Lernen Sie, wie die Kirche funktioniert, und finden Sie Ihren Platz darin
Als Lori Solomon zum ersten Mal eine Gemeinde der Heiligen der Letzten Tage besuchte, fiel ihr etwas auf. Die Menschen, denen sie dort begegnete, waren nicht nur sehr freundlich, sondern hatten auch alle ihre heiligen Schriften dabei. Während der Versammlungen lasen sie in den Schriften, sprachen darüber und bemühten sich, sie auf ihr Leben zu beziehen. Das beeindruckte Lori, denn sie hatte in ihrer jüdischen Gemeinde nie etwas verstanden, wenn die Thora auf Hebräisch vorgelesen wurde.
Als Lori das zweite Mal zur Kirche ging, wurde sie in der Fast- und Zeugnisversammlung von einem mächtigen Gefühl ans Mikrofon getrieben. Sie kannte niemanden. Doch sie versuchte ein Gefühl in Worte zu fassen, das bereits zu einer Überzeugung wurde. „Ich bin zu Hause“, sagte sie. Lori ließ sich 2001 in Chicago in Illinois taufen.
Der Apostel Paulus verglich die Bekehrung damit, dass man ein geistiges Zuhause findet: „Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus … in die Nähe gekommen. … Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“ (Epheser 2:13,19.)
Lori stellte aber bald fest, dass ein Zeugnis von der Kirche noch lange nicht bedeutet, dass man weiß, wie die Kirche funktioniert. Wie die meisten neuen Mitglieder waren Lori viele Vorgänge, Verhaltensweisen und Begriffe völlig unbekannt, die langjährige Mitglieder für selbstverständlich halten. Beispielsweise wusste sie nicht, dass die Mitglieder in der Abendmahlsversammlung keine Kommentare abgeben. Und als sie zum ersten Mal von der „Versammlung für Wohnen, Familie und eigene Entfaltung“ hörte, dachte sie, sie müsse ihre Familie mitbringen. Es braucht Zeit, diese und andere ungeschriebene „Regeln“ zu lernen.
Die Bekehrung besteht für jeden von uns aus wenigstens zwei Teilen. Ein Teil ist ein ganz individueller Vorgang. Wir lernen die wiederhergestellten Wahrheiten des Evangeliums Jesu Christi kennen, nehmen sie an und erleben durch unseren neuen Glauben eine geistige Veränderung, eine Bekehrung. Es ist ein lebenslanger Prozess. Dazu gehört, dass wir umkehren, Bündnisse mit dem Herrn schließen und halten und uns bemühen, seinen Willen zu tun. Da wir alle in diesem wesentlichen Bestreben Unterstützung brauchen, gehört auch ein zweiter Vorgang dazu, nämlich die Gemeinschaft mit anderen Heiligen der Letzten Tage. Das bedeutet, dass wir Teil einer neuen Gemeinschaft werden, Versammlungen besuchen, an Aktivitäten teilnehmen, anderen dienen und dass andere etwas für uns tun. Jeder Aspekt der Organisation der Kirche kann uns bei unserer geistigen Bekehrung ganz wesentlich unterstützen.
Mitarbeit in einer „aktiven“ Kirche
Jean Gardner, die in Maryland als praktizierende Katholikin aufgewachsen ist, war immer der Meinung, Bischöfe seien Berufsgeistliche. Als sie nach Utah zog, war sie natürlich überrascht, dass ihr Nachbar gegenüber nicht nur Lastwagenfahrer war, sondern auch der Bischof der örtlichen Gemeinde der Kirche Jesu Christi. Schwester Gardner, die sich 2005 taufen ließ, ist dankbar, dass sie einer Kirche angehört, deren Geistliche unbezahlte Laien sind.
