Sie sind dem Herrn wichtig
Der Herr legt einen ganz anderen Maßstab an als die Welt, um den Wert einer Seele zu bestimmen.
Mose, einer der größten Propheten, die je gelebt haben, wurde von der Tochter des Pharaos aufgezogen und verbrachte die ersten vierzig Jahre seines Lebens in den Königssälen Ägyptens. Er wusste aus erster Hand, wie herrlich und prächtig dieses antike Königreich war.
Jahre später befand er sich fernab auf einem Berggipfel, weit weg von Prunk und Herrlichkeit des mächtigen Ägyptens, in der Gegenwart Gottes und redete mit ihm von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund spricht.1 Im Laufe dieser Begegnung zeigte Gott dem Mose das Werk seiner Hände und gewährte ihm einen kurzen Blick auf sein Werk und seine Herrlichkeit. Als die Vision zu Ende war, fiel Mose zu Boden und blieb viele Stunden lang liegen. Als er seine Kraft schließlich wiedererlangte, erkannte er etwas, was ihm in all den Jahren am Hofe des Pharaos nie bewusst gewesen war.
„Nun weiß ich“, sagte er, „dass der Mensch nichts ist.“2
Wir sind geringer, als wir annehmen
Je mehr wir über das Universum erfahren, desto mehr verstehen wir – zumindest in geringem Maß –, was Mose erkannt hat. Das Universum ist so groß, geheimnisvoll und herrlich, dass es sich dem menschlichen Verständnis entzieht. „Welten ohne Zahl habe ich erschaffen“3, sprach Gott zu Mose. Das Wunder eines nächtlichen Himmels bezeugt diese Wahrheit auf herrliche Weise.
Nur wenige Erlebnisse haben mich je so ergriffen wie ein Flug im Dunkel der Nacht über Ozeane und Kontinente hinweg, wo sich mir aus dem Fenster meines Cockpits ein atemberaubender Blick auf die unendliche Schönheit von Millionen Sternen bot.
Astronomen haben den Versuch unternommen, die Anzahl der Sterne im Universum zu zählen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern nimmt an, dass die Anzahl der Sterne, die sich mit unseren Teleskopen erfassen lassen, etwa zehnmal größer ist als die Anzahl sämtlicher Sandkörner aller Strände und Wüsten der Welt.4
Diese Schlussfolgerung deckt sich auffallend mit der Aussage des Propheten Henoch: „Wäre es möglich, dass der Mensch die Teilchen der Erde zählen könnte, ja, Millionen Erden gleich dieser, so wäre das noch nicht einmal der Anfang der Zahl deiner Schöpfungen.“5
Angesichts des unermesslichen Ausmaßes von Gottes Schöpfung ist es nicht verwunderlich, dass der große König Benjamin seinem Volk den Rat gab, „an die Größe Gottes und an eure eigene Nichtigkeit [zu denken] und dies immer im Gedächtnis [zu bewahren]“.6
Wir sind größer, als wir annehmen
Doch auch wenn der Mensch nichts ist, erfüllt es mich mit Staunen und Ehrfurcht, wenn ich daran denke, dass „die Seelen … großen Wert in den Augen Gottes“7 haben.
Wir blicken in die unendliche Weite des Universums und mögen uns fragen: „Was ist schon der Mensch, verglichen mit der Herrlichkeit der Schöpfung?“ Gott selbst hat jedoch erklärt, dass wir der Grund sind, warum er das Universum erschaffen hat! Es ist sein Werk und seine Herrlichkeit – und Sinn und Zweck dieses herrlichen Universums –, die Menschheit zu erretten und zu erhöhen.8 Mit anderen Worten: Die unermessliche Ewigkeit, die Herrlichkeit und das Geheimnis unendlichen Raums und unbegrenzter Zeit wurden zum Wohle gewöhnlicher sterblicher Menschen wie Sie und ich geschaffen. Unser Vater im Himmel hat das Universum dazu erschaffen, dass wir unser Potenzial als seine Söhne und Töchter ausschöpfen können.
Für den Menschen klingt dies wie ein Widerspruch: Verglichen mit Gott ist der Mensch nichts, und doch bedeuten wir Gott alles. In Anbetracht der unbegrenzten Schöpfung mag es uns zwar vorkommen, als seien wir nichts, doch glimmt in uns ein Funke ewigen Feuers. Wir haben die unfassbare Verheißung, dass Erhöhung, ja, Welten ohne Ende, für uns zum Greifen nah sind. Und es ist Gottes größter Wunsch, uns zu helfen, dass wir dieses Ziel auch erreichen.
