2000–2009
„Mit den Armen [seiner] Liebe umfangen“
Oktober 2002


„Mit den Armen [seiner] Liebe umfangen“

Uns mag noch manches zustoßen, aber wie Nephi können wir dennoch wissen, dass Gott uns liebt – diese Tatsache kann – und wird – uns helfen, vieles zu ertragen.

Im Wirbel von Krisen und im unheilvollen Strudel der Ereignisse in der Welt bewahrt sich ein wahrer Jünger seinen Glauben an den liebevollen Gott, der sich offenbart, und an dessen Erlösungsplan für seine Kinder, der der Grund ist für alles, was Gott tut! (Siehe Mose 1:39.) Außerdem wissen wir über Gottes Wesen, wie es uns offenbart ist, dass er mit Sicherheit über die Allmacht verfügt, sein umfassendes Errettungswerk zu vollbringen. (Siehe 2 Nephi 27:20,21; JST–Jesaja 29:22,23.)

Ein wahrer Jünger bewahrt sich auch seinen Glauben an den Sohn Gottes, den Erretter Jesus Christus, und erlebt beständig eine erfreuliche und „mächtige Wandlung“ (siehe Mosia 5:2, Alma 5:12-14), indem er sich zum Herrn bekehrt (3 Nephi 1:22).

Brüder und Schwestern, Jesus hat diese größte Schlacht ja eigentlich schon gewonnen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Johannes 16:33; Hervorhebung hinzugefügt.) Das Sühnopfer wurde vollbracht und bringt Milliarden und Abermilliarden die Auferstehung und erweckt letzten Endes einen jeden wieder zum Leben – ganz gleich, wie und wann wir gestorben sind. Und so leben die Sterne, die wir in einer klaren Nacht erblicken, zwar unfassbar lang und sind doch nicht unsterblich, wir aber sind es – glücklicherweise!

Darüber hinaus bewahrt sich der „wahre Gläubige“ (4 Nephi 1:36) seinen Glauben an die Wiederherstellung in den Letzten Tagen mit ihren Erscheinungen und den wiedergebrachten Vollmachten, mit ihren Propheten und Aposteln und ihren klaren und kostbaren heiligen Schriften (1 Nephi 13:29). Die ersten Grundsätze des Evangeliums treffen auf die Letzten Tage zu.

In dem Maß, wie die wiederhergestellte Kirche aus dem Dunkel hervortritt, werden vermeintliche große Schwierigkeiten ihr eigentlich nur helfen, sich deutlicher abzuzeichnen (LuB 1:30). Wenn wir unser Verhalten konsequenter mit unserem Glauben in Einklang bringen, werden wir ständig an die andauernden Pflichten eines Jüngers erinnert.

Das wiederhergestellte Evangelium gibt Auftrieb und reicht weit und tief – weit über unser Verständnis hinaus. Es ist erbaulich, ganz gleich, ob es sich um Gottes Absichten im Universum handelt oder darum, die Bedeutung von Keuschheit und Treue hervorzuheben. Nur ein sanftmütiger Jünger kann mit einer so kühnen Theologie zurechtkommen.

Da die heiligen Schriften uns Halt und Gewissheit geben, können auch wir auf Gott blicken, und er wird uns in unseren Bedrängnissen trösten (siehe Jakob 3:1; Hervorhebung hinzugefügt).

Auch wir können „in Prüfungen und Beunruhigungen jeder Art [gestärkt werden], … ja … und er wird [uns] stets befreien.“ (Siehe Alma 36:3,27; Hervorhebung hinzugefügt.)

Denn der Herr hat gesagt: „Ich will vor euch hergehen“ (LuB 49:27). „Ich werde euch weiter führen“ (LuB 78:18).

Darüber hinaus schenkt Gott uns durch den Heiligen Geist unbezahlbare persönliche Gewissheit (siehe Johannes 14:26; LuB 36:2). Ob wir nun in friedlichen oder unruhigen Zeiten leben, am sichersten finden wir Trost beim Tröster.