Die Mitarbeit durch Berufungen in der Kirche war für Madhu Menon der Schlüssel dazu, dass er die Organisation der Kirche kennen lernte. Bruder Menon, der in Indien als Hindu geboren wurde, schloss sich 1984 der Kirche an. „Wenn ich Berufungen annehme und mich aktiv um andere kümmere, erhalte ich Hilfe von meinen Führern, die mir die Organisation der Kirche und die Aufgaben des Amtes erklären, zu dem ich berufen bin. Ob als Heimlehrer oder bei einem Auftrag im Bereich Wohlfahrt – mit jeder Berufung und jeder Aufgabe habe ich etwas über die Organisation der Kirche gelernt,“ sagt Bruder Menon. Heute gehört er zum Hoherat des Pfahles, wo er seine Kenntnisse über die Kirche weiter vertieft.
Es ist wichtig, auf andere zuzugehen
Sich einer Kirche anzuschließen, in der die Mitglieder unterrichten und öffentlich beten und sprechen, das kann erschreckend sein für jemanden, für den die Mitgliedschaft in einer Kirche bisher etwas Passives war. Heute gehört Aileen Figuerres zum Hauptausschuss der FHV und unterweist FHV-Führungskräfte in der Kirche. Sie schloss sich mit 21 Jahren in Hawaii der Kirche an und erinnert sich noch gut daran, wie ängstlich sie war, als sie zum ersten Mal gebeten wurde, in einer Versammlung zu beten und in einem Lehrerschulungskurs einen kurzen Unterricht zu halten. In der buddhistischen Gemeinde, in der sie aufwuchs, „tat der Geistliche alles; wir saßen nur da und hörten zu“, erzählt sie. Da sie nicht christlich aufgewachsen war, konnte sie auch die heiligen Schriften zunächst kaum verstehen. Sie vertraute sich einer Freundin an, die ihr anbot, gemeinsam mit ihr die heiligen Schriften zu lesen. Freunde brachten ihr auch bei, wie man betet.
Schwester Figuerres betont heute, wie wichtig es ist, dass neue Mitglieder auch auf andere Mitglieder der Kirche zugehen. Sie sagt, es sei wichtig, dass man mutig genug ist, anderen zu sagen, was man braucht, damit sie einem helfen können.
Zurückblickend erkennt Schwester Figuerres auch, dass sie sich als neues Mitglied weniger Gedanken um die „Form“ ihres Dienstes hätte machen sollen als um den Inhalt. Damit neue Aufgaben nicht belastend und überwältigend werden, empfiehlt Schwester Figuerres neuen Mitgliedern, mit Freude am Lernen an neue Aufgaben heranzugehen. „Da ich den Geist und Gottes Liebe oft genug spürte, konnte ich trotz aller Gefühle der Unzulänglichkeit und trotz aller Ängste den Bekehrungsprozess fortsetzen“, sagt sie.
Wir lernen „Zeile um Zeile“
Wie alle neuen Mitglieder hat Jana Riess festgestellt, dass man die Kirche „Zeile um Zeile“ kennen lernen muss (siehe 2 Nephi 28:30). 1991 bereitete sie sich darauf vor, eine Geistliche bei den Presbyterianern zu werden, als sie sich die Missionarslektionen anhörte. Um ihre Dankbarkeit auszudrücken, wollte sie die Missionarinnen an einem Sonntag in ein Restaurant zum Essen einladen. Sie erklärten freundlich, dass sie am Sonntag lieber nicht in einem Restaurant essen wollten. Fünfzehn Jahre und viele Berufungen in der Kirche später betrachtet Schwester Riess ihre Bekehrung immer noch als fortlaufenden Prozess. „Ein Jünger Jesu zu sein ist ein lebenslanger Prozess, der nicht aufhört, wenn jemand aus den Wassern der Taufe steigt“, sagt sie. „Ich bin immer noch dabei, mich zu bekehren.“
Zurückblickend zählt Schwester Riess zu ihren größten Segnungen als neues Mitglied der Kirche die Mitglieder, die auf sie zugingen und denen ihre geistige Entwicklung am Herzen lag. Heute schätzt sie es, dass sie nun anderen Bekehrten auf ihrem Weg als Jünger Jesu helfen kann, indem sie mit ihnen über ihre Sorgen spricht, für sie und mit ihnen betet und ihnen hilfreiches Material an die Hand gibt. Sie weiß, dass der Übergang oft sehr viel schmerzlicher ist und sehr viel mehr Opfer fordert, als vielen bewusst ist. Deshalb betrachtet sie es auch neben ihrer derzeitigen offiziellen Berufung als Gesangsleiterin in der PV als ihre persönliche Aufgabe, auf andere Bekehrte zuzugehen und ihnen zu helfen, durch die Lehren und Programme der Kirche treue Jünger Jesu zu werden.