Die Torheit Stolz
Der große Täuscher weiß, dass eine der wirksamsten Methoden, die Kinder Gottes vom rechten Weg abzubringen, darin besteht, beide Extreme dieses scheinbaren Widerspruchs aufzugreifen. Bei manchen zielt er auf deren Neigung zum Stolz ab, indem er ihnen schmeichelt und sie anstachelt, sich für maßlos wichtig und unbezwingbar zu halten. Er redet ihnen ein, sie hätten das Gewöhnliche hinter sich gelassen, und ihre Fähigkeiten, ihre Herkunft oder ihr sozialer Status höben sie zu Recht von dem ab, was allgemein um sie herum als Maßstab gelte. Er bringt sie zu dem Schluss, dass sie sich deshalb niemandes Regeln beugen müssten und mit den Problemen anderer Leute nicht zu behelligen seien.
Es heißt, Abraham Lincoln habe folgendes Gedicht besonders geschätzt:
O Sterblicher, was maßt du im Geiste stolz dir an?
Wie ein verglühʼnder Stern, eine fliehende Wolke sodann,
ein hell zuckender Blitz, wie Wellen, die sich neigen,
welkt dein Leben dahin und muss im Grabe bald schweigen.9
Ein Jünger Jesu Christi begreift, dass unser Leben in dieser irdischen Sphäre verglichen mit der Ewigkeit nur „einen kleinen Augenblick“10 in Raum und Zeit ausmacht. Er weiß, dass der wahre Wert eines Menschen wenig mit dem zu tun hat, was in der Welt hoch angesehen ist. Er weiß, selbst wenn man sämtliches Geld dieser Welt aufhäufte, könnte man damit keinen Laib Brot kaufen, wie es im Himmel angeboten wird.
Diejenigen, die „das Reich Gottes ererben“11, sind diejenigen, die „wie ein Kind [werden], fügsam, sanftmütig, demütig, geduldig, voll von Liebe“.12 „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“13 Ein Jünger Christi versteht auch: „Wenn ihr im Dienste eurer Mitmenschen seid, [seid] ihr nur im Dienste eures Gottes.“14
Wir sind nicht vergessen
Eine andere Methode, mit der uns der Satan irreleitet, ist Entmutigung. Er bemüht sich, unsere Aufmerksamkeit so lange auf unsere eigene Bedeutungslosigkeit zu richten, bis wir an unserem Selbstwert zu zweifeln beginnen. Er redet uns ein, dass wir zu klein seien, um von irgendjemand beachtet zu werden, dass wir vergessen seien – insbesondere von Gott.
Ich möchte Ihnen von einem eigenen Erlebnis berichten, das vielleicht denjenigen ein wenig helfen mag, die sich unbedeutend, vergessen oder allein fühlen.
Vor vielen Jahren absolvierte ich eine Pilotenausbildung bei der Luftwaffe der Vereinigten Staaten. Als junger westdeutscher Soldat, der in der Tschechoslowakei geboren und im Osten Deutschlands aufgewachsen war, befand ich mich weit weg von zu Hause. Zudem konnte ich mich nur mit großer Mühe auf Englisch verständigen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich zu unserer Ausbildungsbasis in Texas reiste. Im Flugzeug saß ich neben jemandem, der mit einem breiten Südstaaten-Akzent sprach. Von dem, was er sagte, verstand ich kaum ein Wort. Ich fragte mich sogar, ob ich nicht die ganze Zeit die falsche Sprache gelernt hatte. Mir machte der Gedanke Angst, mit lauter Muttersprachlern um die begehrten Spitzenpositionen in der Pilotenausbildung zu konkurrieren.
Als ich am Luftwaffenstützpunkt in dem kleinen Ort Big Spring in Texas ankam, machte ich mich auf die Suche nach dem Zweig der Kirche. Dieser bestand aus einer Handvoll wunderbarer Mitglieder, die sich in gemieteten Räumen auf dem Gelände des Stützpunkts versammelten. Die Mitglieder waren gerade dabei, ein kleines Gemeindehaus zu bauen, das der Kirche dauerhaft als Versammlungsort dienen sollte. Damals waren es die Mitglieder, die beim Bau eines neuen Gebäudes ein Großteil der Arbeit leisteten.
