2012
An den Enden der Erde zum Glauben gefunden
August 2012


An den Enden der Erde zum Glauben gefunden

Ushuaia in Argentinien mag am Ende der Welt liegen, doch diejenigen, die hier das Evangelium kennengelernt haben, verbinden Ushuaia mit dem Beginn eines neues Lebens.

Der Leuchtturm Les Éclaireurs erhebt sich wie ein Wächter auf der kleinen Insel im kühlen Beagle-Kanal. Das Lichtsignal dieses abgelegenen Leuchtturms, dessen französischer Name „Kundschafter“ oder „Aufklärer“ bedeutet, blitzt alle zehn Sekunden auf.

Fünf Seemeilen (9 km) weiter nördlich liegt die südlichste Stadt Argentiniens, Ushuaia, an der Spitze der Inselgruppe Tierra del Fuego (Feuerland). Knapp 150 km südlich liegt Kap Hoorn und noch weiter südlich die eisige Antarktis.

Für diejenigen, die sich hier in Ushuaia, von den Einheimischen „das Ende der Erde“ genannt, der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen haben, ist der Leuchtturm Les Éclaireurs ein Sinnbild für das wiederhergestellte Evangelium. Wie ein Leuchtturm schenkt das Evangelium Licht, das sie aus der geistigen Finsternis der Welt herausgeholt und sie sicher an die Ufer des Glaubens und der Gemeinschaft geleitet hat.

Ich habe Antworten gefunden

Guillermo Javier Leiva machte 2007 eine schmerzliche Scheidung durch. Er musste sich eine Wohnung suchen und konnte nicht mehr jeden Abend zu seinem Sohn Julian heimkommen. Er fühlte sich leer und allein.

„Ich war sehr unglücklich“, erzählt er, „und in meiner Verzweiflung wandte ich mich an Gott.“

Guillermo betete um Antworten und um Hilfe. „Ich sagte: ‚Vater, ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst, aber ein Wort von dir genügt, um mich zu heilen.‘“

Die Antwort auf dieses Gebet erfolgte kurze Zeit später, als zwei junge Männer in weißem Hemd und Krawatte stehenblieben, um sich mit ihm zu unterhalten. Er spielte gerade mit seinem Sohn vor seiner neuen Wohnung.

„Der eine begrüßte mich und fragte mich, ob ich Glauben hätte“, berichtet Guillermo. „Ich bejahte, meinte aber, ich sei nicht gerade ein guter Christ. Daraufhin fragte er, ob ich ein Buch lesen würde, das er mir geben wollte. Ich bejahte.“

Als Guillermo sich in die Verse in Alma 32 vertiefte, die die Missionare markiert hatten, spürte er, wie er sagt, „sogleich große Freude in meiner Seele, wie lange nicht mehr. Das Buch berührte mich tief. Ich konnte nicht aufhören zu lesen.“

Guillermo besuchte nicht mehr den Gottesdienst seiner bisherigen Kirche, sagte aber den Missionaren, er habe nicht vor, sich noch einmal taufen zu lassen. Dennoch freute er sich über ihre Besuche und las gern die von ihnen angegebenen Kapitel im Buch Mormon.

Er konnte mit Nephi mitfühlen, als er las, wie dieser Prophet „wegen der Versuchungen und der Sünden, die mich so leicht bedrängen“, litt (2 Nephi 4:18). „Ich wusste, dass auch ich gesündigt hatte“, erzählt Guillermo, „und ich fühlte mich schlecht deswegen.“

Als er weiterlas, hatte er das Gefühl, er werde aus Finsternis und Verzweiflung befreit und in „das Licht der Herrlichkeit Gottes“ gebracht (Alma 19:6).

Und als er vom Taufbund las, den die Menschen an den Wassern Mormon eingegangen waren, wurde ihm klar, wie wichtig die Taufe mit der rechtmäßigen Priestertumsvollmacht war. „Nachdem ich erkannt hatte, dass es ein guter Same war, was hatte ich ‚dann dagegen, [mich] im Namen des Herrn taufen zu lassen‘“ (Mosia 18:10), fragte er sich.

