Ein Bericht soll unter euch geführt werden
Elder Marlin K. Jensen von den Siebzigern, der derzeit der Geschichtsschreiber und Berichtführer der Kirche ist, sprach vor kurzem mit den Zeitschriften der Kirche über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft dieses wichtigen Amtes.
Warum wird den Mitgliedern der Kirche gesagt, dass es wichtig ist, Berichte zu führen und die Geschichte der Kirche festzuhalten und zu bewahren?
Elder Marlin K. Jensen: In den heiligen Schriften, vor allem im Buch Mormon, wird deutlich, dass es ein grundlegender und errettender Grundsatz des Evangeliums ist, dass wir uns erinnern. Wir führen Berichte, damit wir uns leichter erinnern. Wenn wir uns an die Vergangenheit erinnern, gewinnen wir die richtige Perspektive, um als Gottes Kinder an unsere zukünftige Bestimmung zu glauben und somit in der Gegenwart glaubenstreu zu leben.
Am 6. April 1830, als die Kirche gegründet wurde, gebot der Herr dem Propheten Joseph Smith: „Siehe, ein Bericht soll unter euch geführt werden.“ (LuB 21:1.) Diese Offenbarung ist die Grundlage für das Amt des Geschichtsschreibers und Berichtführers der Kirche.
An diesem Tag erfuhr der Prophet, wie wichtig es dem Herrn ist, dass die Geschichte der Kirche niedergeschrieben wird, und schon bald berief er Oliver Cowdery als ersten Geschichtsschreiber und Berichtführer der Kirche. Anfangs schrieb Oliver Protokolle von Versammlungen nieder, Patriarchalische Segen, Angaben zu den Mitgliedern und Bescheinigungen der Priestertumsvollmacht. Er begann auch damit, die Geschichte der Kirche in Erzählform aufzuschreiben.
Die Berichtführung begann mit einem Gebot Gottes und wird bis heute fortgeführt.
Was gehört zur Berufung des Geschichtsschreibers und Berichtführers der Kirche?
Elder Jensen: Bei der Arbeit des Geschichtsschreibers und Berichtführers der Kirche geht es vorwiegend um die Berichtführung. Dazu gehört, dass Quellen zur Geschichte der Kirche gesammelt und bewahrt werden, heilige Handlungen aufgezeichnet und Protokolle gesammelt werden. Die heiligen Schriften legen auch nahe, dass er verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Berichte „zum Nutzen der Kirche und der heranwachsenden Generation“ (LuB 69:8) verwendet werden. Die Aufgaben des Geschichtsschreibers und des Berichtführers ergänzen einander und sind manchmal kaum voneinander zu unterscheiden. Deshalb wurde wohl in der Anfangszeit manchmal ein Berichtführer bestimmt und manchmal ein Geschichtsschreiber und deshalb sind diese Aufgaben in jüngster Zeit zu einer Berufung zusammengefasst worden.
Zu welchem Zweck wird die Geschichte der Kirche aufgezeichnet und gelehrt?
Elder Jensen: Die Geschichte der Kirche soll vor allem dazu beitragen, dass die Mitglieder der Kirche ihren Glauben an Jesus Christus festigen und ihre heiligen Bündnisse einhalten. Damit dieser Zweck erfüllt wird, lassen wir uns hauptsächlich von drei Überlegungen leiten:
Erstens trachten wir danach, die grundlegenden Wahrheiten der Wiederherstellung zu bezeugen und zu verteidigen.
Zweitens wollen wir dazu beitragen, dass die Mitglieder der Kirche sich immer wieder an all das Großartige erinnern, was Gott für seine Kinder getan hat.
Drittens wird uns in den heiligen Schriften geboten, dass wir mithelfen sollen, die offenbarte Ordnung des Reiches Gottes zu bewahren. Dazu gehören die Offenbarungen, Dokumente, Vorgehensweisen, Vorgänge und Strukturen, die für Ordnung und Kontinuität bei der Ausübung von Priestertumsschlüsseln sorgen, ebenso dafür, dass die Priestertumskollegien richtig funktionieren, heilige Handlungen richtig durchgeführt werden und so weiter – all das, was für die Errettung wesentlich ist.
Wie profitiert die Kirche sonst noch vom Amt des Geschichtsschreibers und Berichtführers der Kirche?
Elder Jensen: Der Geschichtsschreiber und Berichtführer der Kirche kann bei Fragen zur Geschichte der Kirche für die Kirche sprechen. Es gibt immer Fragen zur Geschichte der Kirche und manchmal gibt es Kontroversen. Da ist es nützlich, ein Büro zu haben, an das sich jeder wenden kann, um eine zuverlässige Antwort zu erhalten.
