2000–2009
Besondere Momente
Oktober 2005


Besondere Momente

Wenn wir den Herrn suchen und nach seiner Führung trachten, wenn es unser Ziel ist, zum Vater im Himmel zurückzukehren, dann werden diese besonderen Momente kommen.

Wir sind dankbar für unseren lebenden Propheten, Präsident Gordon B. Hinckley, und für seine Worte: „Gott segne die Frauenhilfsvereinigung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“.1 Jede Schwester in dieser Kirche gehört zur FHV. Jede von uns kann die Liebe spüren, die es in dieser von Gott eingerichteten Organisation so reichlich gibt. Ich fühle mit Ihnen, Schwestern, die von den Naturkatastrophen, die sich vor kurzem ereigneten, in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Ich freue mich, wenn ich von rechtschaffenen Frauen höre, die dienen und denen gedient wird. Durch das Dienen erfahren derjenige, der dient, und der, dem gedient wird, die Liebe des Herrn. In diesen Prüfungszeiten bete ich, dass Sie seine Liebe und auch meine Liebe und die der vielen Schwestern in der Frauenhilfsvereinigung spüren.

Der Prophet Joseph Smith gab der FHV die Richtung vor, als er den Schwestern 1842 sagte: „Es ist natürlich, dass eine Frau Nächstenliebe verspürt – ihr seid nun in die Lage versetzt, so handeln zu können, wie es den Gefühlen entspricht, die Gott euch ins Herz gegeben hat. Wenn ihr diesen Grundsätzen gerecht werdet, ist das großartig und herrlich!“2

Die Schwestern in den Anfangstagen der FHV wurden durch den Propheten Joseph Smith zum Handeln bewegt. Heute haben auch wir die Gelegenheit, „in den Händen Gottes zu Werkzeugen [zu werden, um] dieses große Werk zuwege zu bringen“.3

Was bedeutet es denn, ein Werkzeug zu sein? Ich glaube, es bedeutet, einander zu nähren. Joseph Smith nannte es, so zu handeln, wie es den Empfindungen unseres Herzens entspricht. Für mich gab es viele besondere Momente, in denen ich gespürt habe, dass der Herr mich als Werkzeug benutzt hat. Ich glaube, dass auch Sie geführt wurden und Ihnen geholfen wurde, wenn Sie belehrt, Trost und Mut gespendet haben.

Trotzdem gehen wir Frauen sehr hart mit uns selbst ins Gericht! Glauben Sie mir: Wir sind alle besser, als wir glauben. Wir müssen das, was wir richtig machen, erkennen und uns daran erfreuen. Vieles, was wir tun, scheint klein und unbedeutend zu sein – der Alltag eben. Wenn wir einst aufgerufen werden, Jahwe einen Bericht zu geben,4 wie der Prophet Joseph Smith gesagt hat, dann bin ich mir sicher, dass wir viel zu erzählen haben.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Vor kurzem fragte ich Elder William W. Parmley nach seinen Erinnerungen an seine Mutter, LaVern Parmley, die 23 Jahre lang PV-Präsidentin gewesen war. Er ging nicht auf ihre Konferenzansprachen oder auf die vielen Programme ein, die sie eingeführt hat. Er sprach über einen für ihn besonderen Moment: Er war 17 und bereitete sich darauf vor, von Zuhause weg und aufs College zu gehen. Er erinnerte sich daran, wie er mit seiner Mutter zusammensaß und sie ihm zeigte, wie man einen Knopf annäht. Kleine und einfache Taten hinterlassen bei Kindern – ganz gleich, wie alt sie sind – einen bleibenden Eindruck.

Nicht alle von uns haben Kinder, denen sie die Grundlagen des Nähens beibringen können. Die Schwestern in früherer Zeit waren eine ebenso gemischte Gruppe wie wir. Die einen waren verheiratet, die anderen alleinstehend, andere verwitwet, aber sie alle hatten dasselbe Ziel. Immer, wenn ich bei Ihnen in den verschiedenen Ländern und Orten war, habe ich Ihre Zuneigung verspürt. Schwestern, ich habe Sie lieb, und ich weiß, auch der Herr hat Sie lieb.

Viele von Ihnen sind alleinstehend. Sie studieren, Sie arbeiten, Sie sind neu in der FHV. Einige von Ihnen sind schon lange in der Kirche. Bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage: Jede von Ihnen wird geschätzt und gebraucht. Jede von Ihnen bringt Liebe, Energie, eine eigene Sichtweise und ein Zeugnis mit in die Arbeit ein. Ihre Bemühungen, dem Geist nahe zu sein, kommen uns allen zugute, weil Sie gelernt haben, sich auf den Geist zu verlassen, um Stärke und Führung zu erhalten.