Henoch weinte wegen der Schlechtigkeit seiner Zeit und wollte sich zuerst nicht trösten lassen. (Siehe Mose 7:4,44.) Dann empfing er jedoch Offenbarungen, die ihm nacheinander Jesus als Erlöser der Welt, die Wiederherstellung in den Letzten Tagen und das Zweite Kommen zeigten. Henoch wurde geboten, sein Herz emporzuheben und froh zu sein (siehe Mose 7:44). Ebenso können die Lehren und Offenbarungen uns emporheben – sogar inmitten von „Kriegen und Kriegsgerücht“ (siehe Matthäus 24:6; Markus 13:7; siehe auch 1 Nephi 12:2; Mormon 8:30; LuB 45:26). Demnach brauchen wir den Mut nicht zu verlieren (siehe Hebräer 12:3; LuB 84:80).

Als Jünger dürfen wir weder durch Mutlosigkeit noch durch die Hitze des Gefechts ermatten noch darf all das Entsetzliche in der Gesellschaft – auch nicht die unverhüllte Konfrontation mit dem Fleischlichen – uns niederdrücken (siehe Moroni 9:25; siehe auch Alma 32:38).

Wir mögen im Leben vor dem einen oder anderen zurückschrecken, doch Jesus schreckte weder in Getsemani noch auf Golgota zurück. Stattdessen „führte [er] das, was [er] für die Menschenkinder vorhatte, bis zum Ende aus“ (LuB 19:19).

Hinsichtlich Prüfungen, beispielsweise auch unseres Glaubens oder unserer Geduld, gibt es keine Befreiungen – nur verschiedene Varianten (siehe Mosia 23:21). Diese gymnastischen Übungen sollen unsere Fähigkeit zum Glücklichsein und zum Dienen entwickeln. Dabei bleiben auch die Glaubenstreuen von den Ereignissen auf diesem Planeten nicht unberührt. Und so ist die unerschrockene Haltung von Schadrach, Meschach und Abed-Nego in höchster Gefahr nachahmenswert. Sie wussten, dass Gott sie retten konnte. Aber auch wenn er es nicht täte, gelobten sie, ihm dennoch zu dienen (siehe Daniel 3:16-18). Wenn wir das altmodische, doch unumgängliche erste und siebte Gebot halten, legen wir damit denselben Mut an den Tag wie die drei Jungfrauen in alter Zeit, die ihr Nein zum Götzendienst und zur Unsittlichkeit mit dem Leben bezahlten (siehe Abraham 1:11).

Darum können wir zwar von allen Seiten bedrängt werden, doch kann uns eigentlich nichts von der Liebe Christi scheiden (siehe 2 Korinther 4:8; Römer 8:35-39); weltliche Sorgen und „voll Eifer“ dabei zu sein (LuB 58:27) sind zweierlei. Trotzdem können und sollen wir, wie Petrus es nahe legt, unsere Sorge auf den Herrn werfen, weil er sich sicher um uns kümmern wird. (Siehe 1 Petrus 5:7.) Brüder und Schwestern, wie sehr wird uns diese vertrauensvolle Ergebenheit befreien!

Wenn es darum geht, Fehler zu berichtigen, gibt es keine hinderlichen Staus auf dem Weg der Umkehr. Dieser Weg ist zwar nicht gebührenfrei, aber wenn wir das Sühnopfer Christi anwenden, kommen wir schneller voran.

Vielleicht brauchen wir einen freimütigen Jitro, um weiter zu wachsen (Exodus 18:14-24), oder Augenblicke der klaren Erkenntnis wie die ersten Apostel, die zu Recht sagten: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Johannes 6:68.)

Was können wir den Helden und Heldinnen von Martin’s Cove und Sweetwater schon sagen, wenn wir keine Entschlossenheit an den Tag legen? „Wir bewundern euch, waten aber nur ungern durch unseren eisigen Fluss widriger Umstände“?

