Dienst in der Kirche
Ein viel größeres Geschenk
Der Verfasser lebt in Kalifornien.
Bruder Reynolds unterrichtete uns nicht nur. Er hatte uns lieb.
In meinem letzten Jahr in der PV bekamen wir einen neuen Lehrer. Er hieß Bruder Reynolds. Er hatte graues Haar und viele Falten. Er erzählte von der Weltwirtschaftskrise und seiner Zeit als Soldat in der US-Armee im Zweiten Weltkrieg. Anfangs konnte ich mit seinen Geschichten wenig anfangen. Sie waren langweilig und das alles lag auch schon ewig zurück.
Einmal benahmen meine Freunde und ich uns im Unterricht daneben. Bruder Reynolds nahm mich zur Seite und sprach kurz mit mir. Er bat mich einfach, mich zu bessern, und erklärte, dass er nur das Beste für mich wolle. Bis dahin hatten meine Freunde und ich fast nie im Unterricht aufgepasst. Aber bald erkannten wir, dass Bruder Reynolds etwas Besonderes an sich hatte: Wir waren ihm sehr wichtig, und es ging ihm nur darum, uns lieb zu haben.
Bruder Reynolds gab beständig Zeugnis für den Erretter, Jesus Christus. Seine Augen strahlten immer, wenn er uns erklärte, welche Macht mit einem auf Christus ausgerichteten Leben einhergeht. Seine Geschichten wurden zu Abenteuern, die unsere Vorstellungskraft ankurbelten und in uns den Wunsch entfachten, dem Herrn zu dienen.
Ich erinnere mich noch an einen Unterricht über den Propheten Joseph Smith. Er bezeugte, dass Joseph Smith einst ein Junge wie wir war. Mit Tränen in den Augen erklärte er uns, der Herr habe hohe Erwartungen an uns, wie er sie auch an Joseph Smith hatte. Bruder Reynolds sagte, ein jeder von uns würde Großes vollbringen, ja, sogar die Welt verändern, wenn wir so wie Joseph wären und dem Erretter naheblieben.
Einige Jahre später – meine Freunde und ich waren inzwischen an der Highschool – hörten wir, dass Bruder Reynolds beim Zurückschneiden seiner Aprikosenbäume Hilfe brauchte. Wir machten uns freudig ans Werk. Stundenlang standen wir auf der Leiter und schnitten Äste ab. Es war harte Arbeit, aber wir wussten, dass es Bruder Reynolds viel bedeutete.
In dem Jahr erfuhren wir auch, dass Bruder Reynolds neue heilige Schriften benötigte. Seine waren alt, hatten Eselsohren und fielen auseinander. Wir legten zusammen und kauften ihm wunderschöne, in Leder gebundene heilige Schriften und ließen seinen Namen eingravieren. Dann überreichten wir sie ihm bei der Gemeinde-Weihnachtsfeier. Ich werde nie vergessen, wie er übers ganze Gesicht strahlte und seine Augen vor Tränen und Begeisterung glänzten, weil wir Jungen etwas getan hatten, was ihm unglaublich viel bedeutete.
Als ich einige Jahre später an der Universität war, erfuhr ich, dass Bruder Reynolds gestorben war. Ich besuchte seine Frau und seine Kinder, um ihnen zu sagen, wie sehr ich ihn geachtet und geschätzt hatte. Als ich seine glücklichen Kinder und Enkel sah, wurde mir bewusst, welch ein Segen es für mich war, diesen großartigen Mann gekannt zu haben.
„Er hatte euch Jungs lieb“, sagte Schwester Reynolds unter Tränen, aber mit einem Lächeln. „Er hatte euch wirklich sehr lieb.“
In einer Welt, in der es schwierig ist, das Richtige an die erste Stelle zu setzen, zeigte Bruder Reynolds uns, dass unsere Beziehung zum Vater im Himmel und zu seinem Sohn am allerwichtigsten ist. Wir haben vielleicht Bruder Reynolds Bäume gestutzt und ihm neue heilige Schriften geschenkt, aber er hat uns ein viel größeres Geschenk gemacht: beständige Liebe zum Erretter, Jesus Christus.