2008
Schätze von ewigem Wert
April 2008


Botschaft von der Ersten Präsidentschaft

Schätze von ewigem Wert

President Thomas S. Monson

Als Junge las ich gern Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson. Ich schaute auch Abenteuerfilme an, in denen mehrere Personen jeweils ein Stück einer abgegriffenen Karte besaßen, die zu einem verborgenen Schatz führte, wenn man nur die einzelnen Teile finden und zusammensetzen konnte.

Ich erinnere mich an die fünfzehnminütige Radiosendung, die ich unter der Woche jeden Nachmittag anhörte; sie hieß Jack Armstrong, ein durch und durch amerikanischer Junge. Gleich zu Beginn erklang immer eine geheimnisvolle Stimme aus dem Radio: „Nun begleiten wir Jack und Betty, die sich dem sagenhaften geheimen Eingang zum Elefantenfriedhof nähern, wo der Schatz verborgen liegt. Aber Vorsicht! Auf diesem Weg lauert Gefahr!“ Nichts konnte mich von dieser Sendung fernhalten. Mir kam es so vor, als führte ich die Suche nach dem verborgenen Elfenbein an.

Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Schauplatz sprach der Erlöser der Welt von Schätzen. In seiner Bergpredigt erklärte er:

„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.

Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“1

Der verheißene Lohn war kein Schatz aus Elfenbein, Gold oder Silber. Er bestand auch nicht aus Grundbesitz, Aktien oder Anleihen. Der Meister sprach von Reichtümern, die für jeden erreichbar sind – nämlich unaussprechliche Freude in diesem und ewiges Glück im nächsten Leben.

Heute möchte ich Ihnen die drei Teile Ihrer Schatzkarte geben, die Sie zu Ihrem ewigen Glück führt, nämlich:

  1. Lernen Sie aus der Vergangenheit.

  2. Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor.

  3. Leben Sie in der Gegenwart.

Wir wollen jeden Teil der Schatzkarte betrachten.

Lernen Sie aus der Vergangenheit

Jeder von uns hat ein Erbe – ob von Pioniervorfahren, späteren Bekehrten oder anderen, die Einfluss auf unser Leben hatten. Dieses Erbe bildet ein Fundament, das durch Glauben und Opfer erbaut wurde. Wir haben nun das Recht und die Pflicht, auf diese sichere und stabile Grundlage zu bauen.

Karen Nolen erzählte eine Geschichte, die 1974 in der Zeitschrift New Era erschien. Darin geht es um Benjamin Landart, der 1888 fünfzehn Jahre alt und ein ausgezeichneter Geiger war. Da er mit seiner Mutter und sieben Geschwistern auf einer Farm im Norden Utahs lebte, hatte er für das Geigenspiel nie so viel Zeit, wie er es sich gewünscht hätte. Manchmal schloss seine Mutter die Geige ein, bis er seine Arbeiten auf der Farm erledigt hatte – so groß war die Versuchung für Benjamin, lieber Geige zu spielen.

Ende 1892 wurde Benjamin gefragt, ob er zum Vorspielen für die Aufnahme ins Orchester des Utah-Territoriums nach Salt Lake City reisen wolle. Für ihn ging ein Traum in Erfüllung. Nachdem er einige Wochen lang geprobt und gebetet hatte, ging er im März 1893 nach Salt Lake City, um dort vorzuspielen. Der Dirigent, ein gewisser Herr Dean, sagte Benjamin, nachdem er ihn spielen gehört hatte, er sei der begabteste Geiger, den er westlich von Denver gehört habe. Benjamin wurde gesagt, er solle im Herbst zu Proben nach Denver kommen, und er werde genug Geld verdienen, um für sich sorgen zu können und sogar seiner Familie etwas zu schicken.

Eine Woche, nachdem Benjamin diese freudige Nachricht erhalten hatte, rief ihn jedoch der Bischof in sein Büro und fragte ihn, ob das Orchester noch ein paar Jahre warten könne. Der Bischof sagte Benjamin, ehe er damit beginne, Geld zu verdienen, schulde er dem Herrn noch etwas. Dann bat er Benjamin, eine Berufung auf Mission anzunehmen.