Brüder und Schwestern, Gott hat bestimmt, dass „dies [unsere] Tage“ sind (Helaman 7:9), denn „alles muss zu seiner Zeit geschehen“ (LuB 64:32). Außerdem: Auch wenn wir in einer schlechter werdenden Welt leben, sind wir doch nicht hierher gesandt worden, um zu scheitern.

Erinnern Sie sich an den Stern, der die Geburt in Betlehem ankündigte? Lange bevor er der Welt so leuchtete, befand er sich bereits auf seiner Umlaufbahn. Auch wir befinden uns auf unserer Bahn, um Licht zu spenden. Die göttlichen Gleichungen gehen nicht nur im Kosmos, sondern auch auf diesem Planeten auf. Schließlich wurden die Platten für das Buch Mormon ja auch nicht in Belgien vergraben, und Joseph Smith kam nicht Jahrhunderte später im fernen Bombay zur Welt.

Dass die Gruppe jener „weisen“ Gründerväter erweckt wurde, die Amerikas bemerkenswerte Verfassung schufen, deren Rechte und Schutz jeden Einzelnen erfassen, geschah auch nicht aufs Geratewohl (siehe LuB 101:77,78,80). Ein Historiker nannte unsere Gründerväter „die bemerkenswerteste Generation von Staatsmännern in der Geschichte der Vereinigten Staaten oder vielleicht in der Geschichte überhaupt.“ (Arthur M. Schlesinger, The Birth of the Nation, 1968, Seite 245.) Ein anderer meinte, „es wäre von unschätzbarem Wert, wenn wir wüssten, wie in einer Bevölkerung von zweieinhalb Millionen Menschen auf einmal so viel Talent hervorkommen konnte.“ (Barbara W. Tuchman, The March of Folly: From Troy to Vietnam, 1984, Seite 18.)

Manche versteifen sich jedoch nach wie vor darauf, dass Gott unbeständig oder unfähig sei. Laman und Lemuel beispielsweise wussten sehr wohl, dass das alte Israel auf wundersame Weise vor dem mächtigen Heer des Pharaos bewahrt worden war, und dennoch murrten sie und waren verängstigt, als sich ihnen der nur unbedeutende Laban entgegenstellte. Wir können so engstirnig und allein um uns selbst besorgt sein! Gott, der die Galaxien, Sterne und Welten miteinander verbindet, fordert uns auf, auch in unserem Leben seine Hand anzuerkennen (siehe LuB 59:21). Wurde uns nicht versichert, dass Gott sieht, wenn ein Spatz zur Erde fällt und dass selbst die Haare auf unserem Kopf gezählt sind? (Siehe Matthäus 10:29,30; LuB 84:80.) Gott ist im Detail! So wie der Herr seine ganze gewaltige Schöpfung kennt, so kennt und liebt er den Einzelnen in der Menge – ja, er kennt und liebt jeden einzelnen Menschen! (Siehe 1 Nephi 11:17.)

Betrachten Sie, wie liebevoll Gott zu Mose spricht: „Ich kenne deinen Namen und habe dir meine Gnade geschenkt“ (Exodus 33:12), und zu Joseph Smith sagte er: „Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:17.)

Kein Wunder, dass König Benjamin uns anfleht zu glauben, dass wir nicht alles erfassen, was Gott erfassen kann (siehe Mosia 4:9). Wenn man die Offenbarung über Gottes erstaunliche Fähigkeiten ignoriert, ist es, als spiele man planlos und zufrieden mit Bauklötzchen, auf denen Buchstaben stehen, ohne zu ahnen, dass dasselbe Alphabet auch für Shakespeares Sonette verwendet worden ist.

Abraham zweifelte nicht, als Gott ihm Nachkommen verhieß, denn er war „fest davon überzeugt, dass Gott die Macht besitzt, zu tun, was er verheißen hat“ (Römer 4:21). Mögen auch wir „fest davon überzeugt“ sein.

