2000–2009
Ihre ewige Reise
April 2000


Ihre ewige Reise

Bedenken wir unsere Berufung, sinnen wir über unsere Aufgaben nach, stellen wir fest, was unsere Pflicht ist, und folgen wir Jesus Christus, unserem Herrn.

Ich erinnere mich noch ganz lebhaft an eine Priestertumsversammlung, an der ich als neu ordinierter Diakon teilnahm; wir sangen das Anfangslied: „Ihr Söhne Gottes, die zum Priestertum erwählet.“1 In diesem prächtigen Konferenzzentrum und in den Gemeindehäusern auf der ganzen Welt lasse ich vor so vielen Anwesenden wie nie zuvor den Geist dieses besonderen Liedes widerhallenund sage Ihnen: Ihr Söhne Gottes, die zum Priestertum erwählet, bedenken wir unsere Berufung, sinnen wir über unsere Aufgaben nach, stellen wir fest, was unsere Pflicht ist, und folgen wir Jesus Christus, unserem Herrn.

Wir mögen zwar unterschiedlich alt sein, andere Gebräuche haben oder aus unterschiedlichen Ländern stammen, doch sind wir in unserer Berufung im Priestertum gleich.

Als Priestertumsträger sind wir zu einer schwierigen Zeit auf die Welt gekommen. Wir leben in einer komplizierten Welt, in der überall widersprüchliche Strömungen zu finden sind. Politische Machenschaften richten die Stabilität der Staaten zugrunde, Despoten greifen nach der Macht und ganze Teile unserer Gesellschaft scheinen für immer unterdrückt zu sein, keine Möglichkeiten zu haben und mit dem Gefühl zurückzubleiben, versagt zu haben.

Wir, die wir zum Priestertum Gottes ordiniert worden sind, können etwas bewirken. Wenn wir Anrecht auf die Hilfe Gottes haben, können wir Jungen aufbauen. Wir können Männer bessern. Wir können in seinem heiligen Dienst Wunder vollbringen. Was uns möglich ist, kennt keine Grenzen.

Auch wenn die Arbeit gewaltig zu sein scheint, finden wir Kraft in der folgenden Wahrheit: „Die größte Kraft in der Welt heute liegt in der Macht Gottes, wenn sie durch den Menschen wirkt.“ Wenn wir im Auftrag des Herrn tätig sind, haben wir Anspruch auf die Hilfe des Herrn. Diese göttliche Hilfe basiert jedoch auf unserer Würdigkeit. Um die See der Sterblichkeit sicher zu überqueren, um die irdische Rettungsaktion durchzuführen, brauchen wir die Führung des ewigen Seemanns--ja, des großen Jahwe. Wir strecken die Hand aus, wir heben die Hand empor, um göttliche Hilfe zu erlangen.

Sind unsere ausgestreckten Hände sauber? Ist unser sehnendesHerz rein? Wenn wir mit Hilfe der Geschichte auf die Vergangenheit zurückblicken, können wir vom sterbenden König Darius eine Lektion in Würdigkeit lernen. „Nach einem ordnungsgemäßen Ritual war ... Darius als rechtmäßiger König ägyptens anerkannt worden; sein Rivale, Alexander [der Große], war zum ... rechtmäßigen Sohn Amons ausgerufen worden--auch er war Pharao.... Alexander, der den geschlagenen Darius sterbend antraf, ... legte ihm zur Heilung die Hände auf und gebot ihm, sich zu erheben und die königliche Macht zu übernehmen, ... er schloss mit den Worten: Ich schwöre dir, Darius, bei allen Göttern, dass ich dies wahrhaftig und ohne Falsch tue.’

... [Darius] erwiderte mit einem sanften Tadel: Alexander, mein Junge, ... meinst du, du könnest den Himmel mit diesen, deinen Händen berühren?‘“2

Eine inspirierende Lektion lässt sich aus einem Artikel der Rubrik „Viewpoint“ (Gesichtspunkt) lernen, der vor einiger Zeit in der Zeitung Church News erschien. Ich zitiere:

„Manch einem mag es eigenartig erscheinen, an den Docks von Portland im Bundesstaat Oregon Schiffe aus aller Herren Länder Frachtgut laden und löschen zu sehen. Portland liegt etwa 160 Kilometer vom Meer entfernt. Um dorthin zu gelangen, ist eine beschwerliche, oft unruhige Fahrt durch das seichte Gewässer vor der Mündung des Columbia River und dann eine lange Fahrt flussaufwärts auf dem Columbia River und dem Willamette River erforderlich.