Diese Chance aufzugeben, im Orchester des Territoriums mitzuspielen, das war fast mehr, als Benjamin ertragen konnte, aber trotzdem stand sein Entschluss fest. Er versprach dem Bischof, die Berufung anzunehmen, wenn es irgendeine Möglichkeit gab, das Geld für seine Mission aufzubringen.

Als Benjamin seiner Mutter von der Berufung erzählte, war sie überglücklich. Sie erzählte ihm, dass sein Vater sich gewünscht hatte, eine Mission zu erfüllen. Aber er war umgekommen, ehe er die Möglichkeit dazu hatte. Als sie jedoch über die Finanzierung der Mission sprachen, verdüsterte sich ihr Gesicht. Benjamin sagte ihr, er werde es nicht zulassen, dass sie noch mehr Land verkaufte. Sie schaute ihn prüfend an und sagte dann: „Ben, es gibt einen Weg, das Geld zu bekommen. Es gibt nur eines, was wir besitzen, das wertvoll genug ist, um deine Mission zu finanzieren. Du musst deine Geige verkaufen.“

Sechs Tage später, am 23. März 1893, schrieb Benjamin in sein Tagebuch: „Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe die Geige aus dem Geigenkasten genommen. Den ganzen Tag lang habe ich die Musik gespielt, die ich liebe. Am Abend, als es zu dunkel wurde, um weiterspielen zu können, legte ich das Instrument zurück in den Kasten. Das muss genügen. Morgen gehe ich [auf Mission].“

Fünfundvierzig Jahre später, am 23. Juni 1938, schrieb Benjamin in sein Tagebuch: „Die wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe, war die, etwas aufzugeben, was ich innig liebte – für Gott, den ich noch mehr liebte. Das hat er mir nie vergessen.“2

Lernen Sie aus der Vergangenheit.

Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor

Die Welt, in der wir leben, ändert sich ständig. Die Technik hat fast jeden Lebensbereich verändert. Wir müssen mit diesen Entwicklungen, diesen umwälzenden Veränderungen zurechtkommen – in einer Welt, die sich unsere Vorfahren nie hätten träumen lassen.

Denken Sie an die Verheißung des Herrn: „Wenn ihr bereit seid, werdet ihr euch nicht fürchten.“3 Furcht ist der Todfeind des Fortschritts.

Wir müssen uns vorbereiten und planen, damit wir unser Leben nicht vergeuden. Ohne Ziel kann es keinen wahren Erfolg geben. Eine der besten Definitionen für Erfolg, die ich kenne, lautet in etwa so: Erfolg ist die schrittweise Verwirklichung eines erstrebenswerten Ideals. Jemand hat einmal gesagt, das Problem dabei, kein Ziel zu haben, sei, dass man sein ganzes Leben damit verbringen könne, auf dem Fußballfeld hin und her zu rennen, ohne jemals ein Tor zu schießen.

Vor Jahren gab es ein romantisches, verträumtes Lied, in dem es hieß: „Wünsche führn zum Ziel. / Du musst es dir nur wünschen / und die Sorgen fliehn.“4 Ich möchte hier und jetzt klarstellen, dass Wünsche eine gründliche Vorbereitung auf die Prüfungen des Lebens nicht ersetzen können. Die Vorbereitung macht große Mühe, ist aber für unseren Fortschritt unerlässlich.

Unsere Reise in die Zukunft gleicht nicht einer Autobahn, die sich von hier bis in die Ewigkeit erstreckt. Vielmehr wird es Weggabelungen und Abzweigungen geben, ganz zu schweigen von unvorhergesehenen Schlaglöchern. Wir müssen täglich zum himmlischen Vater beten, der uns liebt und möchte, dass jeder von uns im Leben erfolgreich ist.

Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor.

Leben Sie in der Gegenwart

Manchmal lassen wir zu, dass unsere Gedanken an die Zukunft uns zu viel vom Heute wegnehmen. Von der Vergangenheit zu träumen und sich nach der Zukunft zu sehnen, mag uns trösten, aber trotzdem müssen wir in der Gegenwart leben. Der heutige Tag bietet uns Chancen, und wir müssen sie nutzen.

Professor Harold Hill warnt in Meredith Willsons Musical The Music Man: „Wenn du immer nur an das Morgen denkst, bleibt dir nichts als ein schrecklich leeres Gestern.“

Es wird kein Morgen geben, an dem wir uns erinnern können, wenn wir nicht heute etwas tun. Und wenn das Heute erfüllt sein soll, müssen wir das tun, was am wichtigsten ist. Schieben wir nicht das auf, worauf es am meisten ankommt.

