2007
Mein kostbarstes Geschenk
Dezember 2007


Mein kostbarstes Geschenk

Als ich über all die Geschenke und Karten nachdachte, die wir zu Weihnachten verschenken wollten, kam mir plötzlich eine Frage in den Sinn. Gab es unter all den Geschenken, die ich bisher an Weihnachten erhalten hatte, eines, das mein Leben wirklich beeinflusst hatte? Da musste ich an den Dezember 1963 denken.

Ich war allein zu Hause, weil meine Eltern ausgegangen waren. Damals war ich eine junge Lehrerin. Die Ferien hatten angefangen, ich hatte Urlaub, und Weihnachten stand vor der Tür. Ich wollte gern etwas lesen, aber die Bücher, die wir zu Hause hatten, kannte ich alle schon. Da entschloss ich mich, zu einer Nachbarin zu gehen, die viele Bücher hatte und mir schon oft ein Buch ausgeliehen hatte. Dieses Mal bot sie mir ein Buch an, das zwei junge Männer – zwei Fremde – bei ihr gelassen hatten.

„Ich möchte Ihre Meinung dazu wissen“, sagte sie. „Der Inhalt scheint interessant zu sein.“

Dann erwähnte sie noch, dass die jungen Männer Missionare waren. Missionare? Mein Interesse an dem Buch war sofort erloschen. Damals war ich an Religion überhaupt nicht interessiert, aber ich nahm das Buch trotzdem.

Als ich mich verabschiedete, sagte meine Nachbarin noch: „In dem Buch finden Sie eine kleine Notiz, die sie geschrieben haben. Da heißt es, man solle ein Gebet sprechen, ehe man das Buch liest.“

Da ich an diesem regnerischen Samstag nichts anderes vorhatte, beschloss ich, das „interessante“ Buch zu lesen. Ich öffnete es und fand die Notiz, die die Missionare geschrieben hatten. Ich legte das Buch auf mein Bett, kniete nieder und betete zum ersten Mal in meinem Leben mit eigenen Worten zu Gott.

Ich las die ersten Seiten, und die Geschichte faszinierte mich. Wie konnte der junge Nephi einen so unerschütterlichen Glauben haben? Ich fragte mich, ob ich je in der Lage wäre, so etwas zu tun. Als ich das Buch Mosia las, schöpfte ich Kraft aus den Worten König Benjamins. Damals hatte ich keine Ahnung, dass ich ein Buch las, das für die nächsten gut 40 Jahre zu meinem Lieblingsbuch werden sollte.

In all den Jahren habe ich aus den Seiten dieses Buches Trost und Kraft geschöpft und ich habe viele wichtige Einsichten gewonnen, die ich in dem kleinen Zweig Tucumán in Argentinien, wo ich getauft und konfirmiert wurde, in Ansprachen und Unterrichten weitergegeben habe. Zwei Jahre später, als ich selbst auf Mission war, schrieb auch ich kurze Notizen auf Zettel, um den Untersuchern nahezulegen, dass sie beten sollten, ehe sie das Buch Mormon lasen, das meine Mitarbeiterin und ich ihnen gegeben hatten.

Seit damals sind so viele Jahre vergangen. Aber wie könnte ich das kostbarste Weihnachtsgeschenk, das ich je erhalten habe, und die Nachbarin, die es mir gegeben hat, je vergessen? Ich kann mich kaum an ihr Gesicht erinnern, sie hieß, glaube ich, Marina. Danke, Nachbarin. Ich bin Ihnen auf ewig dankbar.