Aber die Kapitäne gehen gern in Portland vor Anker. Sie wissen, während der Seefahrt setzt sich die Entenmuschel, ein eigenartiges Salzwasser-Schalentier, am Rumpf fest und bleibt dort das ganze Leben haften, wobei es sich mit einer felsartigen Schale umgibt. Je mehr Entenmuscheln sich festsetzen, desto mehr erhöhen sie den Widerstand, verringern die Geschwindigkeitund vermindern die Leistung des Schiffes.

Regelmäßig muss das Schiff in das Dock, wo unter großen Mühen die Entenmuscheln weggemeißelt oder abgeschabt werden. Das ist ein schwieriger und teurer Vorgang, der das Schiff tagelang lahm legt.

Nicht aber, wenn der Kapitän sein Schiff nach Portland bringen kann. Die Entenmuschel kann nicht im Süßwasser leben. Dort im frischen Wasser des Willamette oder des Columbia River sterben die Entenmuscheln und manche fallen ab, während sich die übrigen leicht entfernen lassen. Somit kehrt das Schiff unbelastet und erneuert zu seinen Aufgaben zurück.

Sünde ist wie diese Entenmuschel. Kaum einer kann durch das Leben gehen, ohne die eine oder andere aufzulesen. Sie erhöhen den Widerstand, verringern die Geschwindigkeit und vermindern die Leistung. Wenn wir nicht umkehren, werden es immer mehr, und sie können uns letzten Endes versenken.

In seiner unendlichen Liebe und Gnade hat der Herr uns einen Hafen bereitgestellt, wo infolge von Umkehr unsere Entenmuscheln abfallen und in Vergessenheit geraten. Erleichtert und erneuert können wir uns leistungsfähiger an unser und sein Werk machen.“3

Das Priestertum stellt eine mächtige rechtschaffene Armee dar--ja, eine königliche Armee. Wir werden von einem Propheten Gottes, Präsident Gordon B. Hinckley, geführt. Den Oberbefehl führt der Herr und Erretter, Jesus Christus. Unser Marschbefehl ist knapp und deutlich. Matthäus beschreibt unseren Auftrag vom Herrn:

„Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,

und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“4

„Sie aber zogen hinaus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei ... „5

Seit jeher ist die Berufung zum Dienst ein Merkmal für das Werk des Herrn. Sie kommt selten zum günstigen Zeitpunkt. Sie lässt Demut entstehen, bewegt zum Beten und veranlasst zum Engagement. Der Ruf erging--nach Kirtland. Danach ergingen die Offenbarungen. Der Ruf erging--nach Missouri. Verfolgung wütete. Der Ruf erging--nach Nauvoo. Propheten starben. Der Ruf erging--ins Becken des großen Salzsees. Not winkte.

Dieser lange Weg, der unter solch schwierigen Umständen zurückgelegt wurde, war eine Prüfung des Glaubens. Aber der Glaube, der im Glutofen der Prüfungen und Tränen geschmiedet wird, ist von Vertrauen und Zeugnis gekennzeichnet. Nur Gott kann das Opfer werten; nur er kann die Sorgen ermessen; nur er kennt das Herz derer, die ihm dienen--damals wie heute.

Die Lektionen aus der Vergangenheit können unseren Sinn beleben, unser Leben berühren und unser Handeln bestimmen. Wir werden veranlasst, innezuhalten und an die Verheißung Gottes zu denken: „Darum seid ihr ... im Dienst des Herrn; und was auch immer ihr gemäß dem Willen des Herrn tut, das ist die Angelegenheit des Herrn.“6

Viele in dieser großen Gruppe von Priestertumsträgern tragen das Aaronische Priestertum--ja, Diakone, Lehrer und Priester. Junge Männer, einige Lektionen des Lebens lernt ihr von euren Eltern, andere dagegen in der Schule oder in der Kirche. Es gibt jedoch Augenblicke, in denen ihr wisst, dass der himmlische Vater der Lehrer ist und ihr die Schüler seid. Was wir denken, was wir fühlen--ja, was wir in unserer Jugend tun--kann unser ganzes Leben beeinflussen.

