2000–2009
Die Heiligkeit des Körpers
Oktober 2005


Die Heiligkeit des Körpers

Der Herr möchte, dass wir uns umgestalten lassen – allerdings in seinem Abbild, nicht im Abbild der Welt. Wir sollen sein Abbild in unseren Gesichtsausdruck aufnehmen.

Vor kurzem war ich bei meiner Tochter zu Besuch und hielt zum ersten Mal unsere jüngste Enkelin, Elizabeth Claire Sandberg, in den Armen. Sie ist einfach vollkommen! Ehrfürchtig bestaunte ich – wie jedes Mal, wenn ein Baby zur Welt kommt – die Finger, die Zehen, das Haar, den Herzschlag und die typischen Familienmerkmale – Nase, Kinn, Grübchen. Ihre älteren Geschwister waren gleichermaßen hingerissen von dem kleinen und doch so vollkommenen Schwesterchen. Sie schienen zu spüren, dass etwas Heiliges in ihr Haus gekommen war – ein celestialer Geist, der erst vor kurzem in einen reinen physischen Körper eingetreten war.

Schon im vorirdischen Dasein erfuhren wir, dass zu Gottes großem Plan für unser Glücklichsein auch der Körper gehört. In der Proklamation zur Familie steht: „Die Geistsöhne und -töchter [kannten und verehrten] ihren ewigen Vater und nahmen seinen Plan an; nach diesem Plan konnten sie einen physischen Körper erhalten und die Erfahrungen des irdischen Lebens machen, um sich auf die Vollkommenheit hin weiterzuentwickeln und letztlich als Erben ewigen Lebens ihre göttliche Bestimmung zu verwirklichen.“ („Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Oktober 2004, Seite 49.) Wir „jubelten“ sogar vor Freude darüber, dass wir Teil dieses Plans sein durften (siehe Ijob 38:7).

Weshalb hat uns dies so gefreut? Wir kannten damals ewige Wahrheiten in Bezug auf den Körper. Wir wussten: Unser Körper würde ein Abbild Gottes sein. Wir wussten: Unser Körper würde unseren Geist beherbergen. Wir wussten auch, dass unser Körper Schmerzen, Krankheit, Behinderung und Versuchungen ausgesetzt sein würde. Aber wir waren bereit, sogar begierig, diese Herausforderungen anzunehmen, weil wir wussten, dass man nur dann, wenn Geist und Element untrennbar miteinander verbunden sind, einmal so werden kann wie der himmlische Vater (siehe LuB 130:22) und „eine Fülle der Freude“ empfangen kann (LuB 93:33).

Da nun das Evangelium in seiner Fülle auf Erden ist, sind uns diese Wahrheiten, was den Körper betrifft, erneut bekannt. Joseph Smith hat gelehrt: „Wir sind auf diese Erde gekommen, damit wir einen Körper erlangen und ihn rein darbringen können, nämlich vor Gott im celestialen Reich. Das wichtige Prinzip des Glücklichseins besteht darin, dass man einen Körper hat. Der Teufel hat keinen Körper, und darin liegt seine Strafe.“ (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 184.)

Der Satan kennt diese ewigen Wahrheiten in Bezug auf den Körper, aber seine Strafe liegt darin, dass er keinen Körper hat. Darum tut er alles, was er kann, um uns zu verleiten, dass wir dieses kostbare Geschenk missbrauchen. Er hat auf der Welt allerlei Lügen und Täuschungen in Bezug auf den Körper verbreitet. Viele verleitet er dazu, dass sie dieses wertvolle Geschenk – den Körper – durch Unkeuschheit, Unsittlichkeit, Zügellosigkeit und Suchtverhalten entweihen. Einige verleitet er dazu, ihren Körper zu verachten, und andere bringt er dazu, ihn zu vergöttern. Ob so oder so – er verführt die Welt, den Körper bloß als Gegenstand anzusehen. Angesichts der vielen teuflischen Lügen in Bezug auf den Körper möchte ich heute klar und deutlich darüber sprechen, dass der Körper heilig ist. Ich bezeuge, dass der Körper ein Geschenk ist, mit dem dankbar und respektvoll umgegangen werden muss.

In den heiligen Schriften wird der Körper als ein Tempel bezeichnet. Jesus hat als Erster seinen Körper mit einem Tempel verglichen (siehe Johannes 2:21). Später gab Paulus den Einwohnern Korinths – einer gottlosen Stadt voller Laster und Unanständigkeit – folgende Ermahnung: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.“ (1 Korinther 3:16,17.)

Was wäre, wenn wir unseren Körper tatsächlich wie einen Tempel behandelten? Keuschheit und Anstand wären weit verbreitet, die Menschen würden das Wort der Weisheit befolgen, und gleichzeitig würden Probleme wie Pornografie und Missbrauch drastisch zurückgehen, denn wir würden den Körper, wie den Tempel, als heilige Wohnstätte des Geistes betrachten. So, wie nichts Unreines in den Tempel gelangen darf, würden wir gut darauf achten, dass Unreines jedweder Art nicht in den Körper – unseren Tempel – gelangen kann.

