2000–2009
Den Einflüsterungen des Heiligen Geistes nachgeben
Oktober 2002


Den Einflüsterungen des Heiligen Geistes nachgeben

Diese Regungen in uns stammen aus einer göttlichen Quelle, und wenn wir ihnen folgen, helfen sie uns, auf dem richtigen Kurs zu bleiben, und schützen uns vor schädlichen Einflüssen und gefährlichen Umwegen.

Ich wuchs bei liebevollen Eltern auf, die zu Hause gute Wertvorstellungen lehrten und praktizierten. Dies hat mich darauf vorbereitet, mich mit der Kirche zu befassen und die Evangeliumsgrundsätze anzunehmen. Im August 1959, kurz nach meinem neunzehnten Geburtstag, wurde ich getauft. Wenn ich darüber nachdenke, was ich vor meiner Bekehrung erlebt habe, fällt mir ein Ereignis aus meiner Kindheit ein.

In der Nähe des Hauses, wo ich als Kind wohnte, stand ein großes Haus. Es stand auf einem wunderschönen Grundstück und war von einem nach meinem Empfinden riesigen Holzzaun umgeben. Er muss etwa zwei Meter hoch gewesen sein. Ich erinnere mich, dass ich durch die Astlöcher im Zaun in den Garten spähte. Es war so, als schaute ich durch ein Fernrohr in eine andere Welt. Die herrlich gepflegten Rasenflächen, der schön gestaltete Blumengarten und ein kleiner Obstgarten stellten eine idyllische Umgebung für das vornehme Wohnhaus dar. Leider hatte ich immer nur kurz die Gelegenheit, diesen Blick zu genießen, denn eine wachsame Bulldogge patrouillierte im Garten und fühlte sich sofort von jedem angezogen, der dem Zaun von außen zu nahe kam. Der wütende Hund war zwar im Garten eingesperrt, aber wenn er sich nur dem Zaun näherte und ich sein Schnüffeln hörte, trat ich voll Angst den Rückzug an, denn in meiner lebhaften Phantasie stellte ich mir alles Mögliche vor.

Mr. und Mrs. Lyons, die in diesem Haus wohnten, waren beide Lehrer. Sie hatten ein würdevolles Auftreten und schienen sich der ungestörten Ruhe zu erfreuen, die ihnen ihre Umgebung gewährte. Zu allem Übel fehlte Mr. Lyons die rechte Hand und er verwendete einen Haken aus Stahl an ihrer Stelle, der aus dem Ärmel seiner Jacke hervorlugte. In meinem kindlichen Gemüt stellte ich mir vor, wie Mr. Lyons mich verfolgte, mit seinem Haken am Kragen erwischte und gefangen nahm.

An einem Morgen im August, ich war zehn oder elf Jahre alt, erwarteten meine Freunde mich schon, als ich aus dem Haus trat, nachdem in der Nacht ein ungewöhnlich heftiger Wind gegangen war. Sie waren sichtlich aufgeregt und fragten: „Hast du heute Nacht den Wind gehört?“

Als ich bejahte, erzählten sie mir, was sie entdeckt hatten – der Wind hatte Teile des Zauns rund um das Haus der Lyons umgerissen. Ich verstand nicht, warum sie deshalb so aufgeregt waren, und bat sie, mir dies näher zu erklären.

Als sie antworteten, waren sie sogar noch aufgeregter. „Wir kommen an die Apfelbäume ran!“

Ich war noch immer sehr vorsichtig und fragte: „Und die Lyons?“

„Mr. und Mrs. Lyons sind nicht zu Hause, sie besuchen Verwandte.“

„Und wo ist der Hund?“ Ich erkundigte mich genau.

„Die Familie hat ihn anderswo untergebracht“, war die Antwort.

Meine Freunde hatten wirklich jedes Detail herausgefunden. Ihre Worte machten mich zuversichtlich und so strebten wir eilig unserem Ziel entgegen. Wir betraten das Grundstück, kletterten auf die Bäume und pflückten die Äpfel in aller Eile. Wir stopften uns die Taschen voll und steckten die Äpfel auch unter unser Hemd. Mir klopfte das Herz bis zum Hals und mein Puls raste; jeden Augenblick konnte der Hund oder Mr. Lyons – oder sogar beide – in den Garten kommen und uns erwischen. Wir liefen vom Ort unserer Übertretung zu einem abgelegenen Platz in einem nahen Wald und begannen, nachdem wir uns wieder gefasst hatten, die Äpfel zu verspeisen.