Als ich Diakon war, gefiel mir Baseball. Ja, es gefällt mir noch immer. Ich hatte einen Feldspieler-Handschuh, auf dem Mel Ott stand. Zu meiner Zeit war er der Spitzenspieler. Meine Freunde und ich spielten in einer Gasse hinter dem Haus, wo wir wohnten. Unser Spielfeld war eng, aber okay, vorausgesetzt, man schlug den Ball mitten ins Feld. Wenn man den Ball aber zu weit nach rechts schlug, drohte Unheil. Da wohnte nämlich Mrs. Shinas, die uns beim Spiel von ihrem Küchenfenster aus zusah. Sobald der Ball auf ihre Veranda rollte, apportierte ihr großer Hund den Ball und gab ihn ihr, sobald sie die Tür öffnete. Wieder im Haus, legte Mrs. Shinas den Ball zu den vielen, die sie schon konfisziert hatte. Sie war unsere Nemesis, die Spielverderberin--der Fluch unseres Lebens. Keiner von uns fand ein gutes Wort für Mrs. Shinas, dafür aber jede Menge Schimpfwörter. Keiner von uns sprach sie an und sie sprach uns niemals an. Sie hatte ein steifes Bein, das sie beim Gehen behinderte und ihr große Schmerzen bereiten musste. Sie und ihr Mann waren kinderlos geblieben, lebten zurückgezogen und verließen das Haus nur selten.

Dieser Privatkrieg dauerte einige Zeit--vielleicht zwei Jahre--und dann schmolz ein inspiriertes Tauwetter das Eis des Winters und brachte einen Frühling der guten Gefühle in diese Pattsituation.

Eines Abends, als ich meiner täglichen Pflicht nachging und den Rasen vor dem Haus bewässerte, hielt ich die Düse des Schlauchs in der Hand, wie es damals üblich war. Da bemerkte ich, dass der Rasen von Mrs. Shinas trocken war und anfing, braun zu werden. Ehrlich, Brüder, ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich nahm mir einige Minuten und bewässerte ihren Rasen mit unserem Schlauch. Das tat ich den ganzen Sommer und als der Herbst kam, spritzte ich das Laub von ihrem Rasen so wie von unserem und häufte es am Straßenrand auf, wo es abgeholt wurde. Den ganzen Sommer lang hatte ich Mrs. Shinas nicht gesehen. Wir Jungen hatten schon lange aufgehört, Baseball zu spielen. Uns waren die Bälle ausgegangen und wir hatten kein Geld für neue.

Eines Abends öffnete sich Mrs. Shinas Vordertür und sie winkte mir zu, ich möge doch über den Zaun springen und zu ihr auf die Veranda kommen. Das tat ich. Als ich mich ihr näherte, lud sie mich in das Wohnzimmer ein, wo sie mich in einem bequemen Sessel sitzen ließ. Sie servierte mir Kekse und Milch. Dann ging sie in die Küche und kehrte mit einem großen Karton voller Baseball- und Softball-Bälle wieder--die sie über Jahre hin konfisziert hatte. Diesen Karton gab sie mir. Der Schatz bestand nicht in den Bällen, sondern in ihren Worten. Zum ersten Mal sah ich ein Lächeln über ihr Gesicht huschen und sie sagte: „Tommy, ich möchte dir diese Bälle geben und ich möchte dir danken, dass du lieb zu mir warst.“ Ich dankte ihr auch und verließ ihr Haus als ein besserer Junge, als ich es betreten hatte. Wir waren keine Feinde mehr. Jetzt waren wir Freunde. Die „goldene Regel“ hatte wieder Erfolg gezeigt.