Wir würden das Erscheinungsbild unseres Körpers sauber und schön halten, damit es das heilige Wesen dessen widerspiegelt, was sich darin befindet, ebenso, wie die Kirche es auch mit den Tempeln hält. Wir sollen uns so kleiden und so verhalten, dass sich unser Geist, der heilig ist, darin widerspiegelt.

Vor kurzem war ich in einer viel besuchten Weltstadt und war von Herzen traurig, weil so viele Menschen auf die Täuschung des Satans hereinfallen, dass der Körper lediglich ein Gegenstand sei, den man öffentlich zur Schau stellen kann. Können Sie sich vorstellen, wie sehr es sich davon abhob und wie froh ich war, als ich dann ein Klassenzimmer betrat, in dem anständig und angemessen gekleidete Mädchen saßen, deren gutes Wesen sich in ihrem Gesicht widerspiegelte? Ich dachte: „Hier sind acht schöne Mädchen, die wissen, wie man Achtung vor dem Körper zeigt, und die auch wissen, warum sie selbst das tun.“ In der Broschüre Für eine starke Jugend heißt es: „Euer Körper ist Gottes heilige Schöpfung. Achtet ihn als ein Geschenk Gottes und verunreinigt ihn auf keinerlei Weise. Durch eure Kleidung und äußere Erscheinung könnt ihr dem Herrn zeigen, dass ihr wisst, wie wertvoll euer Körper ist. … Die Art und Weise, wie ihr euch kleidet, spiegelt wider, wie ihr innen seid.“ (Seite 14f.)

Schicklichkeit bedeutet mehr als der Verzicht auf freizügige Kleidung. Es geht dabei nicht bloß um Rocklänge und Ausschnitttiefe, sondern um unsere Herzenseinstellung. Das Wort Schicklichkeit bedeutet Angemessenheit. Es hat etwas mit dem Wort maßvoll zu tun. Es steht für „Anstand und Sittsamkeit … in Gedanken, Sprache, Kleidung und Verhalten“ (Encyclopedia of Mormonism, Hg. Daniel H. Ludlow, 5 Bände, 1992, Band 2, Seite 932).

Maß halten und Angemessenheit – das muss all unsere körperlichen Wünsche bestimmen. Der himmlische Vater hat uns in seiner Liebe körperliche Schönheit und Freuden gegeben, um „sowohl das Auge [zu erfreuen] als auch das Herz [zu beglücken]“ (LuB 59:18), doch er fügt dem eine Warnung hinzu, nämlich „dass es gebraucht werde, mit Urteilsvermögen, nicht im Übermaß, auch nicht durch Raub“ (LuB 59:20). Mein Mann hat unsere Kinder anhand dieser Schriftstelle über das Gesetz der Keuschheit unterwiesen. Er sagte, das Wort extortion in der englischen Fassung dieser Schriftstelle bedeute so viel wie „verdrehen“. „Unser Körper darf nur so gebraucht werden, dass wir die von Gott verordneten Absichten in Bezug auf den Körper nicht verdrehen. Körperliche Freuden sind gut zur rechten Zeit und am rechten Ort, aber selbst dann dürfen sie nicht Gegenstand unserer Verehrung werden.“ (John S. Tanner, „The Body as a Blessing“, Ensign, Juli 1993, Seite 10.)

Manche wirken ganz besessen von den körperlichen Freuden, doch auch die Aufmerksamkeit, die wir unserem Äußeren widmen, kann zur Besessenheit werden. Manch einer denkt nur an sich und übertreibt es mit dem Sport, dem Diät halten, den Maßnahmen, um besser auszusehen, und den Ausgaben für die neueste Mode (vgl. dazu Alma 1:27).

Es bereitet mir Sorge, dass immer mehr Menschen ihr Äußeres ganz und gar verändern lassen. Wir werden glücklich, wenn wir den Körper, den wir als Geschenk von Gott erhalten haben, akzeptieren und unsere natürlichen Eigenschaften zur Geltung bringen, nicht aber, indem wir unseren Körper so umgestalten, dass er ein Abbild der Welt wird. Der Herr möchte, dass wir uns umgestalten lassen – allerdings in seinem Abbild, nicht im Abbild der Welt. Wir sollen sein Abbild in unseren Gesichtsausdruck aufnehmen (siehe Alma 5:14,19).

Ich weiß noch, wie unsicher ich mich gefühlt habe, als ich als junges Mädchen schlimme Akne hatte. Ich bemühte mich, meine Haut richtig zu pflegen. Meine Eltern schickten mich zum Arzt. Jahrelang verzichtete ich gar auf Schokolade und all die fetthaltigen Lebensmittel, die so oft im Spiel sind, wenn Teenager zusammenkommen – aber nichts schien zu wirken. Damals fiel es mir schwer, mich an meinem Körper zu erfreuen, der mir doch so großen Kummer bereitete. Aber meine gute Mutter lehrte mich ein höheres Gesetz. Immer wieder sagte sie zu mir: „Du musst alles tun, was du kannst, um hübsch auszusehen, aber sobald du vor die Tür trittst, denke nicht mehr an dich, sondern kümmere dich um andere.“