Ich erinnere mich an einen Bericht, den ich einmal gelesen habe. Er handelt von einem Mann, der, nachdem seine Frau gestorben war, ihren Kleiderschrank geöffnet und ein Kleidungsstück gefunden hatte, das sie neun Jahre zuvor gekauft hatte, als sie den Osten der Vereinigten Staaten besucht hatten. Sie hatte es nie getragen, sondern wollte es für einen besonderen Anlass aufbewahren. Nun würde dieser Anlass nie mehr kommen.

Der Mann erzählte einer Freundin davon und sagte: „Bewahre nie etwas für einen besonderen Anlass auf. Jeder Tag deines Lebens ist ein besonderer Anlass.“

Diese Freundin erzählte später, dass diese Worte ihr Leben veränderten. Sie halfen ihr, das, was ihr am wichtigsten war, nicht länger aufzuschieben. Sie sagte: „Ich verbringe jetzt mehr Zeit mit meiner Familie. Ich benutze jeden Tag die schönen Gläser. Wenn mir danach ist, ziehe ich zum Einkaufen neue Kleider an. Die Wörter ‚irgendwann‘ und ‚eines Tages‘ verschwinden aus meinem Vokabular. Jetzt nehme ich mir Zeit, meine Verwandten und Freunde anzurufen. Ich habe alte Freunde angerufen, um mich mit ihnen auszusöhnen. Ich sage meiner Familie, wie sehr ich sie liebe. Ich bemühe mich, nichts aufzuschieben, was uns zum Lachen bringt und uns Freude schenkt. Und jeden Morgen sage ich mir, dies kann ein ganz besonderer Tag werden. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute ist etwas Besonderes.“

In einer Zeitschrift erzählte Arthur Gordon vor vielen Jahren ein wunderbares Beispiel für diese Einstellung. Er schrieb:

„Als ich etwa dreizehn war und mein Bruder zehn, versprach uns Vater, mit uns in den Zirkus zu gehen. Aber beim Mittagessen erhielt er einen Anruf: Er werde wegen einer dringenden geschäftlichen Angelegenheit in der Stadt gebraucht. Wir machten uns schon auf die Enttäuschung gefasst. Da hörten wir ihn am Telefon sagen: ‚Nein, ich kann nicht kommen. Es muss eben warten.‘

Als er an den Tisch zurückkam, lächelte meine Mutter. ‚Du weißt doch, der Zirkus kommt immer wieder‘, sagte sie. ‚Ich weiß‘, sagte mein Vater, ‚aber die Kindheit nicht.‘“5

Elder Monte J. Brough, der früher dem Kollegium der Siebziger angehörte, erzählte einmal von einem Sommer in Randolph in Utah, wo er als Kind lebte. Er und sein jüngerer Bruder Max hatten beschlossen, in einem großen Baum im Garten ein Baumhaus zu bauen. Sie schmiedeten Pläne für das schönste Kunstwerk ihres Lebens. Sie sammelten in der ganzen Nachbarschaft Baumaterial und trugen es auf den Baum. Da war eine Stelle, wo zwei Äste den idealen Platz für das Baumhaus boten. Es war nicht leicht, und sie waren begierig, ihr Werk zu beenden. Die Vorstellung von dem fertigen Baumhaus trieb sie immer wieder an, ihr Projekt fertig zu stellen.

Den ganzen Sommer arbeiteten sie daran und im Herbst, kurz bevor die Schule begann, war das Haus endlich fertig. Elder Brough erzählte, dass er das Gefühl der Freude und Zufriedenheit nie vergessen wird, das sie empfanden, als sie schließlich die Frucht ihrer Arbeit genießen konnten. Sie saßen im Baumhaus, schauten sich ein paar Minuten lang um, kletterten wieder den Baum hinunter – und kehrten nie zurück. Das vollendete Projekt, so schön es auch war, war nicht einmal einen Tag lang interessant genug. Mit anderen Worten: Das Planen, das Sammeln, das Bauen und das Arbeiten – und nicht das fertige Projekt – führten zu der tiefen Zufriedenheit und Freude, die sie spürten.

