des Gesprächs. Aufgrund der Spende ihrer Tochter kann Erika jetzt sehen und sich der Dinge um sie herum erfreuen. Der Tod des einen Mädchens und die Liebe ihrer Eltern waren einem anderen Mädchen ein Segen. Das medizinische Wunder, daß ein Mensch durch die Augen eines anderen sehen kann, ist eine erstaunliche Realität.
Geistig gesprochen: Wenn ihr, junge Menschen vom Aaronischen Priestertum, die Segnungen dieses Lebens und der Ewigkeit durch die Augen eurer glaubenstreuen Eltern, Lehrer, Bischöfe, Apostel und Propheten betrachtet, werdet ihr entdecken, daß sie, indem sie euch jeden Tag Zeit zum Nachdenken, Beten und Schriftstudium widmen, euch über das Göttliche belehren, das in euch ist.
Erweitert euer Blickfeld und erkennt, daß ihr eine Beziehung zu Gott habt. Blickt auf und lebt, daß ihr des Priestertums würdig seid, das ihr tragt. Lernt jetzt, eure Leidenschaften, Wünsche und Triebe im Zaum zu halten. Macht euch ernsthaft bereit, eure herrliche Pflicht zu erfüllen, nämlich die Wahrheiten des wiederhergestellten Evangeliums zu predigen, daß Jesus der Messias ist und daß die Errettung nur durch ihn zuteil wird, daß Joseph Smith, ein Prophet, von göttlichen Boten angewiesen wurde, diese Bündnisse und Verordnungen mit Kraft und Vollmacht wiederherzustellen, die sich in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage finden.
In jedem Priestertumsträger soll die persönliche Überzeugung brennen, daß die Mission Jesu Christi einzigartig war: der Sohn des ewigen himmlischen Vaters und einer sterblichen, besonders auserwählten Mutter, wurde er der einziggezeugte Sohn Gottes, was ihn befähigte, der Mittler, Erretter und Erlöser der Menschheit zu sein. Auch wenn er verleumdet, angespien, geschlagen, ausgepeitscht und gedemütigt wurde, so tat er „seinen Mund nicht auf” (Jesaja 53:7).
Er starb früh. Er war stark und jung und von grenzenloser Weisheit. Wenn ihr dreiunddreißig seid, werdet ihr das besser verstehen. Sein Opfer war schmerzhaft, aber unerläßlich. Er war der erste, der auferstand, mit Herrlichkeit und ewigem Leben bekleidet.
Das Sühnopfer des Sohnes Gottes eröffnete allen Menschen die Möglichkeit, in die Gegenwart Gottes einzugehen. Jetzt fordert er uns auf: „Folgt mir nach, und tut das, was ihr mich habt tun sehen.” (2 Nephi 31:12.) Ihr habt den Vorzug, zwei Jahre als Missionar zu dienen und das Auge nur darauf zu richten, Gott zu verherrlichen und sein Reich aufzubauen. (Siehe LuB 4:5.) In der Zeit wird Christus euren Geist verfeinern, euren Charakter formen und euch Grundsätze ins Herz pflanzen, die es euch ermöglichen, dieses Leben und in Ewigkeit in Rechtschaffenheit und Freude zu leben.
Vielleicht meint ihr, ihr müßtet viel opfern, wenn ihr eure Familie, eure Ausbildung und euer bequemes Leben zurücklaßt. Andere klagen vielleicht, das Leben auf Mission sei zu beschwerlich. Die Tausende, die auf Mission waren, werden euch bezeugen, daß, wenn ihr eure Segnungen zählt, es keine Opfer gibt.
Ich möchte euch von einem vom Glauben getragenen Erlebnis erzählen. Elder Hermelindo Coy, ein Einzelkind, sagte seiner Mutter Lebwohl und verließ zum ersten Mal in seinem Leben sein kleines Dorf Senahü in den Bergen Guatemalas. Am 14. März 1991 kam er in die Missionarsschule. Obwohl er erst seit zwei Jahren der Kirche angehörte, und obwohl er sehr schüchtern war, war seine Entschlossenheit zu dienen sehr groß. Seine Schulbildung beschränkte sich auf fünf Jahre Grundschule in seiner Muttersprache Kekchi. Spanisch, die Landessprache Guatemalas, war ihm fremd.
Während seiner Mission lernte er, mit den Schmerzen in seinem Bein zu leben. Er klagte kaum. Im August 1992 stellte er neben vermehrten Schmerzen etwas Abnormales im Knie fest. Er ließ sich untersuchen. Die Diagnose: Knochenkrebs. Eine eingehendere Untersuchung offenbarte Krebs in der Leber, den Lungen und im Lymphsystem. Mit anderen Worten: Seine Krankheit war tödlich. Er verstand nicht, welcher Art oder wie schwer seine Krankheit war. Mit Hilfe eines Übersetzers und anhand von Beispielen aus dem Leben auf dem Land, mit dem er vertraut war, verstand er, daß er nur noch wenig Zeit zum Leben hatte.
Er fragte nie, warum gerade ihm das passierte. Er klagte nicht und erfüllte gehorsam, was von ihm erwartet wurde. Auf die Frage, ob er nach Hause zurückkehren wollte, bat er, auf Mission bleiben und möglichst lang dienen zu dürfen - wenn es sein mußte, bis zu seinem Tod. Im Oktober 1992 fiel ihm das Laufen schwer, und er brauchte einen Stock. Er konnte nur ein paar Stunden am Tag arbeiten. Ab Dezember konnte er nicht mehr laufen. Zum ersten Mal war er mutlos, weil er nicht missionieren konnte. Er machte sich immer Sorgen darum, wer sich nach seinem Tod seiner Mutter annehmen würde.
In einem Gespräch bat der Missionspräsident ihn, seine Mutter mehr von der Lehre der Kirche zu lehren, die ihn mit anderen Krankenschwestern rund um die Uhr pflegte. Als er seine Mutter den Errettungsplan in seiner Muttersprache lehrte, strahlte in seinem Gesicht Gewißheit und Licht. Eider Coy verstand mit Kraft und Überzeugung, was er lehrte.
Als seine Kraft nachließ, vertraute er völlig auf den Herrn. Als er einmal große Scherzen litt, sagte er im Gebet: „Himmlischer Vater, ich kenne weder den Tag noch die Stunde meines Todes, ich möchte von dir aber bald von meiner neuen Aufgabe erfahren.” Er starb im Februar 1993. Sein Tod gereichte all den Missionaren, den Führern, den Mitgliedern und sogar den Nichtmitgliedern zum Segen, die von seinem Mut erfuhren, mit dem er diente und bis ans Ende ausharrte. Sein Glaube war so einfach, daß er ansteckend war. Er fürchtete den Tod nie. Er stärkte all diejenigen, die ihn kannten.
Meine geliebten jungen Menschen. Ich verheiße euch, wenn ihr mit so einem Glauben dient wie Eider Coy; und wenn ihr mit den Augen eurer Eltern und Führer schaut, die euch lieben, wird euer Zeugnis gestärkt, euer Blickfeld wird sich erweitern und all diejenigen erleuchten, die geistig blind sind, und ihnen helfen, daß sie zu Christus zurückkehren. Geht hin und seid ein Vorbild. Seid wie die mehr als 49000 Missionare, die heute Licht, Hoffnung und Erkenntnis denen bringen, die sie brauchen. Ich füge mein Zeugnis von der Göttlichkeit dieses Werkes hinzu. Im Namen Jesu Christi. Amen.