„Jedes Mal, wenn ich im Buch Mormon las, spürte ich Frieden und fand Antworten“, stellt Guillermo fest. „Ich erkannte, dass das Buch Mormon das Wort Gottes war, um das ich gebetet hatte.“

Als er sich im März 2009 taufen ließ, erlebte er eine geistige Neugeburt und sah wieder zuversichtlich in die Zukunft. „Die Taufe war die Chance, noch einmal von vorn zu beginnen“, sagt Guillermo. „Ich habe mein Leben geändert. Ich bin jetzt sehr glücklich. Ich weiß, dass dies die wahre Kirche Jesu Christi ist und dass Gott Gebete erhört, denn er hat das wichtigste Gebet, das ich je gesprochen habe, erhört.“

Wir brauchten eine Kirche

Als Kind hatte Amanda Robledo kein geistiges Heilmittel gegen den Schmerz, den sie litt, als ihre Mutter starb. Ihr Mann Ricardo fand keine Antworten auf seine ernsthaften religiösen Fragen, nachdem sein Bruder gestorben war.

Unter anderem wollte er wissen, ob es auf der Erde eine Kirche gab, die den Lehren Jesu Christi folgt. Ihre Suche nach dieser Kirche und nach Antworten auf ihre Fragen bereitete Amanda und Ricardo schließlich darauf vor, das wiederhergestellte Evangelium anzunehmen.

Auf ihrer Suche besuchten sie verschiedene Glaubensgemeinschaften und befassten sich mit mehreren Religionen. Sie suchten nach einer Kirche, die nicht nur im Einklang mit den Lehren Jesu war, sondern zudem ihre Familie stärker machte.

„Wir erlebten als Familie gerade eine schwierige Zeit“, erinnert sich Amanda, „und wir wussten, dass wir eine Kirche brauchten, die uns zur Seite steht.“

Anfang der 90er Jahre zog Familie Robledo mit ihren vier Kindern von Mendoza im Nordwesten Argentiniens nach Ushuaia. Als sie zwei Jahre später die Kirche kennenlernten, spürten sie sofort, dass die Vollzeitmissionare eine besondere Ausstrahlung hatten und etwas Besonderes zu verkünden hatten.

Amanda wusste kaum etwas über die Heiligen der Letzten Tage. „Und was ich gehört hatte, war nicht gerade gut“, meint sie. Aber sie, Ricardo und die Kinder fühlten sich von dem, was sie da erfuhren, angesprochen.

„Ich habe den Geist gespürt, als die Missionare zu uns gesprochen haben“, erzählt Tochter Bárbara, die damals elf war. „Und mir hat es gefallen, dass sie gesagt haben, wir könnten gemeinsam als Familie beten.“

Als sie sich die Missionarslektionen anhörten, das Buch Mormon lasen und den Gottesdienst besuchten, „fanden wir all die Antworten, die wir suchten“, so Ricardo, „Antworten im Hinblick auf die Taufe, das vorirdische Leben, die Göttlichkeit Christi, die Unsterblichkeit des Menschen, die heiligen Handlungen des Evangeliums, die Ehe und den ewigen Fortbestand der Familie“.

Die schönste Lehre des wiederhergestellten Evangeliums war für Familie Robledo, dass die Familie für immer zusammen sein kann.

„Als ich das hörte, habe ich mich bekehrt“, erklärt Ricardo, der sich weniger als drei Wochen nach der ersten Missionarslektion taufen ließ und heute Zweiter Ratgeber in der Distriktspräsidentschaft ist. „Ich hatte sehr gelitten, als mein Bruder im Alter von 49 Jahren gestorben war, und nun erfuhr ich, dass ich ihn durch die Tempelarbeit zurückgewinnen kann. Diese Gewissheit hat mir Frieden und Freude gebracht.“

Amanda, die sich kurz darauf mit einem ihrer Söhne taufen ließ, sagt: „Ich habe meine Mutter schon sehr früh verloren. Ich dachte immer, dies sei für alle Zeiten, und darunter habe ich sehr gelitten. Als uns dann die Missionare sagten, eine Familie könne für immer zusammen sein, drang mir das tief ins Herz. Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass ich sie wiedersehen werde.“

Nachdem Ricardo und Amanda im Buenos-Aires-Tempel in Argentinien für die Ewigkeit getraut worden waren, wurden ihre Kinder an sie gesiegelt. Als Familie gesiegelt zu sein, die Tempelarbeit für viele verstorbene Angehörige verrichten zu können und drei ihrer Kinder auf eine Vollzeitmission zu schicken, hat Ricardo und Amanda viel Freude gebracht.