Der Geschichtsschreiber der Kirche führt den Vorsitz im Komitee für historische Gedenkstätten, das für diese und die Sehenswürdigkeiten der Kirche zuständig ist. Er ist auch Vorsitzender des Komitees für das Berichtswesen der Kirche. Dieses Komitee beaufsichtigt die Erstellung, Verwaltung und schließlich die Verwendung aller Berichte der Kirche – ob sie nun kirchliche oder administrative Fragen betreffen – auf der ganzen Welt.
Zu den wichtigsten und heiligsten Aufzeichnungen gehören die Berichte über die im Tempel vollzogenen heiligen Handlungen. Sie werden aufbewahrt und gehören wohl zu dem Buch, „das aller Annahme wert ist“ (LuB 128:24). Die Mitglieder können darauf vertrauen, dass alle Berichte, auch die über die im Tempel vollzogenen heiligen Handlungen, sicher sind.
Wie setzt die Kirche Technologie ein, um die Arbeit des Büros des Geschichtsschreibers voranzubringen?
Elder Jensen: Ich arbeite mit dem Family and Church History Department (Abteilung für Genealogie und Geschichte der Kirche) zusammen, das wichtiges Material zur Geschichte der Kirche sammelt und bewahrt. Wir entwickeln einen Technologieplan, der uns helfen soll, die Geschichte der Kirche zusammenzutragen, zu bewahren und den Mitgliedern in aller Welt zugänglich zu machen. Natürlich wird das Internet dabei eine immer wichtigere Rolle spielen.
Die historischen Stätten sowie die Bücher, die Dokumente, die Gegenstände und die Bilder, die wir über die Jahre gesammelt haben, sind in gewissem Sinn die „Kronjuwelen“ der Geschichte der Kirche. Wir fühlen uns verpflichtet, sie auf eine genehmigte und geeignete Weise allen Mitgliedern überall zugänglich zu machen. Wenn man im Internet eine Seite des Originalmanuskripts des Buches Mormon ansehen kann oder bei einer virtuellen Führung das obere Zimmer der Blockhütte der Familie Smith betrachten kann, wo Moroni dem jungen Joseph Smith erschienen ist, dann verbindet das die Mitglieder der Kirche mit unserer Vergangenheit und stärkt ihren Glauben.
Die Technologie macht es auch leichter, die örtlichen Führer, Sekretäre und andere zu schulen und zu unterstützen, die für die Zusammenstellung der Jahresgeschichte des Pfahles, der Gemeinde oder der Mission zuständig sind. Durch die Technologie ist es auch leichter, geschichtliche Angaben an den Hauptsitz der Kirche zu senden oder von dort weiterzuleiten.
Wie kann die Geschichte der Kirche zum Vermächtnis für uns alle werden, ob wir nun neue Mitglieder sind oder seit Generationen der Kirche angehören?
Elder Jensen: Jemand hat einmal gesagt, dass ein Volk nicht größer sein kann als seine Geschichten. Die Geschichte der Kirche beginnt mit dem beeindruckenden Bericht von Joseph Smith und seiner Suche nach der wahren Kirche. Wenn wir Josephs Bericht glauben, gehören wir zu einer großen Schar von Gläubigen, deren Leben sich dadurch verändert, dass sie das wiederhergestellte Evangelium annehmen. Diese Erfahrung wird zu einem sehr wichtigen Teil unseres gemeinsamen Vermächtnisses als Heilige der Letzten Tage. Das erklärt auch, warum die Geschichte der Anfänge der Kirche für die Existenz der Kirche und ihr weiteres Wachstum und ihre Kraft so entscheidend ist.
Es gibt weitere großartige Begebenheiten aus unserer Geschichte, die es verdienen, dass man sie kennt, dass sie in der Kirche und in der Familie vermittelt werden. Die Lektionen, die in Kirtland gelernt wurden, die Prüfungen in Missouri, die Siege und schließlich die Vertreibung der Heiligen aus Nauvoo, der Zug der Pioniere nach Westen, all das sind Geschichten, die die Mitglieder in jedem Land und jeder Sprache inspirieren. Aber es gibt in jedem Land ebenso bewegende Geschichten über den Aufbau und den Fortschritt der Kirche und über die Veränderungen im Leben ganz gewöhnlicher Mitglieder, die vom wiederhergestellten Evangelium berührt wurden. Auch diese sollen niedergeschrieben und bewahrt werden.
Der Zusammenhang zwischen der Geschichte der Kirche und der Geschichte einzelner Familien verdient ebenfalls Beachtung. Wenn man sich mit dem einen befasst, führt das dazu, dass man sich auch mit dem anderen befasst. Viele der bedeutendsten Geschichten im Zusammenhang mit der Kirche stammen aus privaten Aufzeichnungen und sind Teil unseres persönlichen Vermächtnisses oder des Vermächtnisses unserer Familie.
Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass es nicht ausreicht, nur ein Geschichtsbuch zu lesen, um die Geschichte der Kirche als unser Vermächtnis zu betrachten. Dazu gehört auch, dass man eine historische Stätte besucht, Ausstellungsstücke in einem Museum betrachtet, an einem Familientreffen teilnimmt oder selbst Tagebuch führt. Der Schlüssel ist, dass jeder sich auf irgendeine Weise mit der Vergangenheit befasst.
Welcher Aspekt Ihrer Berufung als Geschichtsschreiber und Berichtführer der Kirche bedeutet Ihnen selbst am meisten?
Elder Jensen: Mir ist bewusst geworden, dass die heiligen Schriften ein heiliger Geschichtsbericht sind. Die Propheten haben in ihren Schriften Predigten und Lehren in ihre geschichtliche Erzählung eingeflochten. Beispielsweise beginnt das Buch Mormon mit der Geschichte von Lehi und seiner Familie. Es ist heilige Schrift, aber es ist auch eine Erzählung. Das Buch Mormon stellt die beste Art von geschichtlichen Aufzeichnungen dar. Es ist auch das beste Beispiel für den Zusammenhang zwischen Geschichte und Lehre. Mir ist bewusst geworden, welche Kraft die Verbindung von heiliger Schrift und Geschichte hat.
Ich habe ein Zeugnis erlangt, dass alles vor Gott gegenwärtig ist – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das ist im Einklang mit der Definition von Wahrheit, die wir in den heiligen Schriften finden, nämlich „Kenntnis von etwas, wie es ist und wie es war und wie es kommen wird“ (LuB 93:24). Wir leben in der Gegenwart. Wir können die Zukunft nicht sehen, aber die Vergangenheit können wir sehen – wenn sie bewahrt wurde. Die Vergangenheit kann uns eine Perspektive und eine Grundlage geben, die wir auf keine andere Weise erhalten können. Ob es die Lebensgeschichte unseres Großvaters oder die Lebensgeschichte des Propheten Joseph Smith ist, ob es die Geschichte von den Prüfungen der Pioniere in den Anfangstagen der Kirche oder die Geschichte von Soldaten im Zweiten Weltkrieg ist, die Mitglieder der Kirche waren – Lektionen aus der Vergangenheit helfen uns, mit der Gegenwart zurechtzukommen, und schenken uns Hoffnung für die Zukunft.
Ich bin dankbarer als je zuvor für den Propheten Joseph Smith, der als der erste Prophet dieser Evangeliumszeit Großartiges geleistet hat.
Von allem, was mir inzwischen viel bedeutet, ist eines wohl am wichtigsten: die Überzeugung, dass wir, wenn wir im Herzen aufrichtig sind und Gott wirklich kennen wollen, ihn auch erkennen können und uns ihm gegenüber verantwortlich fühlen. Das haben wir auch dem Beispiel des Propheten Joseph Smith zu verdanken. Er hat es gezeigt und gelehrt und die Verheißung ausgesprochen, dass auch wir Christus erkennen können. Das ist für mich unbezahlbar.
ERFAHREN SIE MEHR ÜBER DIE GESCHICHTE DER KIRCHE
Durch das Internet ist die Geschichte der Kirche jetzt leichter zugänglich als je zuvor. Auf der Website zur Geschichte der Kirche (www.lds.org/churchhistory) finden Sie unter anderem folgende Quellen in englischer Sprache:
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Die Webseite über Joseph Smith, die sich mit dem Leben und der Mission des Propheten befasst. Sie zeigt auch historische Fotografien und Dokumente.
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Die Datenbank Mormon Pioneer Overland Travel (1847–1868) mit Suchfunktion. Sie enthält Angaben zu Personen und Gruppen, die gen Westen nach Utah gezogen sind.
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Unter Historic Sites findet man Bilder und eine kurze Abhandlung über bedeutende historische Stätten der Kirche.
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Informationen über das Museum für Kunst und Geschichte der Kirche, in dem Kunstwerke und Gegenstände ausgestellt werden, die die Geschichte der Kirche und ihrer Mitglieder dokumentieren.
IM AUGENBLICK GIBT ES EIN INTERESSANTES PROJEKT
Die Joseph-Smith-Papiere
Elder Jensen: Das meiner Meinung nach bedeutendste Projekt, an dem wir derzeit arbeiten, sind die Joseph-Smith-Papiere. Das ist ein gewaltiges Unterfangen, das mehrere Jahre beanspruchen wird – eine Zusammenstellung sämtlicher Schriftstücke, die der Prophet Joseph Smith geschrieben hat, hat schreiben lassen oder erhalten hat, aller Predigten, die er gehalten hat, der Briefe, die er bekommen hat, der rechtlichen Angelegenheiten, mit denen er zu tun hatte, und der Offenbarungen, die er empfangen hat. Wir haben vor, diese Dokumente in mehreren Bänden zu veröffentlichen.