Tag für Tag widmete ich mich meiner Pilotenausbildung, lernte so fleißig ich konnte und verbrachte dann einen Großteil meiner Freizeit am Bau des neuen Gemeindehauses. Dort lernte ich, dass jemand, der „5 auf 10“ rief, kein Tänzchen wagen wollte, sondern gerade ein bestimmtes Kantholz brauchte. Außerdem erlernte ich die überaus wichtige Fähigkeit, einen Nagel einzuschlagen, ohne den eigenen Daumen zu treffen.
Ich verbrachte so viel Zeit mit der Arbeit am Gemeindehaus, dass der Zweigpräsident, der zufällig auch einer unserer Fluglehrer war, besorgt fragte, ob ich nicht vielleicht zu wenig Zeit mit dem Lernen zubrachte.
Auch meine Freunde und andere Flugschüler unternahmen einiges in ihrer Freizeit, man kann aber sicherlich sagen, dass manches davon wohl nicht dem entsprach, was in der Broschüre Für eine starke Jugend empfohlen wird. Ich für meinen Teil engagierte mich gern in dieser kleinen Gemeinde im Westen von Texas, übte mich in meinen frisch erworbenen Fertigkeiten als Schreiner und verbesserte mein Englisch, indem ich im Ältestenkollegium und in der Sonntagsschule meine Berufungen als Lehrer wahrnahm.
Zu der Zeit war Big Spring trotz seines Namens ein kleiner, unbedeutender und unbekannter Ort. Und genau so fühlte ich mich oft auch selbst – unbedeutend, unbekannt und ziemlich allein. Und doch habe ich mich niemals gefragt, ob der Herr mich vielleicht vergessen hatte oder ob er mich dort wohl je finden würde. Ich wusste, dass es für den Vater im Himmel nicht darauf ankam, wo ich mich befand, wie gut ich mich mit den anderen in der Pilotenausbildung messen konnte oder welche Berufung ich in der Kirche innehatte. Ihm kam es darauf an, dass ich mein Bestes gab, dass ich ihm mein Herz zuwandte und dass ich willens war, meinen Mitmenschen zu helfen. Ich wusste, wenn ich mein Bestes gab, würde alles gut ausgehen.
Und genau so kam es auch.15
Die Letzten werden die Ersten sein
Es kommt dem Herrn nicht darauf an, ob wir unsere tägliche Arbeit in einem prunkvollen Palast oder einem bescheidenen Stall verrichten. Er weiß, wo wir sind – in welch bescheidenen Umständen wir auch leben mögen. Er bedient sich – auf seine Weise und für seine heiligen Absichten – derer, deren Herz ihm zugewandt ist.
Gott weiß, dass die großartigsten Menschen, die je auf Erden gelebt haben, nicht unbedingt diejenigen sind, die in den Chroniken der Geschichte verzeichnet sind. Es sind die glücklichen Seelen, die demutsvoll dem Beispiel des Erlösers nacheifern und die Tage ihres Lebens damit zubringen, Gutes zu tun.16
Ein Ehepaar, die Eltern eines meiner Freunde, verkörpert in meinen Augen diesen Grundsatz. Der Mann war bei einem Stahlwerk in Utah angestellt. In der Mittagspause zog er immer die heiligen Schriften oder eine Zeitschrift der Kirche hervor und las darin. Wenn seine Kollegen das sahen, machten sie sich immer über ihn und seinen Glauben lustig. Jedes Mal, wenn sie das taten, reagierte er freundlich und selbstbewusst. Er ließ sich von ihrer Respektlosigkeit weder verärgern noch aus der Fassung bringen.
Jahre später erkrankte einer der lautstärksten Spötter schwer. Vor seinem Tod äußerte er den Wunsch, dass dieser demütige Mann bei seiner Beisetzung sprechen solle – was dieser auch tat.
Dieses glaubenstreue Mitglied der Kirche hatte weder eine gehobene gesellschaftliche Stellung noch war er sonderlich reich, aber sein Verhalten hatte einen nachhaltigen Einfluss auf alle, die ihn kannten. Er starb bei einem Arbeitsunfall, als er anhielt, um einem Kollegen zu helfen, der im Schnee steckengeblieben war.
Seine Frau musste sich im selben Jahr einer Gehirnoperation unterziehen, infolge derer sie später nicht mehr gehen konnte. Doch jeder verbringt gern Zeit mit ihr, weil sie gut zuhören kann. Sie kann sich alles sehr gut merken. Sie denkt an andere. Sie kann nicht mehr schreiben, daher hat sie sämtliche Telefonnummern ihrer Kinder und Enkel auswendig gelernt. Liebevoll denkt sie an jeden einzelnen Geburtstag oder Jahrestag.