Genießen wir das Leben, während wir leben, so wie Elder Brough und sein Bruder Max, und finden wir Freude an der Reise.

Schieben Sie nichts auf

Das alte Sprichwort „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ ist doppelt wichtig, wenn es darum geht, unserer Familie und unseren Freunden unsere Liebe und Zuneigung zu zeigen – in Wort und Tat. Harriett Beecher Stowe schrieb: „Die bittersten Tränen, die an einem Grab vergossen werden, gelten dem, was nicht gesagt und nicht getan wurde.“6

Ein Dichter beschrieb den Kummer, den wir erleben, wenn es zu spät ist. Ich zitiere einen Teil:

Gleich um die Ecke wohnt ein Freund

in dieser Stadt, die endlos scheint;

Doch Tage vergehn, Wochen verfliegen,

wo ist nur das Jahr geblieben?

Meinen Freund bekomme ich nicht zu Gesicht,

die Hektik des Lebens erlaubt es nicht. …

Die Tage kommen, die Tage gehn,

so lange haben wir uns nicht gesehn!

Nur um die Ecke! – Und doch so weit …

Ein Telegramm:

„Jim ist gestorben heut.“

Am Ende bekommen wir – nicht unverdient:

Um die Ecke einen Freund, den es nicht mehr gibt.7

Im Geist der Aussage dieses Verses beschloss ich vor einigen Jahren, den Besuch bei einem lieben Freund, den ich viele Jahre nicht gesehen hatte, nicht länger aufzuschieben. Ich hatte ihn in Kalifornien besuchen wollen, war aber nicht dazu gekommen.

Bob Biggers und ich lernten uns gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Ausbildungszentrum der US-Marine in San Diego in Kalifornien kennen. Wir waren von Anfang an gute Freunde. Einmal besuchte er mich in Salt Lake City, ehe er heiratete, und nach meiner Entlassung 1946 hielten wir brieflich Kontakt. Jedes Jahr schrieben meine Frau Frances und ich eine Weihnachtskarte, und Bob und seine Frau Grace schrieben uns eine Weihnachtskarte.

Schließlich, im Januar 2002, war ich dazu eingeteilt, eine Pfahlkonferenz in Whittier in Kalifornien zu besuchen, wo Familie Biggers lebt. Ich rief meinen Freund Bob an, der inzwischen 80 Jahre alt war, und vereinbarte, dass Frances und ich uns mit ihm und Grace treffen würden, um über vergangene Zeiten zu plaudern.

Wir verbrachten eine frohe Zeit. Ich nahm einige Fotos mit, die 55 Jahre zuvor aufgenommen worden waren, als wir beide in der Marine waren. Wir sprachen über die Männer, die wir kannten, und erzählten einander, was wir über sie wussten. Bob, der kein Mitglied unserer Kirche ist, erinnerte sich noch daran, wie er damals, als wir in San Diego stationiert waren, mit mir zur Abendmahlsversammlung ging.

Als Frances und ich uns von Bob und Grace verabschiedeten, empfand ich tiefen Frieden und große Freude darüber, dass ich es endlich geschafft hatte, einen Freund zu besuchen, mit dem ich so viele Jahre nur aus der Ferne Kontakt gehalten hatte.

Es kommt der Tag, an dem es kein Morgen mehr für uns gibt. Schieben wir nichts auf, was wichtig ist.

Leben Sie in der Gegenwart.

Ihre Schatzkarte ist nun vollständig: Lernen Sie aus der Vergangenheit. Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor. Leben Sie in der Gegenwart.

Ich schließe, womit ich begonnen habe. Worte unseres Herrn und Erlösers:

„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen,

sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.

Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“8

Anmerkungen

  1. Matthäus 6:19-21

  2. Siehe „Benjamin: Son of the Right Hand“, New Era, Mai 1974, Seite 34-37

  3. LuB 38:30

  4. „Wishing Will Make It So“, Text von B. G. DeSylva

  5. A Touch of Wonder, 1974, Seite 77f.

  6. Gorton Carruth und Eugene Ehrlich, Hg., The Harper Book of American Quotations, 1988, Seite 173

  7. Charles Hanson Towne, „Around the Corner“, Poems That Touch the Heart, Hg. A. L. Alexander, 1941, Seite 1

  8. Matthäus 6:19-21