„Dass unsere Kinder Gott gehorchen, betrachten wir als eine der größten Segnungen, die wir als Mitglieder der Kirche empfangen haben“, meint Amanda.

Der Beginn von allem

Marcelino Tossen glaubte an Gott, las in der Bibel und unterhielt sich gern über Religion, und so bat er auch die Vollzeitmissionare herein, die an einem warmen Tag im Januar 1992 an seine Wohnungstür klopften. Diese Entscheidung änderte sein Leben.

„Elder Zanni und Elder Halls ließen sich vom Heiligen Geist leiten“, erzählt Marcelino. Noch ehe die erste Lektion besprochen war, sagten ihm die Missionare, er werde sich taufen lassen und Mitglied der Kirche Jesu Christi werden, und sie nannten sogar das Datum seiner Taufe.

„Ich werde mich nicht taufen lassen“, entgegnete Marcelino. „Ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten.“

Die Missionare gaben ihm ein Buch Mormon und baten ihn, ein paar Verse darin zu lesen und am Abend über das zu beten, was er von ihnen gehört hatte. Das tat er auch, aber er spürte nichts dabei.

Bei einem ihrer nächsten Gespräche fragte ihn Elder Zanni: „Könnten wir vielleicht zusammen beten, damit Sie den Vater im Himmel fragen können, ob unsere Botschaft wahr ist?“

„Als ich betete“, erzählt Marcelino, „brannte mein Herz in mir. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich konnte mein Gebet gar nicht zu Ende sprechen und stand wieder auf.“

Elder Zanni fragte Marcelino, ob er beim Beten etwas verspürt habe. Als Marcelino dies verneinte, entgegnete der Missionar: „Ich habe den Heiligen Geist sehr stark verspürt. Es wundert mich, dass Sie nichts gespürt haben.“

Als Marcelino daraufhin eingestand, was er empfunden hatte, „lasen mir die Missionare aus dem Buch Lehre und Bündnisse vor und erklärten mir, dass der Herr seinen Frieden sendet oder unser Herz brennen lässt, wenn er uns kundtun will, dass etwas richtig ist [siehe LuB 6:23; 9:8]. Dieser Tag war für mich der Wendepunkt.“

Von da an wirkte der Heilige Geist in ihm und bezeugte die Wahrheit durch zahlreiche geistige Erlebnisse. „Ich spürte das Brennen wieder, als ich einmal alleine in meiner Wohnung war“, erzählt Marcelino. „Als ich das Fenster öffnete, sah ich die Missionare, die an einer Straßenecke mit jemandem über die Kirche sprachen. Ich spürte es, wenn sie in der Nähe waren, und ich setzte mich nun ernsthaft mit dem auseinander, was sie mich lehrten.“

Marcelino wurde herzlich aufgenommen, als er die Versammlungen der Kirche besuchte. Kurze Zeit später ließ er sich taufen – am 22. April, dem Tag, den die Missionare drei Monate zuvor genannt hatten. Mittlerweile liegen neun Jahre als Präsident des Distrikts Ushuaia hinter ihm. Er ist jetzt Zweiter Ratgeber in der Präsidentschaft der Mission Buenos Aires Nord.

„Wenn wir lesen, dass der Herr ‚[sein] Wort hinaussenden [wird] bis an die Enden der Erde‘ [LuB 112:4], dann ist damit Ushuaia gemeint“, meint Präsident Tossen. „Ushuaia ist das Ende der Erde. Aber für alle, die wie ich hier das Evangelium kennengelernt haben, ist es der Beginn von allem. Man findet hier den Leuchtturm am Ende der Welt. Ich aber habe hier Glauben und den Leuchtturm des Herrn gefunden.“

Durch das Buch Mormon hat Gott „das wichtigste Gebet erhört, das ich je gesprochen habe“, erklärt Guillermo Leiva (oben, Mitte), Zweigpräsident in Ushuaia. Oben rechts: der Leuchtturm Les Éclaireurs und Fotos von Ushuaia

Rechts: Amanda und Ricardo Robledo (mit ihren Töchtern Bárbara und Irene) haben das wiederhergestellte Evangelium angenommen, nachdem sie erfahren haben, dass ihre Familie für immer zusammen sein kann.

Ushuaia mag am Ende der Welt liegen, doch für alle, die hier das Evangelium kennengelernt haben, wie Marcelino Tossen, ist es „der Beginn von allem“.

Fotos von Michael R. Morris; Karte © iStockphoto.com