Es war August und die Äpfel waren noch nicht so reif, dass man sie essen konnte. Ja, sie schmeckten überhaupt nicht gut, aber wir aßen diese grünen, sauren Äpfel trotzdem. Als wir begeistert unsere Beute verzehrten, handelten wir aus einem mir heute unerklärlichen Zwang heraus. Nachdem wir etliche Äpfel verschlungen hatten, begnügte ich mich damit, die übrigen nur einmal anzubeißen und dann in die nahen Büsche zu werfen. Unser Leichtsinn schwand, als wir in unserem Körper nach und nach die Reaktion auf die Invasion verspürten, die er erlitten hatte. Die chemische Reaktion zwischen meinem Magensaft und den unreifen Äpfeln verursachte mir Magenkrämpfe und Brechreiz. Als ich so dasaß und bereute, was ich getan hatte, erkannte ich, dass mir ein Gefühl noch mehr Unbehagen verursachte als die unreifen Äpfel.

Dieses größere Unbehagen kam daher, dass ich erkannte, dass das, was ich getan hatte, falsch war.

Als meine Freunde vorgeschlagen hatten, in den Garten einzudringen, hatte ich mich unbehaglich gefühlt, war aber nicht mutig genug gewesen, „nein“ zu sagen. Deshalb hatte ich mein Gefühl nicht beachtet. Nun, nach vollbrachter Tat, verspürte ich nichts als Reue. Bedauerlicherweise hatte ich die Eingebung ignoriert, die mich vor falschen Taten gewarnt hatte.

Körperliche Grenzen und Kräfte von außen mögen uns davon abhalten, einen falschen Weg einzuschlagen, aber es gibt da auch noch ein Gefühl in uns. Manchmal wird es als leise, sanfte Stimme1 beschrieben, die uns davon abhält, der Versuchung zu erliegen, wenn wir sie beachten und ihr folgen.

Jahre später gingen mir die Worte von Präsident Boyd K. Packer sehr nahe, der sagte: „Wir können keine falsche Richtung einschlagen, ohne zuvor eine Warnung zu missachten.“ Ich dachte an mein Erlebnis und auch an weitere, an die Eindrücke und Einsichten, die wir bekommen, wenn wir über die Folgen unserer Handlungen nachdenken.

Der Prophet Mormon hilft uns mit den folgenden Worten, die Quelle dieser Gefühle zu verstehen: „Jedem Menschen ist der Geist Christi gegeben, damit er Gut von Böse unterscheiden könne.“2

Die Behauptung, dass wir alle diese Gabe haben, die uns führt, wird im Johannesevangelium bestätigt, wo der Erretter als „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“3 bezeichnet wird.

Diese Regungen in uns stammen aus einer göttlichen Quelle, und wenn wir ihnen folgen, helfen sie uns, auf dem richtigen Kurs zu bleiben, und schützen uns vor schädlichen Einflüssen und gefährlichen Umwegen.

Einige Wochen nach unserem Erlebnis mit den Äpfeln ging ich mit meinen Freunden in den Wald in der Nähe unseres Hauses, weil wir etwas gemeinsam machen oder spielen wollten. Als ich näher kam, steckten sie gerade die Köpfe zusammen. Ich sah über ihnen Rauch aufsteigen und roch verbrannten Tabak. Einer von ihnen hatte eine Packung Zigaretten besorgt und sie rauchten. Sie forderten mich auf, auch zu rauchen, aber ich lehnte ab. Sie aber bestanden darauf und behaupteten, ich sei ein Feigling, weil ich nicht mitmachen wollte. Sie verspotteten mich und machten verächtliche Bemerkungen. Aber sie konnten nichts sagen oder tun, was mich bewogen hätte, meine Meinung zu ändern. Ich war ohne die Erkenntnis vom wiederhergestellten Evangelium aufgewachsen und wusste nichts vom Wort der Weisheit, aber ein inneres Gefühl hielt mich davon ab, mitzumachen.

Als ich nach Hause ging und über meine Entscheidung nachdachte, hatte ich ein gutes Gefühl. Obwohl sich meine Erwartungen für den Tag nicht erfüllt hatten und ich überlegen musste, wie ich meine Zeit ohne meine Freunde verbringen konnte, hatte ich etwas über mich selbst erfahren – über eine Quelle wahren Glücks und über das belebende Gefühl, das man hat, wenn man die richtige Entscheidung trifft, ungeachtet der Umstände oder Folgen.