Sie geben uns so viel
Präsident Gordon B. Hinckley sagt zu all denen, die sich mit der Kirche befassen: „Bringen Sie alles Gute und Wahre mit, das Sie aus welcher Quelle auch immer empfangen haben, und kommen Sie, um zu sehen, ob wir nicht etwas hinzufügen können.“1 Das wiederhergestellte Evangelium fügt der Erkenntnis der Neubekehrten vieles hinzu, aber auch die Neubekehrten geben der wiederhergestellten Kirche viel Kraft.
„Ich mache den Neubekehrten gern bewusst, wie viel sie zur Fülle und Schönheit der Kirche beitragen können durch ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Lebens-umstände und Talente“, sagt Schwester Riess. „Neue Mitglieder tragen viel zur allgemeinen geistigen Lebendigkeit der Kirche bei durch ihre Frische und die Kraft ihres Zeugnisses, das oft aus großer Qual entstanden ist. Tatsache ist, dass wir alle Bekehrte sind. Selbst diejenigen, die schon ihr ganzes Leben lang im Evangelium unterwiesen wurden, kommen irgendwann zu dem Punkt, wo sie sich entscheiden müssen, ob sie dahinterstehen.“
Nachdem sich der Apostel Paulus bekehrt hatte, verwendete er ein Bild, das sowohl das Leben jedes Mitglieds der Kirche als auch die Kirche als Organisation treffend beschreibt: „Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn.“ (Epheser 2:20,21.) Die Organisation und die Programme der Kirche sind wunderbare Gaben. Durch sie können wir uns alle – neue wie langjährige Mitglieder – an der Gemeinschaft mit Gleichgläubigen freuen, während wir danach streben, ein festes Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi zu entwickeln und als Jünger Jesu Fortschritt zu machen.
Jedes mitglied hat seinen platz
In der Kirche gehört jedes Mitglied zu einer Gruppe, in der es anderen hilft und in der ihm geholfen wird.
Männer – Ab 12 Jahren gehört jedes männliche Mitglied der Kirche, das zum Priestertum ordiniert wurde, zu einem Kollegium des Aaronischen oder Melchisedekischen Priestertums (siehe LuB 20; 107).
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Im Aaronischen Priestertum sammeln die Diakone das Fastopfer ein und teilen das Abendmahl aus, die Lehrer bereiten das Abendmahl vor und besuchen die Mitglieder als Heimlehrer, die Priester sprechen die Abendmahlsgebete, vollziehen Taufen und ordinieren andere Priester, Lehrer oder Diakone. Das alles geschieht unter der Leitung des Bischofs bzw. Zweigpräsidenten. Ein Lehrer kann mit den Aufgaben eines Diakons betraut werden, und ein Priester kann mit den Aufgaben eines Lehrers oder eines Diakons betraut werden.
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Im Melchisedekischen Priestertum können Älteste (die mindestens 18 Jahre alt sind) die Aufgaben eines Diakons, Lehrers oder Priesters ausführen. Darüber hinaus können sie die Gabe des Heiligen Geistes spenden und die Kranken segnen. Die Hohepriester haben diese und weitere Aufgaben, beispielsweise als Mitglied einer Bischofschaft, des Hoherates oder der Pfahlpräsidentschaft.