Das war es! Sie lehrte mich den christlichen Grundsatz der Selbstlosigkeit. Nächstenliebe, die reine Christusliebe, „neidet nicht und ist nicht aufgeblasen, sucht nicht das Ihre“ (Moroni 7:45). Wenn wir mehr an die anderen denken, also selbst-los werden, bildet unser Geist im Inneren eine Schönheit aus, die sich in unserem Äußeren widerspiegelt. So gestalten wir uns im Abbild des Herrn um und nicht im Abbild der Welt, so nehmen wir sein Abbild in unseren Gesichtsausdruck auf. Präsident Hinckley sprach über genau diese Art Schönheit, eine Schönheit, die dadurch entsteht, dass man Körper, Verstand und Geist schätzen lernt. Er hat gesagt:

„Von allen Geschöpfen des Allmächtigen gibt es kein schöneres, kein inspirierenderes als eine reizende Tochter Gottes, die tugendhaft lebt und weiß, warum sie das tut, die ihren Körper als etwas Heiliges, etwas Göttliches ehrt und achtet, die ihren Verstand entfaltet und ihren Horizont ständig erweitert, die ihren Geist mit immerwährender Wahrheit nährt.“ („Our Responsibility to Our Young Women“, Ensign, September 1988, Seite 11.)

Ich bete inständig darum, dass alle Männer und Frauen nach der Schönheit streben, die unser Prophet so hervorhebt – der Schönheit an Körper, Verstand und Geist!

Das wiederhergestellte Evangelium lehrt uns, dass eine enge Verbindung zwischen Körper, Verstand und Geist besteht. Im Wort der Weisheit beispielsweise sind geistige und körperliche Belange miteinander verflochten. Wenn wir das Gesundheitsgesetz des Herrn für den Körper befolgen, sind uns auch Weisheit im Geist und Erkenntnis im Verstand verheißen (siehe LuB 89:19-21). Das geistige und das körperliche Element sind tatsächlich miteinander verbunden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie einmal der empfindsame Geist meiner Mutter darunter gelitten hat, dass sie sich zu viel gegönnt hatte. Sie hatte ein neues Rezept für süße Brötchen ausprobiert. Die Brötchen waren groß, gehaltvoll, sehr lecker –und äußerst sättigend. Sogar meine Brüder im Teenageralter konnten jeder nur eines essen. Beim abendlichen Familiengebet bat mein Vater meine Mutter zu beten. Sie vergrub den Kopf in den Händen und schwieg. Er berührte sie sanft und fragte: „Stimmt etwas nicht?“ Schließlich sagte sie: „Ich bin heute Abend geistig nicht in Form. Ich habe vorhin drei von den schweren, süßen Brötchen gegessen.“ Ich nehme an, dass viele von uns manchmal in ähnlicher Weise ihrem Geist etwas zumuten, weil sie einem körperlichen Verlangen nachgeben. Insbesondere jene Substanzen, die im Wort der Weisheit verboten werden, schaden dem Körper und stumpfen unser geistiges Empfinden ab. Keiner von uns kann diese Verbindung zwischen Geist und Körper von der Hand weisen.

Unser heiliger Körper, für den wir so dankbar sind, unterliegt naturgemäßen Einschränkungen. So mancher kommt mit einer Behinderung zur Welt oder hat infolge von Krankheit sein Leben lang Schmerzen. Wir alle werden älter, und der Körper baut langsam ab. Unter diesen Umständen sehnen wir uns nach dem Tag, da unser Körper wieder heil sein wird. Wir freuen uns auf die Auferstehung, die Jesus Christus möglich gemacht hat, bei der „die Seele … dem Leib wiederhergestellt werden [wird] und der Leib der Seele; ja, und jedes Glied und Gelenk wird seinem Leib wiederhergestellt werden; ja, auch nicht ein Haar des Hauptes wird verloren sein, sondern alles wird zu seiner rechten und vollkommenen Gestalt wiederhergestellt werden.“ (Alma 40:23.) Ich weiß: Durch Christus können wir eine Fülle der Freude erfahren, die nur dann möglich ist, wenn Geist und Element untrennbar verbunden sind (siehe LuB 93:33).

Unser Körper ist unser Tempel. Durch unseren Körper gleichen wir dem himmlischen Vater nicht weniger, sondern mehr. Ich bezeuge, dass wir seine Kinder sind, als sein Abbild erschaffen, und dass wir so werden können wie er. Behandeln wir unseren Körper, dieses Geschenk von Gott, achtsam und gut. Wenn wir würdig sind, werden wir eines Tages einen vollkommen gemachten, herrlichen Körper erhalten – er wird rein sein wie meine jüngste Enkelin, aber untrennbar mit dem Geist verbunden. Und wir werden vor Freude jauchzen (siehe Ijob 38:7), dass uns erneut dieses Geschenk gemacht wird, nach dem wir uns gesehnt haben (siehe LuB 138:50). Mögen wir während des Erdenlebens die Heiligkeit des Körpers achten, damit der Herr ihn dann für die Ewigkeit heiligen und erhöhen kann. Im Namen Jesu Christi. Amen.