Väter, Bischöfe, Kollegiumsberater--Sie haben die Aufgabe, diese Generation von Missionaren bereit zu machen, diesen Diakonen, Lehrern und Priestern das Herz zu beleben, und zwar nicht nur mit dem Bewusstsein, dass sie zum Dienen verpflichtet sind, sondern mit der Vorstellung von den Gelegenheiten und Segnungen, die mit einer Missionsberufung verbunden sind. Das Werk ist anspruchsvoll, die Auswirkungen sind endlos. Dies ist nicht die Zeit der „Schönwettersoldaten“ im Werk des Herrn.

Jeder Missionar, der als Antwort auf die heilige Berufung hinausgeht, wird zu einem Diener des Herrn, dessen Werk es ja in der Tat ist. Habt keine Angst, junge Männer, denn er wird bei euch sein. Er versagt nie. Er hat verheißen: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“7

Brüder, wir wissen nicht, wann sich uns der Vorzug bieten wird, helfend die Hand zu reichen. Der Weg nach Jericho, den jeder von uns geht, hat keinen Namen, und der matte Wanderer, der unsere Hilfe braucht, mag uns unbekannt sein. Allzu oft zeigt derjenige, dem Güte zuteil wurde, seine Gefühle nicht und wir müssen die leise Ahnung von der Größe und den Hauch der Zärtlichkeit entbehren, die uns motivieren, hinzugehen und ebenso zu handeln.

Vor zweitausend Jahren saß Jesus von Nazaret an einem Brunnen in Samaria und sprach dort mit einer Frau:

„Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;

wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm geben werde, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“8

Sollte sich jemand zu schwach fühlen, den in die falsche Richtung oder abwärts führenden Kurs seines Lebens zu ändern, oder sollte sich jemand vielleicht aus der größten Furcht, nämlich der Furcht vor dem Versagen, nicht bessern wollen, für den gibt es keine tröstlichere Zusicherung als die Worte des Herrn: „Meine Gnade ist“, sagte er, „ausreichend für alle Menschen, die sich vor mir demütigen; denn wenn sie sich vor mir demütigen und Glauben an mich haben, dann werde ich Schwaches für sie stark werden lassen.“9

Wenn wir demütig beten, uns mit Eifer bereit machen und glaubenstreu dienen, können wir in unserer heiligen Berufung Erfolg haben.

Denken Sie daran, wie die Kapitäne der Ozeandampfer, die mit den Gewicht der Entenmuscheln belastet waren, Kurs auf das Süßwasser des Columbia und des Willamette River setzten, um sich von dem zu befreien, was das Vorwärtskommen beeinträchtigte. Befreien wir uns doch im eigenen Leben und im Dienst des Herrn von den Muscheln des Zweifels, der Trägheit, Furcht und Sünde, indem wir das lebendige Wasser des Evangeliums Jesu Christi befahren. Wir kennen seinen Namen: Glaube, Beten, Nächstenliebe, Gehorsam und Liebe--um nur ein paar zu nennen. Der Leuchtturm Jesus Christus kennzeichnet den Weg. Sein Leuchtfeuer führt uns auf dem Kurs zu celestialer Herrlichkeit.

Mögen wir auf dieser Reise kluge Seeleute sein. Seien wir doch rein vor dem Herrn. Erkennen wir die Nöte der Witwe, das Weinen des Kindes, die Notlage des Arbeitslosen, die Last des Kranken, des Gefangenen, des Alten, des Armen, des Hungrigen, des Lahmen und des Vergessenen, und gehen wir darauf ein. Der himmlische Vater und sein geliebter Sohn, Jesus Christus, gedenken ihrer. Mögen Sie und ich ihrem göttlichen Beispiel folgen. Himmlischer Friede wird dann unser Segen sein, im Namen Jesu Christi, amen.

  1. „Das Volk des Herrn“, Gesangbuch, Nr. 208, Text von Thomas Davenport.

  2. Zitiert in: Hugh Nibley, Abraham in Egypt (1981), 192.

  3. „Harbor of Forgiveness“, ChurchNews, 30. Januar 1988, 16.

  4. Matthäus 28:19,20.

  5. Markus 16:20.

  6. LuB 64:29.

  7. LuB 84:88.

  8. Johannes 4:13,14.

  9. Ether 12:27.