Junge Männer von 12 bis 17 Jahren gehören außerdem zur Organisation der Jungen Männer, wo sie mehr über das Evangelium lernen und an sinnvollen Aktivitäten teilnehmen.
Frauen – Jedes Mädchen von 12 bis 17 Jahren gehört zur Organisation der Jungen Damen. In dieser Organisation lernen die Mädchen Evangeliumsgrundsätze kennen, nehmen an sinnvollen Aktivitäten teil, üben sich im Dienst am Nächsten und entwickeln Führungseigenschaften. Jede erwachsene Frau ab 18 Jahren gehört zur Frauenhilfsvereinigung, die es den Frauen ermöglicht, geistig zu wachsen und denen beizustehen, die Hilfe brauchen.
Kinder – Kinder von 3 bis 11 Jahren gehören zur Primarvereinigung, wo sie Evangeliumsgrundsätze kennen lernen und mit anderen Kindern an Aktivitäten teilnehmen. Kinder im Alter von 18 Monaten bis 2 Jahren können den Kindergarten besuchen.
Die führung der Kirche: „Auf das fundament der apostel und propheten gebaut“
Jesus Christus ist das Oberhaupt der Kirche. Er übt seine Führungsvollmacht aus durch Priestertumskollegien, die jeweils bestimmte Aufgaben haben. Die Männer mit den folgenden Berufungen tragen das Melchisedekische Priestertum und werden Generalautoritäten genannt (bis auf die Mitglieder des Dritten bis Achten Kollegiums der Siebziger, die Gebiets-Siebziger genannt werden).
Die Erste Präsidentschaft ist ein Kollegium, zu dem der Präsident der Kirche und seine Ratgeber gehören. Sie präsidieren über die ganze Kirche.
Das Kollegium der Zwölf Apostel leitet das geistliche Werk der Kirche auf der ganzen Welt und hat die Aufsicht über die Missionsarbeit und die Ausführung der Programme der Kirche. Die Apostel sind „besondere Zeugen des Namens Christi in aller Welt“ (siehe LuB 107:23).
Die Kollegien der Siebziger arbeiten unter der Leitung der Zwölf Apostel und helfen mit, die Kirche auf der ganzen Welt aufzubauen. Derzeit gibt es in der Kirche acht Kollegien der Siebziger (siehe Numeri 11:16; Lukas 10:1).
Die Präsidierende Bischofschaft ist die Präsidentschaft des Aaronischen Priestertums und hat die Aufsicht über zeitliche Angelegenheiten wie den Bau von Gebäuden, das Einsammeln des Zehnten und die Wohlfahrtsdienste.
Weitere wichtige begriffe
Es folgen einige grundlegende Begriffe zur Organisation der Kirche (siehe auch Seite 48).
Gemeinde: die örtliche Gemeinschaft von Mitgliedern der Kirche, die in einem bestimmten geographischen Gebiet leben
Zweig: wie eine Gemeinde, doch mit weniger Mitgliedern und weniger umfassenden Programmen
Bischofschaft bzw. Zweigpräsidentschaft: der Bischof bzw. Zweigpräsident und seine beiden Ratgeber, die über die Mitglieder und Programme der Gemeinde bzw. des Zweiges präsidieren
Pfahl: eine Organisationseinheit der Kirche, die aus mehreren Gemeinden besteht
Distrikt: eine Organisationseinheit der Kirche, die aus mehreren Zweigen besteht
Pfahl- bzw. Distriktspräsidentschaft: ein Pfahl- bzw. Distriktspräsident und seine beiden Ratgeber, die über die Mitglieder und Programme eines Pfahles bzw. Distriktes präsidieren
Pfahlhaus: ein Gebäude, in dem sich die Büros der Pfahlpräsidentschaft befinden und das von einer oder mehreren Gemeinden genutzt wird
Hoherat des Pfahles: eine Gruppe von 12 Männern, die die Pfahlpräsidentschaft dabei unterstützen, das Werk des Herrn in ihrem Pfahl zu beaufsichtigen