Heilige der Letzten Tage
Diesmal zögerte ich nicht
Ich schnallte meine Tochter in dem abgenutzten Kindersitz an. Wir hatten nicht viel Geld, und ich war dankbar, dass uns vor kurzem jemand diesen Kindersitz geschenkt hatte. Er diente als Sitzerhöhung, da meine Tochter für ihren bisherigen Kindersitz zu groß geworden war. Ich freute mich darauf, an diesem schönen Tag einige Besorgungen zu machen.
Wir hielten bei unserer ersten Station, der Bibliothek. Ich schnallte meine Tochter ab. Da bemerkte ich eine junge Lateinamerikanerin, die neben uns geparkt hatte. Ein Baby, das sich noch nicht selbst stützen konnte, saß, wie eine kleine Kugel in sich zusammengesunken, ohne Kindersitz oder dergleichen auf der Rückbank. Die junge Mutter mühte sich ab, den Gurt eng genug um die kleine Gestalt zusammenzuziehen. Mir kamen zwei Gedanken in den Sinn:
„Sie hat für ihr Baby keinen Kindersitz. Ich könnte ihr meinen geben.“
Doch sogleich redete ich mir den Gedanken wieder aus:
„Sie spricht wahrscheinlich gar kein Englisch. Vielleicht trete ich ihr zu nahe. Mein Kindersitz ist ja schon sehr abgenutzt. Möglicherweise würde sie ihn gar nicht haben wollen. Und wenn doch, wo soll ich dann einen Ersatz hernehmen?“
Also tat ich nichts.
Sie stieg in ihr Auto und fuhr davon.
Noch bevor ich den Eingang der Bibliothek erreicht hatte, bereute ich meinen Entschluss. Ich wusste, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte und sie nicht ungeschehen machen konnte.
Ich wollte die Eingangstür öffnen, doch vergebens: Die Bibliothek hatte noch geschlossen. Die Tatsache, dass ich nicht reagiert hatte, ließ mich nicht los, während ich die restlichen Besorgungen erledigte. Immer wieder spielte sich die Szene in meinem Kopf ab.
Nachdem ich alles erledigt hatte, beschloss ich, noch einmal zur Bibliothek zu fahren. Ich parkte an derselben Stelle wie zuvor. Zu meinem Erstaunen parkte die junge Mutter mit dem kleinen Sohn wieder neben mir. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen.
Diesmal handelte ich, ohne zu zögern. Ich nahm den Kindersitz meiner Tochter und ging auf die junge Mutter zu. Sie sprach kein Englisch. Ich deutete auf ihr Baby, den Kindersitz und ihr Auto. Gemeinsam befestigten wir den Sitz auf der Rückbank. Als ich ihr zeigte, wie man ihn bedient, stellte ich fest, dass ich genug Spanisch konnte, um das Wichtigste zu verstehen: „Gracias“.
Ich war dem barmherzigen Vater im Himmel unendlich dankbar, dass er mir eine zweite Chance gegeben hatte, einer Schwester in Not zu helfen.
Jetzt gab es noch eine weitere Besorgung auf meiner Liste. Ich schnallte meine Tochter an und fuhr besonders vorsichtig zu einem nahegelegenen Second-Hand-Laden. In der hintersten Ecke des Ladens stand ein Kindersitz auf dem Boden. Er sah genauso aus wie der, den ich eben verschenkt hatte, und war genauso abgenutzt. Ich kaufte ihn, ganz ergriffen und voller Demut infolge der morgendlichen Ereignisse.
Der Erlöser hatte mir auf sanfte, jedoch wirkungsvolle Weise etwas mitgeteilt, was mir nun tief ins Herz gedrungen war: Befolge die Eingebungen des Heiligen Geistes – und zwar gleich beim ersten Mal.