Eines Abends hatte eine alleinstehende Schwester namens Cynthia die Eingebung, eine Schwester zu besuchen, deren Besuchslehrerin sie war. Die Schwester war nicht zu Hause. Auf dem Heimweg sah Cynthia vor dem Krankenhaus eine Krankenschwester mit zwei Kindern mit schlimmen Brandverletzungen. Als Cynthia hörte, wie die Krankenschwester das kleine Mädchen beim Namen nannte, erkannte sie die beiden sofort wieder. Vier Jahre zuvor hatte sie als Missionarin in Bolivien diese beiden Kinder kennen gelernt. Sie unterhielten sich auf dem Rasen vor dem Krankenhaus, und es lag auf der Hand, dass die Kinder zwar körperlich gesundeten, aber ohne Unterstützung der Familie seelisch litten. Cynthia begann, die Kinder zu besuchen, und kümmerte sich um sie. Weil sie auf die Eingebung des Geistes gehört hatte, wurde Cynthia Gottes Werkzeug, mit dem er sich zwei heimwehkranken Kindern zuwandte.

Hat sie das getan, weil sie alleinstehend war? Nein. Sie tat es, weil sie für den Geist empfänglich war und ihr Herz Gott geweiht hatte. Wenn wir im Einklang mit dem Geist sind, wenn wir den Herrn suchen und nach seiner Führung trachten, wenn es unser Ziel ist, zum Vater im Himmel zurückzukehren, dann werden diese besonderen Momente kommen. Und sie werden für uns ein Schatz sein, denn wir sind Werkzeuge in den Händen Gottes geworden.

Manchmal nimmt unser Leben eine unerwartete Wendung, und wir müssen unsere Pläne ändern. Eine alleinstehende Schwester schrieb: „Ich glaube, ich war als Erwachsene nie so richtig glücklich, bis ich dann zu der Einsicht gekommen bin, dass mein Wert als Mensch und als Tochter Gottes nichts mit meinem Familienstand zu tun hat. Von da an begann ich, mich auf mein geistiges und persönliches Wachstum zu konzentrieren und nicht darauf, ob ich einmal heiraten werde.“5

Schauen Sie nur, wie viel wir lernen und wachsen, wenn wir andere an unserem Zeugnis teilhaben lassen, dass der Herr lebt und uns liebt. Wie ich bereits gesagt habe: Wenn ich mir für Sie alle etwas wünschen könnte, dann dies: dass Sie jeden Tag die Liebe des Herrn spüren.

Manchmal kommt diese Liebe auf unerwartete Weise. Kristen schloss gerade ein Aufbaustudium ab und hatte kurz zuvor ihr zweites Kind bekommen. Sie hatte das Gefühl, dass die anderen Studenten viel mehr geleistet hatten, und hatte Bedenken, zur Abschlussfeier zu gehen. Ihre Ängste bewahrheiteten sich, als die Studenten bei dem Essen gebeten wurden, ihre beruflichen Leistungen aufzuschreiben. Kristen erinnert sich: „Ich war plötzlich peinlich berührt und schämte mich. Ich hatte nichts vorzuweisen – keine wichtige Position, keinen eindrucksvollen Titel in der Firma.“ Was noch schlimmer war: Der Professor las bei der Übergabe der Diplome an den jeweiligen Studenten diese Liste vor. Die Frau vor Kristen hatte viele Leistungen erbracht. Sie hatte bereits einen Doktortitel, hatte ihren zweiten Master gemacht und war sogar schon Bürgermeisterin gewesen! Diese Frau erhielt einen riesigen Applaus. Dann kam Kristen an die Reihe. Sie gab dem Professor ihr leeres Blatt und kämpfte gegen ihre Tränen an. Der Professor war einer ihrer Lehrer gewesen und hatte ihre Studienleistung gelobt. Er sah auf das leere Blatt. Ohne zu zögern verkündete er: „Kristen hat die wichtigste Aufgabe, die es in der Gesellschaft gibt.“ Er schwieg einige Sekunden lang und erklärte dann mit lauter Stimme: „Sie ist die Mutter ihrer Kinder.“ Es gab nicht nur ein wenig höflichen Applaus – alles erhob sich von den Plätzen. Das geschah am ganzen Abend nur einmal – und zwar für diese Mutter.

Sie als Mütter sind ein Werkzeug in Gottes Händen, Sie haben die von Gott gegebene Aufgabe, Ihre Kinder zu lehren und zu nähren. Die Kleinen brauchen Ihre gütige und liebevolle Hand. Wenn Sie sie an die erste Stelle setzen, wird Gott Sie anleiten, wie Sie ihnen am besten dienen können.

Sie alle, die Sie ältere Kinder haben, werden zu Hause gebraucht. Natürlich gibt es frustrierende Momente, doch ebenso viele schöne Augenblicke. Halten Sie danach Ausschau! Ich habe vier emsige Söhne aufgezogen und dabei das eine oder andere darüber gelernt, wie man ein Werkzeug sein kann. Genießen Sie die Energie dieser Jahre. Machen Sie Ihr Zuhause zu einem sicheren, glücklichen und entspannten Ort, wo Freunde willkommen sind. Hören Sie zu, seien Sie liebevoll, erzählen Sie Ihren Kindern Geschichten aus Ihrer Kindheit und Jugend.