Aus der folgenden Offenbarung, die der Prophet Joseph Smith erhalten hat, erkennt man den Nutzen, der sich einstellt, wenn man dem in diesen Schriftstellen beschriebenen inneren Kompass folgt: „Und der Geist gibt jedem Menschen, der auf die Welt kommt, Licht; und der Geist erleuchtet jeden Menschen auf der Welt, der auf die Stimme des Geistes hört.“4

Dieser Vers ist nicht nur ein weiteres Zeugnis dafür, dass wir alle Zugang zu dieser Quelle göttlicher Führung haben, sondern er betont auch, dass wir alle auf die Eingebungen, die wir erhalten, achten, hören und reagieren müssen. Die darauf folgende Verheißung ist für mich sehr bedeutsam. „Und jeder, der auf die Stimme des Geistes hört, kommt hin zu Gott, nämlich dem Vater.“5

Diese Eingebungen – manchmal auch Gewissen genannt, aber richtiger als Licht Christi definiert – helfen uns nicht nur, zwischen richtig und falsch zu entscheiden, sondern sie führen uns auch, wenn wir ihnen folgen, zur Quelle des Lichts, das von der Gegenwart des Vaters und des Sohnes ausgeht.6

Der Erretter versprach seinen Jüngern: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit.“7 Diese Gabe beschreibt er als den Beistand, den Heiligen Geist.8 Man kann zwar gelegentlich Offenbarungen des Heiligen Geistes erfahren, doch die Gabe wird gespendet und kann nur durch das Auflegen der Hände nach der Taufe empfangen werden.9

Inzwischen verstehe ich auch sehr viel besser, warum es von seinen Jüngern auf der westlichen Hemisphäre heißt: „Sie beteten um das, was sie am meisten wünschten; und sie wünschten, es möge ihnen der Heilige Geist gegeben werden.“10

Er ist der beste Bote der Wahrheit.

Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, ist mir klar, dass viele Entscheidungen – von denen manche damals geringfügig schienen, wogegen ich mit anderen zu ringen hatte, weil ich um ihre Bedeutung wusste – mich dazu gebracht haben, ein höheres Niveau zu erreichen, als wenn ich den Eingebungen des Geistes nicht nachgegeben hätte.11

Ohne diese herrliche Gabe können wir den Zweck des Lebens, den großen Plan des ewigen Vaters, nicht verstehen.12 Denn: „Es ist unmöglich, dass der Mensch alle seine Wege herausfinden kann. Und kein Mensch kennt seine Wege, außer es sei ihm offenbart worden.“13

Es genügt nicht, sich auf Logik zu verlassen oder seinen Verstand zu gebrauchen: „Der Mensch ist auch nicht fähig, sie kundzutun, denn sie lassen sich nur mit der Macht des Heiligen Geistes sehen und verstehen, den Gott denjenigen spendet, die ihn lieben und sich vor ihm rein machen.“14

In Worten vermag ich nicht angemessen auszudrücken, was ich in Bezug auf das Licht Christi und die Gabe des Heiligen Geistes fühle. Sie sind „meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade“.15

Beachten Sie die Bitte, die der Erretter dem Vater gegenüber für die Zwölf im Land Überfluss ausgesprochen hat:

“Vater, ich danke dir, dass du den Heiligen Geist denen gegeben hast, die ich erwählt habe; und wegen ihres Glaubens an mich habe ich sie aus der Welt erwählt.

Vater, ich bitte dich, du wollest den Heiligen Geist allen denen geben, die an ihre Worte glauben.“16

In dieser unruhigen Welt können wir Sicherheit finden und ein ruhiges Gewissen haben, wenn wir an die Worte der Propheten glauben und der Tröster unser Begleiter ist. So werden wir wissen, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der Erretter der Welt.17

Von diesen Wahrheiten lege ich Zeugnis ab im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Siehe George Q. Cannon, Gospel Truth, Hg. Jerreld L. Newquist, 1987, Seite 250.

  2. Moroni 7:16.

  3. Johannes 1:9.

  4. LuB 84:46.

  5. LuB 84:47.

  6. Siehe Joseph F. Smith, Gospel Doctrine, 5. Auflage, 1939, Seite 60.

  7. Johannes 14:15-17.

  8. Siehe Johannes 14:26.

  9. Siehe Joseph Fielding Smith, Answers to Gospel Questions, Hg. Joseph Fielding Smith jun., 5 Bände, 1957-1966, 2:154; siehe auch Apostelgeschichte 2:38; 8:12-17; 19:1–6.

  10. 3 Nephi 19:9.

  11. Siehe Mosia 3:19; Moroni 7:13.

  12. Siehe Alma 34:9.

  13. Jakob 4:8.

  14. LuB 76:116.

  15. Psalm 119:105; siehe auch Answers to Gospel Questions, 2:149ff.

  16. Siehe 3 Nephi 19:20,21.

  17. Siehe 1 Korinther 12:3; Joseph Smith, Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 247.