Allen, die sie besuchen, hilft sie, das Leben und sich selbst positiver zu sehen. Sie können ihre Zuneigung spüren. Sie wissen, dass sie ihr nicht gleichgültig sind. Sie beklagt sich nie, sondern bringt ihre Tage damit zu, für andere da zu sein. Eine ihrer Freundinnen sagt über sie, dass diese Frau unter allen Menschen, die sie je kennengelernt hat, eine der wenigen sei, die die Liebe und das Leben Jesu Christi wahrhaft verkörpere.
Diese Frau und ihr Mann wären wohl die Ersten gewesen, die von sich gesagt hätten, sie seien auf dieser Welt nicht von Belang. Der Herr legt jedoch einen ganz anderen Maßstab an als die Welt, um den Wert einer Seele zu bestimmen. Er kennt dieses glaubenstreue Paar; er liebt sie beide. Was sie tun, ist ein lebendiges Zeugnis für ihren starken Glauben an ihn.
Sie sind dem Herrn wichtig
Meine lieben Brüder und Schwestern, es mag stimmen, dass der Mensch verglichen mit der Herrlichkeit des Universums nichts ist. Gelegentlich mag es sogar geschehen, dass wir uns unbedeutend, unsichtbar, allein oder vergessen vorkommen. Denken Sie trotzdem daran: Sie sind dem Herrn wichtig! Falls Sie jemals daran zweifeln, denken Sie an diese vier göttlichen Grundsätze:
Erstens liebt Gott diejenigen, die demütig und sanftmütig sind, denn so jemand „ist im Himmelreich der Größte“.17
Zweitens vertraut uns der Herr an, „die Fülle [seines] Evangeliums durch die Schwachen und die Einfachen bis an die Enden der Welt“18 zu verkünden. Er hat bestimmt, dass „das Schwache der Welt … hervorkommen und die Mächtigen und Starken niederbrechen“19 und „das Starke zuschanden … machen“20 wird.
Drittens sind Sie – ganz gleich, wo Sie leben, wie bescheiden Ihre Lebensumstände Ihnen auch erscheinen mögen, wie gering das Einkommen, wie begrenzt die Fähigkeiten, wie durchschnittlich das Aussehen oder wie unbedeutend die Berufung in der Kirche – für den Vater im Himmel nicht unsichtbar. Er liebt Sie. Er kennt Ihr demutsvolles Herz und weiß, wie viel Liebe und Güte Sie geben. Zusammen bildet dies ein bleibendes Zeugnis Ihrer Redlichkeit und Ihres Glaubens.
Und schließlich sollten Sie sich viertens vor Augen führen, dass das, was Sie jetzt sehen und erleben, kein ewiger Zustand ist. Sie werden Einsamkeit, Leid, Schmerz oder Entmutigung nicht endlos in sich tragen. Gott hat uns fest verheißen, dass er diejenigen, die ihr Herz ihm zuwenden, weder vergessen noch verlassen wird.21 Setzen Sie in diese Verheißung Ihre Hoffnung und glauben Sie daran. Lernen Sie, Ihren Vater im Himmel zu lieben und in Wort und Tat sein Jünger zu werden.
Wenn Sie nur standhaft bleiben, Glauben an ihn ausüben und weiterhin treu die Gebote halten, können Sie sich sicher sein, eines Tages selbst erleben zu können, was einst dem Apostel Paulus verheißen wurde: „Kein Auge [hat] gesehen und kein Ohr [hat] gehört, … keinem Menschen [ist] in den Sinn gekommen …: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“22
Brüder und Schwestern, das mächtigste Wesen im Universum ist der Vater Ihres Geistes. Er kennt Sie. Er liebt Sie auf vollkommene Weise.
Gott betrachtet Sie nicht nur als sterblichen Menschen, der für kurze Zeit auf einem kleinen Planeten lebt – er betrachtet Sie als sein Kind. Er sieht Sie so, wie Sie werden können und wozu Sie erschaffen worden sind. Er möchte, dass Sie wissen, dass Sie ihm wichtig sind.
Mögen wir stets Glauben üben, Vertrauen haben und unser Leben so ausrichten, dass wir unseren wahren ewigen Wert und unser Potenzial begreifen. Mögen wir würdig sein, die kostbaren Segnungen, die der Vater im Himmel für uns bereithält, zu empfangen. Das erbitte ich im Namen seines Sohnes Jesus Christus. Amen.