Setzen Sie Erwartungen in sie. Bei uns war um Mitternacht Zapfenstreich, und wir hatten unseren Söhnen gesagt, dass der Heilige Geist dann zu Bett geht. Hin und wieder, wenn sie nicht rechtzeitig zu Hause waren, sagte mir der Heilige Geist, dass ich losgehen und sie suchen sollte. Einige der Mädchen, mit denen sie aus waren, überraschte das sehr! Heute lachen wir darüber – aber ich muss sagen, jetzt, wo sie älter sind, fällt es leichter, darüber zu lachen.

Seien Sie für Ihre Kinder da. Setzen Sie sich aufs Bett und genießen Sie die Gespräche spätabends – versuchen Sie, wach zu bleiben! Bitten Sie den Herrn, dass er Ihnen Inspiration gibt. Vergeben Sie oft. Wählen Sie, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Geben Sie oft Zeugnis von Jesus Christus, seiner Güte und von der Wiederherstellung. Und vor allem: Lassen Sie sie wissen, dass Sie dem Herrn vertrauen.

Wenn Ihre Kinder erwachsen und aus dem Haus sind, wenn Sie alleinstehend, geschieden oder verwitwet sind, lassen Sie sich davon nicht abhalten, Ihre Lebenserfahrungen weiterzugeben. Ihre Stimme wird gebraucht.

In meiner Gemeinde sprachen wir am Sonntag in einer FHV-Klasse darüber, was eine gute Ehe ausmacht. Eine Schwester namens Lisa sagte: „Vielleicht sollte ich dazu nichts sagen, weil ich geschieden bin, aber mir helfen meine Tempelbündnisse, weiterzumachen.“ Nach dem Unterricht fragte ich ein paar junge Schwestern, die neu in der FHV waren, was sie in der Stunde am meisten berührt hatte. Sie sagten: „Lisas Antwort hat uns am meisten beeindruckt.“

Nun zu Ihnen, meine lieben älteren Schwestern. Ich sehe Gottes Abbild in Ihren edlen Gesichtszügen. Ihre Weisheit, Geduld und Erfahrung hat so viele Menschen beeinflusst! Meine fantastische Schwiegermutter, Mary, hat oft gesagt, als sie schon über 90 war: „Die Leute meinen, ich hätte keine Ahnung, weil ich alt bin.“ Ich werde Ihnen sagen, was sie wusste und was sie gemacht hat. Als Mary in einem Altenheim lebte, fragte sie den Leiter, ob sie einen der Räume für Gottesdienste nutzen dürfte. Er lehnte dies ab, weil das Altenheim nicht konfessionsgebunden war. Sie war nicht bereit, sich mit seiner Antwort zufrieden zu geben! Mit einigen anderen älteren Schwestern beharrte Mary solange darauf, bis die Leitung ihnen einen Raum zur Verfügung stellte. Schon bald war ein Zweig gegründet, und die Mitglieder versammelten sich jeden Sonntag, um das Abendmahl zu nehmen und ihre Bündnisse zu erneuern. Alter ist kein Hindernis, um ein Werkzeug in den Händen Gottes zu werden.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man ein Werkzeug in den Händen Gottes sein kann – beispielsweise die Art Besuchslehrerin sein, die man immer haben wollte, eine junge alleinstehende Schwester fragen, was sie gern tut, statt zu fragen, warum sie nicht verheiratet ist, teilen statt anhäufen, seine Kleidung, seine Worte und seine Unterhaltung sorgfältig wählen, dem Mann oder dem Kind, das genau weiß, dass es einen enttäuscht oder bekümmert hat, ein Lächeln schenken, den Arm um eine junge Frau legen, fröhlichen Herzens im Kindergarten unterrichten, durch seine Einstellung zeigen, dass man Freude am Lebensweg hat. Der Prophet Joseph Smith sagte über diese Bemühungen: „Wenn ihr so lebt, wie es euer verbürgtes Recht ist, wird nichts die Engel daran hindern können, sich zu euch zu gesellen.“6

Ich bezeuge, dass wir im Werk Gottes tätig sind. Danke für Ihre Hingabe an Ihre Familie, an die FHV und an die Kirche. Danke, dass Sie ein Werkzeug in den Händen Gottes sind, um dieses große Werk zuwege zu bringen. Mögen Sie die Liebe Gottes in Ihrem Leben verspüren und mögen Sie andere daran teilhaben lassen, darum bitte ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Werkzeuge in der Hand Gottes (Video während der Allgemeinen FHV-Versammlung 2005)

  2. Relief Society Minutes, 28. April 1842, Archiv der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Seite 38

  3. Alma 26:3

  4. Relief Society Minutes, 24. März 1842, Seite 34

  5. Privatkorrespondenz

  6. Relief Society Minutes, 28. April 1842, Seite 38