Anselm von Canterbury erteilt uns einen sehr guten Rat: Wir sollen „glauben, um zu verstehen“ und nicht „verstehen, um zu glauben“. (Anselmus, englische Übersetzung von Sidney Norton Deane, 1903, Seite 7.)

Brüder und Schwestern, wenngleich unsere Zeit von Aufruhr geprägt ist, können wir doch an heiliger Stätte stehen und fest bleiben (siehe LuB 45:32; 87:8). Auch wenn unsere Zeit von Gewalt geprägt ist, können wir doch den inneren Frieden verspüren, der alles Verstehen übersteigt (siehe Philipper 4:7). Uns mag noch manches zustoßen, aber wie Nephi können wir dennoch wissen, dass Gott uns liebt – diese grundlegende Tatsache macht uns glücklich und kann – und wird – uns helfen, vieles zu ertragen. (Siehe 1 Nephi 11:17.)

Wie können wir wissen, dass Gott uns kennt und liebt? Er sagt es uns durch die heiligen Schriften und wir merken es auch, wenn wir den großen Segen sehen, den er uns schenkt, und die Gnade, die er uns erweist. Vor allem aber lässt er es uns durch die leise, feine Stimme des Geistes wissen! (Siehe Alma 34:38; LuB 78:17-19.)

Die „mächtige Wandlung“, die ein Jünger durchmachen muss, mag wie eine Achterbahn wirken, wenn hochfliegende Offenbarungen eine demütig stimmende Perspektive nach sich ziehen. So war es mit Mose, der zur Erde fiel und ausrief: „Der Mensch [ist] nichts …, und das hätte ich nie gedacht.“ (Mose 1:9,10.) Darauf jedoch kam Gottes beruhigende Offenbarung: „Denn siehe, es ist mein Werk und meine Herrlichkeit, die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen.“ (Mose 1:39.)

Eine „mächtige“ Wandlung erfordert allerdings äußerst harte Arbeit, die noch erschwert wird, wenn man den eigennützigen Trieben des natürlichen Menschen nachgeht. Allzu oft wird unser Potenzial durch das Weltliche verringert. Wir sind kaum bereit für die erhebenden Offenbarungen. Stellen Sie sich vor: Der Geist in uns ist tatsächlich ewig, und wir sind „am Anfang bei Gott“ gewesen! (Siehe LuB 93:29,33.)

Natürlich können wir das jetzt noch nicht ganz erfassen! Natürlich können wir die Bedeutung von allem jetzt noch nicht wissen! Aber wir können jetzt wissen, dass Gott jeden von uns kennt und liebt!

Was also hält uns davon ab, Brüder und Schwestern, ihn unsererseits besser kennen und mehr lieben zu lernen? Nur widerstrebend geben wir all unsere Sünden auf – und meinen stattdessen, dass es mit einer Anzahlung getan sei. Ebenso widerstrebend lassen wir unseren Willen in seinem verschlungen sein – und meinen stattdessen, dass es reicht, seinen Willen anzuerkennen! (Siehe Mosia 15:7.)

Der Prophet Joseph Smith hat erklärt, Gott habe alles erwogen, „was die Erde betrifft, … lange ehe die Erde ins Dasein trat. … [Gott] wusste, … wie weit sich die Menschen ins Übeltun einlassen würden; er kannte ihre Schwächen und Stärken, … er war sich der Lage einer jeden Nation und ihres Schicksals bewusst … und hat reichlich Vorsorge für die Erlösung [der Menschheit] getroffen.“ (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 224f.)

Zur reichlichen Vorsorge Gottes gehören unvollkommene Menschen wie Sie und ich, die bereit sind, in dem ihnen zugewiesenen Wirkungskreis zu leuchten und zu dienen, und dabei wissen, dass sie „mit den Armen [seiner] Liebe“ umfangen sind (LuB 6:20).

Im Namen Jesu Christi. Amen.