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Lehre und Bündnisse 102 bis 105
Vorzeitige Rückkehr: Was ich vom Zionslager gelernt habe
Die Verfasserin lebt in Utah.
Als ich meine Mission vorzeitig beenden musste, fand ich Trost in einer Geschichte über die Heiligen aus der Anfangszeit der Kirche
In meiner Kindheit und Jugend war das Leben sorglos und unkompliziert. Schule und Hobbys bereiteten mir keinerlei Mühe. Ich konnte mich nicht beklagen und war im Allgemeinen zufrieden.
Aber mit 19 änderte sich so manches.
Als ich nach Asunción in Paraguay auf Mission ging, war ich aufgeregt. Ich erwartete, dass alles reibungslos ablaufen werde – so wie mein bisheriges Leben auch. Nach etwa vier Monaten auf Mission kehrte ich jedoch aufgrund von schweren Depressionen und Angstzuständen wieder in meine Heimatstadt zurück. In meiner Vorstellung war ich bisher immer erfolgreich gewesen und kannte keine Schwächen – als ob so etwas überhaupt möglich wäre! Doch jetzt überhäuften mich Angst, Schuldgefühle, Wut, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit. Alles, woran ich denken konnte, war, was für eine Versagerin ich doch war.
Lektionen aus dem Zionslager
Eine Begebenheit aus der Geschichte der Kirche schenkte mir ein wenig Trost. Am 24. Februar 1834 erhielt Joseph Smith die Offenbarung (Lehre und Bündnisse 103), er solle mit über hundert Männern in den Landkreis Jackson in Missouri ziehen. Dort sollten sie den Heiligen helfen, die Grundstücke wiederzuerlangen, die sie bei ihrer Vertreibung ein Jahr zuvor hatten aufgeben müssen. Etwa 230 Männer, Frauen und Kinder schlossen sich diesem Unternehmen an, das später „Zionslager“ genannt wurde. Nach einer Vorbereitungsphase brach die Gruppe im Mai von zuhause auf und marschierte pro Tag bis zu 65 Kilometer weit.1
Dem Zionslager machten aber nicht nur die körperlichen Anstrengungen zu schaffen – einige Mitglieder der Gruppe verleumdeten andere und waren ungehorsam und rebellisch. Viele andere hingegen blieben treu und betrachteten das ganze Unternehmen und die Gelegenheit, bei Joseph Smith zu sein, als Vorrecht. Da sich die Umstände änderten, suchte der Prophet abermals Weisung vom Herrn und erhielt im Juni eine weitere Offenbarung (Lehre und Bündnisse 105), worin ihm gesagt wurde, dass sie ihr Vorhaben nicht mehr fortzusetzen brauchten. Die Teilnehmer am Lager kehrten also nach Hause zurück, und anscheinend hatten sie ihren Zweck, Zion zu erlösen, nicht erfüllt. Doch viele erkannten, dass es dennoch kein Fehlschlag gewesen war, weil sie dieses Unternehmen ja Gott nähergebracht hatte und sie seine Hand in ihrem Leben erkannten.2
Eine neue Sichtweise – und Vergangenes ruhen lassen
Als die Heiligen im Zionslager vor der Nachricht standen, dass sie nun ohne die erwarteten Segnungen nach Hause zurückkehren sollten, werden sie sich möglicherweise gefragt haben, weshalb der Vater im Himmel sie überhaupt aufgefordert hatte, die Reise zu unternehmen. Auch ich habe mich gefragt, wozu ich in eine Richtung geführt wurde, die sich dann nicht so weiterentwickelt hat, wie ich das vorgehabt hatte.
Nachdem ich einige Wochen lang trauriger gewesen war als je zuvor im Leben, wurde mir klar, dass ich nicht mit einer solch negativen Einstellung weiterleben wollte. Ich wusste, dass ich nicht auf der Erde war, um ein Leben voller Mutlosigkeit und Pessimismus zu führen. Wir sind schließlich hier, „damit [wir] Freude haben können“ (2 Nephi 2:25). Ich beschloss also, meine Sichtweise zu ändern und nicht mehr den Grund für Vergangenes zu hinterfragen, sondern selbst inmitten meiner Bedrängnisse Sinn und Zweck zu finden.
Ich kümmerte mich um andere Menschen, legte mir neue Hobbys zu und studierte an der Uni weiter. Außerdem fing ich an, jeden Tag in meinem Tagebuch alles aufzulisten, wofür ich dankbar war. Was zunächst nur kurze Einträge waren, wurde zu ganzen Seiten, als ich begann, die Hand des Herrn im Alltag immer mehr zu erkennen. Meine Gebete änderten sich von Wunschlisten zu Dankbarkeitslisten.
Auch wenn die schweren Tage noch immer nicht verschwunden sind, weiß ich jetzt, welchen Unterschied es macht, wenn man sich auf das Gute im Leben konzentriert. Anstatt meine Prüfungen als etwas Schlimmes zu sehen, entschied ich mich, darin eine Gelegenheit für Wachstum zu sehen.
Ein klarerer Blick auf die Gründe
Wenn ich zurückblicke, wie sich mein Leben entwickelt hat, seit ich aus Paraguay nach Hause kam, kann ich sehen, wie der Vater im Himmel mich geführt und mir durch meine Erfahrungen bestimmte Türen geöffnet hat. In den Monaten nach meiner Mission lernte ich einige meiner derzeit besten Freunde kennen, und ich konnte sofort mit dem Studium beginnen, obwohl die Einschreibefrist bereits abgelaufen war. Ich absolvierte auch ein Auslandssemester in der Schweiz, wo ich meiner Gastfamilie das Evangelium näherbringen konnte.
In den Jahren seither, in denen ich mich bewusst dafür entschieden habe, dankbar zu sein, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, dem Vater im Himmel für alles zu danken. Das stärkt meinen Glauben an ihn.
In einer schwierigen Woche wurde mir in einem Priestertumssegen etwas gesagt, was mir zeigt, worum es beim Glauben geht: „Ich segne dich mit Verständnis und dem Wissen, dass Gott dir das geben wird, was dir nicht nur zum Guten dient, sondern dich auch vermehrt zu dem machen wird, was nach seinem Willen aus dir werden soll. Diese Segnungen sind nicht immer einfach zu erlangen, denn gerade auch Kämpfe und Widrigkeiten tragen zu unserem Fortschritt bei.“
Ich weiß, dass der Vater im Himmel unsere Anstrengungen uns zum Gewinn weiht, denn, wie Präsident Russell M. Nelson sagt: „Der Herr schätzt Anstrengung.“3 Gott liegt wirklich daran, dass wir glücklich werden, und er steht immer an unserer Seite.